Editorial

US-Fälschungsskandal lässt Pharmaindustrie erbeben

Nicht nur an Universitäten wird munter gefälscht. Sechs Mitarbeiter eines amerikanischen Auftragsforschungsinstituts haben über Jahre klinische Daten geschönt und den vom Auftraggeber gewünschten Ergebnissen angepasst.

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Betrug im großen Maßstab: Cetero Research hat ein Problem

(11. August 2011)  Auf der Website der US-Firma Cetero Research gehen junge und hübsche Menschen ihrer verantwortungsvollen Tätigkeit nach: der Planung und Durchführung klinischer Studien. Cetero Research ist eine sogenannte „Clinical Research Organization" (CRO), zu deutsch: ein Auftragsforschungsinstitut, das im Auftrag der Pharmaindustrie Arzneimittelstudien durchführt.

 

Die eigene Tätigkeit formuliert das Unternehmen mit Hauptsitz in North Carolina wie folgt: 

 

"Our mission is simple: To support our partners in the timely completion of research that gets them to the next stage in their clinical development."

 

Seit kurzem ist auch bekannt, wie es Cetero Research angestellt hat, seine Industriekunden „bei der rechtzeitigen Fertigstellung der Forschung" zu unterstützen und wie man diesen Kunden dadurch problemlos „in die nächste Stufe der klinischen Entwicklung" verhalf.

 

Es wurden Daten gefälscht. Im großen Stil, und über Jahre hinweg.

 

Bemerkt hatte dies bis Juni 2009 anscheinend keiner. Danach ließ die Firmenleitung Cetero Research die Angelegenheit nach eigenen Angaben selbst untersuchen und informierte später die amerikanische Arzneimittelzulassungsbehörde FDA. Letztere bemängelte prompt die „viel zu eng" angelegte Eigenuntersuchung der Firma und ließ am 26. Juli 2011 die Bombe platzen:

 

„Die FDA teilt mit, dass die von Cetero Research zwischen April 2005 und Juni 2010 durchgeführten bioanalytischen Studien wiederholt oder bestätigt werden müssen."

 

Unzahl von Datentricksereien

 

Bei zwei Kontrollen einer im texanischen Houston angesiedelten Cetero-Filiale im Jahr 2010 waren die FDA-Inspekteure über eine Unzahl von Datentricksereien gestolpert. Es handelt sich, so die FDA, um „significant instances of misconduct and violations of federal regulations, including falsification of documents and manipulation of samples."

 

Anscheinend hatten sechs Mitarbeiter von Cetero Research systematisch missliebige Daten aussortiert und so für die vom Auftraggeber gewünschten Ergebnisse gesorgt („The chemists did this to seek additional compensation through weekend pay and pay for hours when they did not actually work"). Es seien sowohl Proben manipuliert als auch Dokumente gefälscht worden.

 

Zum Verhängnis wurde den Betrügern letztlich ihre eigene Schlampig- und Sorglosigkeit: In rund 1900 Fällen seien die sechs Labormitarbeiter samt angeblich geleisteter Arbeit in den Protokollen aufgetaucht, obwohl dieselben sechs Mitarbeiter zu diesen Zeiten nachweislich nicht einmal auf dem Firmengelände gewesen seien.

 

Tja, diese Arbeit müssen dann ja wohl die Heinzelmännchen gemacht haben.

 

Top-Management natürlich ahnungslos

 

Die Firmenleitung von Cetero Research war natürlich mehr als vier Jahre lang komplett ahnungslos und leitete, als die Betrügereien immer offensichtlicher wurden, sofort eine knallharte Untersuchung ein. Sagt sie zumindest. Wie es allerdings mit der stolz verkündeten Firmenphilosophie („Confidence!" – „Superior quality and value!" – „Quality of service!" – "Integrity and ethics!") zusammenpasst, dass Mitarbeiter vier Jahre lang offensichtliche Fantasiedaten produzieren können, sagen sie nicht. Die Qualitätssicherung bei Cetero Research scheint unter aller Kanone zu sein. Dass es in den anderen Forschungszentren der US-Firma (in Fargo, Miami, St. Louis, San Antonio und Toronto) nicht viel besser aussieht, darf vermutet werden.

 

Insgesamt führt Cetero Research übrigens 750 Studien jährlich durch. Wieviele davon nun hinfällig sind, ist bislang nicht bekannt; ebensowenig, welche Auftraggeber betrogen wurden und um welche Wirkstoffe es sich handelt.

 

Ein gravierendes Problem haben auch die geleimten Auftraggeber aus der Pharmaindustrie, die ihre großen und kleinen Wirkstoff-Moleküle und ihre neuen und generischen Compounds in Houston haben testen lassen, für viele, viele Millionen Dollar. Die können die nunmehr wertlosen Ergebnisse in die Tonne kicken und die betreffenden Studien gleich nochmal bei einer anderen CRO wiederholen lassen. Denn andernfalls würden die zwischenzeitlich erteilten Zulassungen und Patente flöten gehen. So droht es zumindest die FDA an.

 

Nein, man möchte wirklich nicht in der Haut der Cetero-Research-Verantwortlichen stecken, zumal nun wohl auch immense Schadenersatz-Klagen vorbereitet werden. Obwohl... derlei Schaden bezahlt ja erfahrungsgemäß eher selten das Top-Management selbst.

 

Winfried Köppelle



Letzte Änderungen: 04.03.2013