Editorial

Delikater Pflanzenschädling

Was die Feinschmecker Mexikos freut, ärgert hierzulande die Bauern: übergroße verfärbte Körner an mit Maisbeulenbrand infizierten Maiskolben. Marburger Forscher sind jetzt dem  Infektionsmechanismus des Maisbeulenbrands auf die Spur gekommen, der sich eventuell auch auf andere Pflanzenkrankheiten übertragen lässt.

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(13. Oktober 2011) Der Sage nach ritzten die Azteken Maiskörner sogar an, damit der Maisbeulenbrand Ustilago maydis die Pflanzen einfacher befallen konnte. Ist der Pilz mit seinen Hyphen erst in die Maiszellen eingedrungen, programmiert er den pflanzlichen Stoffwechsel um, legt dadurch das pflanzliche Abwehrsystem lahm und beginnt mit der Ausbildung der „Maisbeulen“, die wiederum infektiöse Brandsporen enthalten. Forscher um Armin Djamei und Kerstin Schipper aus der Arbeitsgruppe von Regine Kahmann am Max Planck Institut für terrestrische Mikrobiologie (MPI) in Marburg und anderen Instituten sind der molekularen Infektionsstrategie von Ustilago maydis nachgegangen.

 

Ustilago maydis braucht lebendes Pflanzengewebe für sein Wachstum. Die Maispflanze verteidigt sich gegen solche biotrophen Eindringlinge unter anderem, indem sie aus den Plastiden Salicylsäure sezerniert, die die befallenen Zellen in die Apoptose treibt. Ustilago maydis aber sorgt dafür dass die Zellen der Maispflanze am Leben bleiben, indem er die Salicylsäure-Produktion drosselt. Somit schwächt er die Abwehr der Pflanze und kann sich ausbreiten (Djamei et al., Nature 2011, online vorab publiziert).

Die Maispflanze produziert in den Plastiden über den Shikimisäure-Stoffwechselweg Salicylsäure, aber auch die aromatischen Aminosäuren Tyrosin und Phenylalanin, aus dem Vorläufermolekül Chorisminsäure. Ustilago maydis nun lenkt den pflanzlichen Stoffwechsel mit einem Proteincocktail um. Ein entscheidendes Protein, das der Pilz während der Besiedlung stark hochreguliert, ist die Chorisminsäure-Mutase Cmu1. Cmu1 befördert die Chorisminsäure aus den Plastiden, so dass für die Salicylsäureproduktion das Vorläufermolekül fehlt. „Wir vermuten einen aktiven Transport, der durch erhöhte Umsetzung von Chorisminsäure im Cytoplasma in diese Richtung verstärkt wird, sogenanntes metabolic channeling“, erklärt Regine Kahmann. Über natürliche Verbindungen – Plasmodesmen – kann Cmu1 zudem in Nachbarzellen gelangen.
 
Chorisminsäure-Mutasen dienen möglicherweise auch anderen biotrophen Pflanzenpathogenen als Virulenzfaktoren. Von einigen pflanzenschädigenden Nematoden wie Heterodera glycines, der die Wurzeln von Soja befällt, weiß man, dass sie Chorisminsäure-Mutasen in ihre Wirtszellen injizieren. Während die Marburger Forscher hoffen mit ihrem neuen Ansatz eines Tages vielleicht Ernteausfälle in der Landwirtschaft zu verringern, wird in Mexiko der mit Ustilago maydis infizierte Mais teuer als Delikatesse verkauft. Dort verwendet man ihn wie andere Speisepilze und kennt ihn als Cuitlacoche, Mexikanische Trüffel oder Azteken-Kaviar.

 

 

Valérie Labonté
Bild: Jan Schirawski, MPG



Letzte Änderungen: 04.03.2013