Editorial

Anammox und der Stickstoff in der Atmosphäre

Nur zwei bakterielle Prozesse können aus gebundenem Stickstoff wieder molekularen Stickstoff machen: Anammox und Denitrifikation. Welche Enzyme den Anammox-Prozess katalysieren, klärten Forscher vom Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie in Bremen und mehreren niederländischen Instituten auf.

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(25. Oktober 2011) Zu Beginn der Erdgeschichte stießen Vulkane große Mengen an Stickstoff-Monoxid (NO) aus. Dieses war vermutlich einer der ersten Elektronenakzeptoren der Welt und ermöglichte, dass sich Anammox und Denitrifikation entwickelten. Beide Prozesse nutzen Enzyme, die Bindungen zwischen zwei Stickstoff-Molekülen herstellen können – ein wichtiger Schritt zum molekularen Stickstoff (N2), aus dem die heutige Luft zu rund 78 Prozent besteht.

Die Denitrifikation ist seit etwa 100 Jahren bekannt und gut untersucht: In vier Schritten reduzieren Bakterien wie Paracoccus denitrificans Nitrat (NO3-) zu molekularem Stickstoff. Anammox, die anaerobe Ammonium-Oxidation, kennt man zwar seit 25 Jahren, wusste aber bisher wenig darüber. Marc Strous vom Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie in Bremen und seine niederländischen Kollegen aus Nijmegen und Delft untersuchten die molekularen Grundlagen der Reaktion (Kartal et al., Nature 2011, doi:10.1038/nature10453, online vorab veröffentlicht).

Strous und Co. zeigten, was Mikrobiologen schon lange vermuteten: Aus Ammonium (NH4+) und  Nitrit (NO2-) entstehen in drei Schritten molekularer Stickstoff (N2) und Wasser. Ein Zwischenprodukt dabei ist Hydrazin (N2H4), ein starkes Reduktionsmittel, das auch als Treibstoff für Raketen dient. Um die Zelle vor dem reaktiven Hydrazin zu schützen, haben Anammox-Bakterien die Reaktionen in ein intrazelluläres Organell, das Anammoxosom, verlagert, dessen Membran mit speziellen Fettsäuren, Ladderanen, ausgestattet ist.

Um die einzelnen Schritte aufzuklären und die Enzyme zu identifizieren, zogen die Forscher das Anammox-Bakterium Kuenenia stuttgartiensis heran. Die Kultur von Anammox-Bakterien ist seit zwanzig Jahren das Hauptproblem bei der Aufklärung des Stoffwechselweges. Denn sie teilen sich nur etwa alle zwei Wochen, neigen dazu Biofilme zu bilden und wachsen nicht in Reinkultur. Abhilfe schaffte im Experiment ein Membran-Bioreaktor, in dem die Bakterien sich nicht an den Gefäßwänden absetzen konnten und in dem sich die Kontamination der Kultur mit anderen Bakterien bei nur fünf Prozent halten ließ.

Da die DNA-Sequenz von K. stuttgartiensis bereits bekannt war, konnten die Forscher die beteiligten Enzyme leicht identifizieren und aufreinigen: Die erste Anammox-Teilreaktion, die Reduktion von Nitrit zu Stickstoffmonoxid, katalysiert demnach eine Nitrit-Stickstoffmonoxid-Oxidoreduktase (NirS). Aus Stickstoffmonoxid und Ammonium bildet eine Hydrazin-Synthase (HZS) Hydrazin und Wasser – sie ist das Enzym, das die Stickstoff-Stickstoff-Bindung knüpfen kann. Den dritten Schritt erledigt die Typ II Hydrazin/Hydroxylamin Oxidoreduktase (HZO/HAO): die Oxidation von Hydrazin zu Stickstoff.

Schon bevor Strous und seine Kollegen die Reaktion im einzelnen auflösten, war Anammox in Kläranlagen beliebt, um das Ammonium aus Abwässern zu entfernen. Die direkte Umsetzung des Ammoniums zu molekularem Stickstoff ist wesentlich billiger und verbraucht weniger Energie, als der Umweg über Nitrat, den die Denitrifizierer einschlagen. So wichtig wie für die Kläranlage sind die beiden Prozesse auch in der Natur: Sie tragen jeweils zur Hälfte zur gesamten globalen Stickstoffproduktion bei.

 

 

Valérie Labonté
Bild: Seleneos / photocase.com



Letzte Änderungen: 04.03.2013