Editorial

Ein Book Citation Index?

Der Medienkonzern Thomson Reuters rührt schon seit Längerem kräftig die Werbetrommel für ein Produkt, ohne das ein Wissenschaftler in Zukunft nicht mehr auszukommen scheint: Der Book Citation Index (BKCI). Doch was verbirgt sich hinter diesem Begriff und was macht den BKCI so unerlässlich?

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(27. Oktober 2011) Beim Book Citation Index (BKCI) handelt es sich um eine Zitationsdatenbank (citation index) die Auskunft darüber gibt, welches wissenschaftliche Buch oder Buchkapitel wie häufig und von wem zitiert wurde. Diverse andere solcher Indices, wie zum Beispiel der Science Citation Index oder der Arts and Humanities Citation Index, funktionieren nach dem gleichen Prinzip. Neu beim BKCI ist nur, dass Bücher anstelle von Fachzeitschriften ausgewertet werden.

 

Die Bücher des BKCI müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllen: Es muss sich um referenzierte, wissenschaftliche, englische Exemplare handeln, die vollständige Originalarbeiten oder Reviews enthalten, die mittels Peer-Review geprüft wurden und eine ISBN-Nummer besitzen. Lehrbücher sind ausgeschlossen. Außerdem müssen die Bücher aus dem aktuellen Jahr oder einem der vergangenen fünf Jahre sein.

Bis zum Ende des Jahres soll die Datenbank BKCI rund 30.000 Bücher gelistet haben. Zukünftig kommen pro Jahr weitere 10.000 Exemplare dazu. „Aufgrund der immensen Anzahl an Büchern ist diese Auswahl jedoch bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein!“, kritisiert Roland Bertelmann, Leiter der Bibliothek des Wissenschaftsparks Albert Einstein in Potsdam, die Selektion.
 
Der Schwerpunkt des BKCI liegt aktuell auf den Sozialwissenschaften, wo vermehrt in Büchern und in der jeweiligen Landessprache publiziert wird. Im Moment machen Bücher zu Life Science und Clinical Medicine nur jeweils sechs Prozent des Index aus. Das könnte sich in Zukunft ändern. Hans-Christoph Hobohm vom Fachbereich Informationswissenschaften der Fachhochschule Potsdam, der sich seit vielen Jahren mit Zitationsindices beschäftigt, meint dazu: „Der Schwerpunkt solcher Zitationsdatenbanken liegt seit jeher auf den Naturwissenschaften. Dort ist die Zitationspraxis einfach stringenter als in anderen Wissenschaften.“

Denn Zitationsdatenbanken versprechen einiges: Mittels der Zitierungen lässt sich das gesamte Wissen eines Faches erschließen. Des Weiteren kann so ganz leicht der „Wert“ eines Autors oder einer Veröffentlichung abgelesen werden –  je häufiger zitiert, desto höher die Qualität und Relevanz. Das kann jedoch auch irreführend sein, Selbstzitierungen, Forschungsnischen mit geringer Publikationszahl oder Verweise auf qualitativ schlechte Arbeiten verfälschen den Index leicht. Andererseits können Forscher durch die Literaturverweise schnell feststellen, wer sonst in einem Feld arbeitet. Dadurch lassen sich leicht Netzwerke und Kooperationen aufbauen, was die Forschungsarbeit des einzelnen vorantreiben kann.

Ein Vorteil des BKCI ist, dass bei der Literaturrecherche mehr publiziertes Wissen abgedeckt wird. „Je mehr, desto besser!“, meint dazu Stefanie Haustein, Informationswissenschaftlerin am Forschungszentrum Jülich. Kritisch sieht sie dagegen, „dass es momentan noch eine sehr geringe Auswahl an Büchern gibt, wodurch Phänomene wie der Matthäus-Effekt noch verstärkt werden“. Dieser Effekt ist nach einer Stelle im Matthäus-Evangelium benannt: „Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, dass er Fülle habe; wer aber nicht hat, von dem wird auch genommen, was er hat“, (Mt 25,29 LUT). – Ein vielzitierter Artikel wird demnach mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder zitiert. Eine bisher wenig beachtete Publikation dagegen, hat es schwer, überhaupt zitiert zu werden – unabhängig von der Qualität und unabhängig vom gewählten Zitationsindex.

 

 

Stefanie Haas
Bild: kallejipp / photocase.com



Letzte Änderungen: 04.03.2013