Editorial

Ein glitschiger Konkurrent für Maus und Drosophila

Der Zebrafisch ist einer der Stars unter den Versuchstieren

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(22. März 2012) Dass Danio rerio, der Zebrabärbling oder Zebrafisch, seinen Siegeszug durch die Labors antreten konnte, hat er zumindest teilweise auch dem Zufall zu verdanken: So traf es sich, dass der Genetiker George Streisinger, der den Fisch zuerst als Modellorganismus nutzte, nicht nur Forscher war, sondern auch leidenschaftlicher Aquarist.

 

Der gebürtige Ungar Streisinger hatte seit den 1960er Jahren an der University of Oregon an Leserastermutationen geforscht und bedeutende Erkenntnisse zur Entschlüsselung des T4-Phagen-Genoms beigetragen. Er träumte davon, seine Erkenntnisse auf ein Wirbeltiermodell zu übertragen. Und was lag da näher als das Haustier aus dem heimischen Wohnzimmer?


Für den indischen Karpfenartigen mit den fünf charakteristischen Querstreifen, der erstmals 1822 von dem schottischen Arzt Francis Hamilton beschrieben wurde, sprachen zunächst ganz profane Eigenschaften: Er ist genügsam, vermehrt sich schnell und die Embryonen entwickeln sich in Eiern statt im Mutterleib wie bei Säugern. Außerdem sind die Tiere klein genug, um sie in großen Mengen zu halten, und groß genug, um embryologische Manipulationen wie Transplantationen durchführen zu können. Darüber hinaus sind die Larven transparent und das Genom der Tiere ist dem unseren sehr ähnlich.

Seit Streisinger den Zebrafisch Ende der 1960er Jahre ins Labor gebracht und erste Forschungsmethoden etabliert hatte, wurde besonders an der University of Oregon intensiv an den Tieren geforscht. George Streisinger blieb über Jahrzehnte hinweg der stille Star der Zebrafisch-Szene. Praktisch unbemerkt von der Öffentlichkeit gelang es ihm bereits 1981, 15 Jahre vor Klonschaf Dollys internationalem Medienerfolg, einen Zebrafisch zu klonen (Nature 1981, 291(5813): 293-6).

Ein weiterer wichtiger Schritt in der Erfolgsgeschichte des Zebrafischs waren die sogenannten „Boston-Tübingen-Screens“, aus denen Mitte der 1990er Jahre durch die Kreuzung von mutagenisierten Männchen mit Wildtypweibchen und erneute Kreuzung der F2-Generation mehr als zweitausend Mutantenlinien entstanden. Deren Nachkommen werden heute vom „Zebrafish International Resource Centre“, das sich noch immer an der University of Oregon befindet, an über 450 Labors in 31 Ländern verschickt.

Mittlerweile haben die Entwicklungsbiologen und Genetiker noch viele andere Besonderheiten des Fischchens schätzen gelernt: Neben dem komplett sequenzierten Genom und den vielen verfügbaren Mutantenlinien besticht der Zebrafisch durch sein leicht zu untersuchendes Verhalten, seine Reaktion auf Toxine, die jener von Säugetieren ähnelt und seinen diurnalen Schlaf-Wach-Rhythmus. Eines seiner spektakulärsten „Kunststücke“ ist die Regeneration von Flossen, Haut, Herz und – im Larvalstadium – sogar des Gehirns.

Derzeit kommen Zebrafische viel in der Optogenetik zum Einsatz. Die Methode nutzt Lichtimpulse, um bestimmte Ionenkanäle und -pumpen zu stimulieren. Die Aktivität einzelner Nervenzellen lässt sich so im durchsichtigen Gehirn der Zebrafischlarven präzise fernsteuern, ohne Gewebe zu verletzen. Zudem sind transgene Techniken, die in Drosophila seit langem erprobt sind, wie zum Beispiel Enhancer- und Gene trapping-Methoden, problemlos auf den Zebrafisch übertragbar und ermöglichen die Expression fremder Gene in vielen verschiedenen Zelltypen des Fischgehirns.

Kein Wunder also, dass Drosophila und Maus inzwischen ihren Titel als Lieblingstier der Forscher teilen müssen. Der kleine Karpfen ist sicher noch für einige Überraschungen und wichtige Entdeckungen gut.

Eine – etwas ältere – Übersicht über die Geschichte des Zebrafischs als Modellorganismus erschien bei Nature Reviews Genetics (Nat Rev Genet 2002,3(9):717-24).

Andrea Perino

Bild: Valérie Labonté



Letzte Änderungen: 26.03.2012
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