Editorial

It has not escaped our notice that Francis Crick died last thursday

Freitag, 23. Juli: Deutscher Virusforscher P.H. Hofschneider (rechts) stirbt in München. Donnerstag, 29. Juli: Doppelhelix-Entschlüssler F. Crick (links) erliegt in den USA Krebsleiden.

(29.07.2004) Die Todesanzeige fand sich am 28. Juli in der "Süddeutschen Zeitung", doch gestorben ist er bereits am Freitag davor: Der Molekularbiologe, Virologe und Mitgründer des US-Biotechgiganten Biogen (mittlerweile: Biogen-Idec), Peter Hans Hofschneider, ist tot.

Der unbekannte Pionier

Hofschneider, Geburtsjahr 1929, war der naturwissenschaftlich unbefleckten Öffentlichkeit kein Begriff und nichtsdestotrotz ein wichtiger Pionier der deutschen Molekularbiologie. In den 60er und 70er Jahren lieferte er wesentliche Beiträge zum Verständnis der Biologie von Bakteriophagen. 185 seiner Veröffentlichungen bis zum Jahr 2003 sind in der Medline gelistet, und unter den allerersten aus den frühen 60er Jahren finden sich gleich zwei Nature-Paper (Plaque-forming ability of urea- or phenol-treated 72 coli-phage preparations (1960). Nature 186:330 sowie T-i and lambda phage adsorption on protoplast-like bodies of Escherichia coli (1960). Nature 186:568).

Hofschneiders Forschungen über Bakteriophagen, u.a. über M13 ("M" steht übrigens für München) führten später zu den ersten Genfähren zur Einschleusung von DNA in Zellen. Er beschäftigte sich mit Interferon-Therapie und Herzerkrankungen, und die Forschungsarbeiten seiner Arbeitsgruppe rund ums Hepatitis-B-Virus (HBV) brachten die Entwicklung eines Impfstoffs gegen die schwere Leberkrankheit entscheidend voran. Bis zuletzt stand Hofschneiders Name auf vielen HBV-Veröffentlichungen, zuletzt im Mai 2003 in Oncogene (Stockl et al. (2003): Integrity of c-Raf-1/MEK signal transduction cascade is essential for hepatitis B virus gene expression. Oncogene 22(17):2604).

Im Gedächtnis dürften auch einige öffentliche Auftritte des gebürtigen Schwaben geblieben sein, bei denen sich Hofschneider als Mitglied der Ethikkommission der Deutschen Ärztekammer etwa mit Kardinal Lehmann über Stammzellforschung beharkte. Weniger bekannt ist, dass der Martinsrieder MPI-Direktor bereits 1978 mit Kollegen wie Charles Weissmann oder Walter Gilbert eine der ersten Biotech-Firmen überhaupt ins Leben gerufen hat: Biogen (heute Biogen-Idec).

Als Vorsitzender der Gesellschaft für Genetik setzte sich Hofschneider in den 70er Jahren dafür ein, dass gentechnisches Arbeiten in Deutschland unter gesetzlich geregelten Bedingungen ermöglicht wurde; in den 90ern wurde einer der größten Fälschungsfälle der deutschen Wissenschaft (der Fall Hermann/Brach) erst durch seine engagierte Mithilfe aufgedeckt.

Hofschneider, am 14. Februar 1929 geboren, wurde 75 Jahre alt.

Der Sohn des Schuhfabrikanten

Als er mit seinem amerikanischen Kompagnon das Problem gelöst hatte, rannte der komische Vogel in die Kneipe und bestellte sich ein Bier. Dann erzählte er jedem, der es nicht wissen wollte, er habe das Geheimnis des Lebens entdeckt.

Francis Crick. Schon als Dreikäsehoch wollte er, Sohn eines Schuhfabrikanten, Forscher werden. Crick war ein Prahlhans und Exzentriker, ein ewiges Talent und ein wissenschaftlicher Clown. James Watson, sein Freund und Kollege, schrieb in seiner berühmten Doppelhelix, er habe Crick nie bescheiden gesehen.

Den ersten Teil seines Lebens verbrachte Crick damit, Torpedos und Magnetminen zu entwerfen; erst spät entwickelte er auch biologisches Interesse. Im Labor glänzte der Engländer, der mit 35 noch nicht einmal seinen Doktortitel hatte, als grandioser Redner und durch markerschütterndes Gelächter, weniger durch handfeste Erfolge. Mühelos schaffte er es allerdings, seinen berühmten Institutsleiter vom Cavendish-Lab, Nobelpreis-Kristallograph Lawrence Bragg, bis zur Weißglut zu reizen.

Zusammen mit Watson ("Er das Gehirn, ich das Gefühl" meinte dieser einmal) hatte sich Crick eine Aufgabe vorgenommen, die den "wissenschaftlichen Clowns", die zudem keine Ahnung von Chemie hatten, keiner zutraute. Mit nicht viel mehr als Fantasie, Pappe, Metallscheiben und Drähten landeten die beiden 1953 mit der Entschlüsslung der DNA-Struktur einen Volltreffer. In ihrem 900 Wörter umfassenden Manuskript (Wir möchten ein Salz vorschlagen) stellten sie ihren Jahrhundertcoup (in typisch britischem Understatement, doch der eigenen Genialität immer gewiss) der Weltöffentlichkeit dar. Neun Jahre später, 1962, gab's dafür den Nobelpreis (zusammen mit Maurice Wilkins).

Crick mied zeitlebens die laute Öffentlichkeit und zementierte lieber seinen Ruf als seriöser Forscher. Jaques Monod sagte einmal von ihm: "Er dominiert seine Sparte und weiß und versteht von allen Molekularbiologen am meisten". In der vorderen Hälfte jedes Molekularbiologie-Lehrbuchs stammen große Abschnitte hauptsächlich von ihm sowie von Sydney Brenner.

In seinen letzten Lebensjahrzehnten versuchte Crick am kalifornischen Salk-Institut, die Funktion des kompliziertesten Gegenstands der Erde, des menschlichen Gehirns, aufzuklären. Es gelang ihm nur mehr zum Teil.

Francis Crick, geboren am 8. Juni 1916, wurde 88 Jahre alt.

Winfried Köppelle

(der sich bei Eva-Maria Diehl (MPI Martinsried) herzlich für hilfreiche Informationen über PHH sowie bei der MPG für die Überlassung des PHH-Fotos und nicht zuletzt bei James Watson für eines der besten Wissenschaftsbücher, das je geschrieben wurde, bedankt.)

Wer das berühmteste Manuskript in der Geschichte der Naturwissenschaften nochmal lesen will: Auf der Nature-Website (www.nature.com) kann man es herunterladen (J.D. Watson & F.H.C. Crick (1953): Molekular Structure of Nucleic Acids. Nature 4356: 737-738).



Letzte Änderungen: 02.08.2004