Editorial

Macht's gut und danke für den Fisch!

Quastenflosser sind anpassungsfähige, aber bedrohte lebende Fossilien

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(26. Juni 2012) Quastenflosser sehen heute noch fast genauso aus wie zu Urzeiten. Die lebenden Fossilien haben ihre Gestalt seit dem Mitteldevon vor 400 Millionen Jahren kaum geändert und weisen Merkmale von Fischen und Landwirbeltieren auf. Umso erstaunlicher ist, dass man heutige Populationen an genetischen Unterschieden auseinanderhalten kann. Das fand ein Team aus deutschen und tansanischen Wissenschaftlern um Manfred Schartl von der Uni Würzburg heraus, als es sich auf die Spur von Mikrosatelliten-DNA-Loci im Genom der Quastenflosser begab.

„Wir sind ursprünglich davon ausgegangen, dass es nur eine einzige Population dieser Tiere vor den Komoren gibt und die Tiere, die woanders gefunden wurden, dort nur hingespült wurden. Tatsächlich gibt es aber mehrere unabhängige Populationen“, erklärt Erstautorin Kathrin Lampert vom Lehrstuhl für Evolutionsökologie und Biodiversität der Tiere an der Uni Bochum. „Quastenflosser sind generell sehr interessant für die Wissenschaft, weil sie nahe Verwandte des gemeinsamen Vorfahren von Fischen und Landwirbeltieren sind und man sich von ihrer Untersuchung deshalb neue Erkenntnisse zur Besiedlung des Landes erhofft.“ (Curr Biol 2012, 22(11):R439-40)

Die Wissenschaftler müssen sich allerdings sputen, wenn sie lebende Quastenflosser untersuchen wollen um Geheimnisse des Übergangs der Lebewesen vom Wasser aufs Land zu lüften, denn Latimeria chalumnae ist vom Aussterben bedroht. Wahrscheinlich existieren nur noch wenige hundert Exemplare vor der Ostküste Afrikas. „Diese Populationsgröße ist sehr niedrig und besonders in Kombination mit der langen Generationszeit bedeutet jeder Verlust eines Individuums eine Bedrohung der Art“, so Lampert. „Es werden immer öfter Tiere gefangen und die Verschmutzung der Meere bedroht ihren Lebensraum, an den sie sehr spezifische Anforderungen stellen. Quastenflosser brauchen zum Beispiel Höhlen in denen sie tagsüber rasten können. Sie sind nachtaktive Lauerjäger und übermäßige Fischerei, besonders in großen Meerestiefen, gefährdet ihre Nahrungsgrundlage.“

Die Wissenschaftler hoffen mit Ihren jetzigen Erkenntnissen über die Verbreitung der Quastenflosser auch zu deren Schutz beizutragen. Sie untersuchten dafür die genetische Variation innerhalb der Art bei 71 Individuen. „Die Proben wurden mit einer kleinen Harpune von einem Spezial-U-Boot von Hans Fricke genommen. Es handelt sich um Schuppen und man kann pro Tauchfahrt nur ein einziges Tier beproben“, verrät Lampert über die aufwändige Prozedur. Die Forscher analysierten anschließend Mikrosatelliten-Sequenzen – das sind kurze, nicht-kodierende, sich oft wiederholende DNA-Sequenzen mit hoher Mutationsrate, die sich gut eignen Unterschiede im Erbgut zu finden, die nur wenige Generationen zurück liegen.

Heute existieren demnach drei unabhängige, sympatrische Subpopulationen: „Wenn man die genetische Vielfalt erhalten will, reicht es nicht nur die Komoren-Quastenflosser zu schützen auch die Populationen in Tansania und Südafrika müssen geschützt werden“, resümiert Lampert. Trotz ihrer niedrigen Evolutionsrate, können Quastenflosser sich also an neue Umweltbedingungen anpassen. Weshalb ihre Evolutionsrate dabei so niedrig ist, bleibt ein Rätsel. „Es gibt Arten die extrem langsame Evolutionsraten haben und andere, die sich extrem schnell verändern. Woran genau das liegt, ist noch nicht geklärt“, so die Wissenschaftlerin. Auch nicht, warum die Quastenflosser seit so langer Zeit ihre Gestalt kaum geändert haben. „Entweder, sie waren aufgrund ihrer langsamen Evolutionsrate nicht in der Lage sich zu verändern – das ist aber unwahrscheinlich, weil wir ja durchaus Populationsdifferenzierung nachgewiesen haben –, oder vielleicht mussten sie sich nicht verändern, weil sie an ihren Lebensraum bereits optimal angepasst sind.“

Quastenflosser waren schon immer selten. Man kannte sie nur versteinert, bis 1938 ein zufällig gefangener unbekannter Fisch vor die Augen der südafrikanischen Museumsleiterin Marjorie Courtenay-Latimer kam und später als Quastenflosser identifiziert wurde. Sollte das lebende Fossil aussterben, ginge mit ihm auch ein ganz besonderes Forschungsobjekt verloren.


Valérie Labonté
Bild: Robbie Cada



Letzte Änderungen: 10.07.2012
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