Editorial

Bissfeste Krebse

Ruderfußkrebse knacken die stabilen Schalen von Kieselalgen mit ihren speziellen Mundwerkzeugen

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(23. August 2012) Ruderfußkrebse fressen Kieselalgen. Doch wie sie dazu deren harte Siliziumdioxid-Schale knacken, war ein Rätsel. Die Biologen Jan Michels und Stanislav Gorb vom Zoologischen Institut der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel untersuchten zusammen mit Jürgen Vogt vom Institut für Experimentelle Physik II der Universität Leipzig die Materialzusammensetzung der Kauladen der Ruderfußkrebse. Sie fanden heraus, dass diese harte, zahnartige Strukturen mit Siliziumdioxid-Einlagerungen enthalten.

„Nachdem wir zunächst Kieselalgenschalen untersucht hatten, wollten wir sehen, wie das Gegenstück bei den Krebsen aufgebaut ist, das diese Schalen brechen kann“, so Michels. Dabei fanden sie heraus, dass in den Strukturen neben Siliziumdioxid auch das Protein Resilin eingelagert ist (Sci Rep 2012, 2:465, Epub 2012 Jun 28, doi: 10.1038/srep00465). „Resilin ist weich und elastisch und interessanterweise sitzt das Material mit den hohen Resilinkonzentrationen direkt unter den Spitzen aus Siliziumdioxid“, erklärt Michels. Die Wissenschaftler vermuten, dass Resilin als elastische Lagerung wirkt und nachgibt, wenn die Belastung auf die harten Spitzen zu groß wird und somit Schäden verhindert werden könnten.

Michels betont allerdings, dass es sich hierbei nur um eine Hypothese handelt. Mechanische Belastungstests, die Aufschluss über die wirkliche Funktion dieser Strukturen geben könnten, wurden noch nicht durchgeführt. „Solche Tests sind eine große Herausforderung, da die Mundwerkzeuge winzig klein sind“, so Michels. Denn ein Ruderfußkrebs der von Michels untersuchten Art Centropages hamatus misst weniger als zwei Millimeter. Michels, Spezialist für konfokale Laserrastermikroskopie, entdeckte die resilinhaltigen Strukturen in der Kaulade der Krebse eher zufällig. Die mikroskopische Untersuchung zeigte eine Autofluoreszenz, die typisch für Resilin und gut untersucht ist. „Andere Materialien, wie Siliziumdioxid und Chitin, lassen sich nicht unzweifelhaft anhand ihrer Autofluoreszenz nachweisen. Deshalb verwendeten wir für deren Nachweis spezifische Fluoreszenzmarker“, sagt Michels.

Die Kieselalgen legten sich im Laufe der Evolution eine stabile Hülle zum Schutz vor Fraßfeinden, wie zum Beispiel Ruderfußkrebsen, zu. Die Kieler Wissenschaftler vermuten, dass die wechselseitige Anpassung der Kieselalgenschale und der Mundwerkzeugstruktur der Ruderfußkrebse auf eine Ko-Evolution zurückgeht. Der Aufbau dieser zahnartigen Strukturen lässt sich mit dem der Säugetierzähne vergleichen. „Dort gibt es außen den sehr harten Zahnschmelz und innen liegt deutlich weicheres Material. Wie bei den Krebsen sitzt hier hartes Material auf einer weicheren Lagerung“, so der Biologe.

Was macht Kieselalgen und Ruderfußkrebse überhaupt so interessant für die Forscher? Es gibt viele von ihnen! Während Kieselalgen den Hauptteil des Phytoplanktons in unseren Ozeanen ausmachen, bilden Ruderfußkrebse den größten Anteil des Zooplanktons. „Es gibt extrem viele Arten von Ruderfußkrebsen, sie kommen in riesigen Individuenzahlen vor und spielen eine wichtige Rolle im marinen Nahrungsnetz“, erklärt Michels. Die Arten, die im Plankton vorkommen, fressen einzellige Algen und stellen selbst eine wichtige Nahrungsquelle für Fische dar.

In Zukunft wird sich Michels mit dem antarktischen Krill beschäftigen. Diese Krebsart frisst ebenfalls Kieselalgen. Wie sie das mit ihren Mundwerkzeugen anstellt, möchte er herausfinden.

 


Kai Krämer
Bild: kallejipp/photocase.de



Letzte Änderungen: 11.09.2012
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