Editorial

Restrain You Later, Alligator

Aus der Reihe „Erlebnisse einer (anderen) TA“

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(04. Dezember 2012) Heimlich stibitzte ich das druckfrische Laborjournal vom Tisch meiner Kollegin. Nur mal schnell einen Blick hineinwerfen.

Als ich es aufschlug, fiel eine Postkarte heraus, die uns für den Rest des Tages beschäftigen sollte. Das lag nicht nur an den beiden spärlich bekleideten Damen, die darauf in Form eines Antikörpers posierten (bis wir das entschlüsselt hatten, verging eine Viertelstunde), sondern an der Schrift unter der Bildunterschrift, sozusagen der Unterbildunterschrift.

Die Firma offerierte dort: „Antikörper von Alligator bis Ziege“

Ehrfürchtiges Staunen machte sich im Labor breit. Antikörper aus Ziege – davon hatten wir gehört, sogar schon verwendet. Aber Alligator?

Alligatoren, verriet uns Tante Google, verfügen über ein hocheffektives Immunsystem, das unbekannte Erreger in kurzer Zeit abzuwehren versteht.

Aha! Das lieferte uns eine plausible Erklärung. Außerdem ist es gefühlsmäßig bestimmt einfacher, für große Mengen Antiserum einen Alligator zu opfern, da dieser – im Gegensatz zu einem Pferd oder einem putzigen Esel – einen sehr niedrigen Kuschelfaktor aufweist. Kaum ein Forscher wird einen Gedanken an das arme Reptil verschwenden, wenn er seine Antiseren auspackt.

Das wäre also abgehakt. Weiter zum nächsten Problem. Wie immunisiert man überhaupt einen Alligator? Ihm einfach eine Spritze in den Schwanz zu jagen, schien uns keine gute Idee. Aber wie sonst? Unsere Diskussion wurde eifriger...

Für Mäuse gibt es spezielle Plexiglasröhren, sogenannte Maus-Restrainer, in welchen die Tierchen für alle möglichen Eingriffe fachgerecht fixiert werden können. Ob derartige Vorrichtungen auch für Alligatoren existieren? Die Grundlagen der Anatomie sind ja recht ähnlich: Kopf, vier Beine, langer Schwanz. Hier hört die Ähnlichkeit allerdings auch schon wieder auf. Vor allem läuft man bei der Arbeit mit Mäusen nicht Gefahr, Gliedmaßen zu verlieren oder gleich ganz gefressen zu werden. Da bedarf es schon hochgradigster Genmanipulation.

Aber selbst wenn Alligator-Restrainer bereits tatsächlich im freien Handel erhältlich sind – wie bekommt man das Reptil dort hinein, wenn man nicht gerade die Reinkarnation des berühmten „Crocodile Hunters“ Steve Irwin ist?

Über all diese Fragen schwieg die Werbepostkarte sich natürlich aus. Und so landeten wir schließlich bei der Variante, zunächst einen Hasen mit dem gewünschten Protein zu immunisieren und diesen anschließend an den Alligator zu verfüttern.

Uns war zwar klar, dass dies wohl kaum klappen würde – aber mehr fiel uns einfach nicht mehr ein. Und so kehrten wir an unsere Laborbänke zurück.

Doch auch dort holten mich die Alligatoren noch mal ein. Was für eine geniale Marketing-Strategie, überlegte ich, während ich so vor mich hin pipettierte. Eine einprägsame Werbung, die nicht einfach nur mit schnöden Fakten daherkommt, sondern auf kreative Weise die Phantasie potentieller Kunden anregt – und damit durchaus amüsante Abwechslung in ihren Arbeitsalltag bringt. Dafür musste ich die Firma dann doch innerlich beglückwünschen.

Maike Ruprecht

P.S.: Einen weiteren netten Bericht über genau diese Antikörper-Werbung gibt es im Blog der betreffenden Firma selbst.



Letzte Änderungen: 11.04.2013