Editorial

Furcht vor bösen Quetschungen

Seit knapp zwei Wochen ist die Übernahme von Aventis durch Sanofi-Synthelabo endgültig. Nur eins stört noch: Die verbliebenen Hoechst-Teilhaber.

(24.08.2004) An der Börse geht's manchmal echt unappetitlich zu. Etwa beim "Squeeze-out" von Altaktionären: Wie lästige Pickel werden diese rausgedrückt, zitronengleich zerquetscht, wenn sich ein Hauptaktionär endgültig das volle Machtpotential im Unternehmen sichern will. Demnächst könnte dieses Schicksal auch den letzten Hoechst-Aktionären blühen.

Squeeze-out heißt Herausquetschen. Im Börsenjargon heißt so die Zwangsabfindung von Altaktionären. Besitzt jemand mehr als 95 Prozent aller Unternehmensanteile, so darf er die anderen Anleger völlig legal hinausdrängen, muß ihnen jedoch eine entschädigende Geldsumme zahlen. Sehr oft wird nach Unternehmenszusammenschlüssen gesqueezt: Der neue Vorstand räumt auf und beseitigt alle historischen "Altlasten" (sprich: Altaktionäre).

Ganz legal und trotzdem unfair

Ein Squeeze-out ist börsenrechtlich geregelt und somit legal, trotzdem gilt das profane Recht des Stärkeren. Die Hinausgedrängten sitzen fast immer am kürzeren Hebel und müssen das schlucken, was ihnen angeboten wird. Eine angemessene monetäre Entschädigung für entgangene Aktionärsrechte (und vor allem: den Aktienwert) wird nur selten gezahlt. Wen wundert's: In 90 Prozent der (wenigen) Fälle, in denen die ernüchterten "Entschädigten" vor Gericht gingen, mußten die mickrigen Entschädigungsangebote für ihre Aktien nachträglich aufgestockt werden.

Doch meistens kommt es zu keinem dieser sogenannten "Spruchstellenverfahren". Falls doch, so kann ein solches mehrere Jahre dauern. Seit einer Gesetzesänderung werden die Anleger (deutscher Firmen) ab September 2004 zudem auf ihren Anwaltskosten sitzen bleiben. Ergebnis: Die Hinausgequetschten scheuen das Risiko und geben sich zähneknirschend mit Almosen zufrieden.

IG Farben wurde Hoechst und RhoPoul wurden Aventis und Sanofi wurde Sanofi-Aventis

Nach der Pharma-Megaübernahme von Aventis durch die französische Sanofi-Synthelabo zittern nun die letzten Hoechst-Aktionäre. Zur Erinnerung: Aventis war 1999 aus dem einstmals größten Chemiekonzern Hoechst AG und der französischen Rhone-Poulenc entstanden. Hoechst (gegründet 1951) wiederum war ein Nachfolger des IG Farben-Konzerns.

Seit der Firmierung von Aventis existierte die Hoechst AG nur mehr als Zwischenholding für gewisse Teile des Aventis-Pharmageschäfts. Etwas mehr als 1,9 Prozent der Hoechst-Aktien sind in Streubesitz, den Rest hat sich bereits Sanofi-Aventis gekrallt. Nun sollen, wie "Die Welt" in ihrer Montagsausgabe berichtete, die verbliebenen Hoechst-Anteilseigner herausgequetscht werden. Wie man hört, mag Sanofi-Chef Dehecq keine komplizierten Konzernstrukturen - er will Hoechst endgültig vom Kurszettel und den Traditionsnamen damit wohl endgültig verschwinden lassen.

Im September erhalten die Altaktionäre wohl ein erstes Angebot von Sanofi-Aventis. Sind sie mit der Barabfindung nicht einverstanden (am Montag stieg die Hoechst Aktie auf 52,70 Euro), startet der besagte Squeeze-out. Es könnte schmerzhaft werden.

Winfried Köppelle



Letzte Änderungen: 24.08.2004