Editorial

Koffein für Kopfarbeiter II

Aus der Reihe: Neulich in der Redaktion...

(26.08.2004) Man schreibt einen Artikel - und kaum ist er publiziert, gibt es neue Fakten, die hervorragend hineingepasst hätten. Dem LJ-Chefredaktuer ist das jüngst wieder passiert: Gerade hatte er geschrieben, auf welche Weise Forscher neuerdings Koffein aus dem Kaffee bannen wollen (und gefragt: Warum eigentlich?; siehe "Koffein für Kopfarbeiter" im Archiv) - da verlautbarte einige Tage später das brasilianische Landwirtschaftsministerium: Wir haben das Genom des Kaffee-Strauchs sequenziert.

"Gaaanz prima", denkt der Chefredakteur. Bleibt ihm wieder einmal nur, die Kunde nachzutragen. Doch was? Publiziert ist nix. Es gibt tatsächlich nur die Meldung des brasilianischen Landwirtschaftsministeriums, dass "brasilianische Forscher das Erbgut des Kaffees komplett entschlüsselt" hätten. Minister Roberto Rodrigues verriet gerade noch, dass diese in zweijähriger Arbeit etwa 35.000 Gene darin gefunden hätten. Und da ja einige davon wohl auch für das spezifische Aroma und den sprichwörtlichen Duft der Kaffeebohne zuständig sein müssen, kündigte Rodrigues in BBC-Online bereits an: "Wir werden einen Super-Kaffee kreieren. Von diesem Wissen soll jeder profitieren."

Dieses allerdings behalten die Brasilianer vorerst für sich. Frühestens in zwei Jahren will man den "Datenschatz" der Forscher-Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Bis dahin, meint Rodrigues wohl, sollten sich "seine" Forscher damit einen genügend großen Wissensvorsprung in Sachen Kaffee verschafft haben. Schließlich gilt Kaffee nach Rohöl angeblich als zweitwichtigster Rohstoff der Welt, von dessen Verarbeitung um die 100 Millionen Menschen weltweit leben. Und gerade Brasilien als Kaffeenation Nummer eins, die etwa ein Drittel des weltweiten Bedarfs deckt, hat da viel zu verlieren.

Zugleich aber verspricht Rodrigues - mit sorgenvollem Blick auf die Genfood-Gegner weltweit -, dass man mit dem angepeilten genetischen Wissen keineswegs Coffea arabica im Labor gentechnisch verändern wolle. Vielmehr wolle man es nutzen, um durch pure Kreuzungen verschiedener Varietäten einen Kaffee mit noch besserem Aroma zu schaffen. Von besserer Widerstandskraft und Ausbeute mal ganz abgesehen.

Edel, edel. Dem Beobachter will das aber nicht so glatt in den Kopf. Denn auf diese Weise dürften wir noch ziemlich lange auf die "Super-Bohne" warten, da ein Kaffeestrauch erst fünf Jahre nach dem Pflanzen die erste Ernte liefert. Die zwei Jahre, die Vietnam und Kolumbien als Kaffeeproduzenten Nummer zwei und drei auf die brasilianischen Sequenzdaten warten müssen, dürften da also kaum ein Nachteil sein.

Ralf Neumann



Letzte Änderungen: 29.08.2004