Editorial

Bittere Pille: Bafög-Senkung ist offiziell

(22. Juli 2014) Bildungsministerin Wanka greift dem akademischen Nachwuchs in die Tasche: Immer weniger Geld für Studenten aus einkommensschwachen Bevölkerungsschichten.
editorial_bild

Schlechte Nachrichten für mehr als 600.000 deutsche Studenten und Fachschüler: Die Bundesbildungsministerin Johanna Wanka streicht in bester Schavan-Manier das deutsche Bildungssystem weiter zusammen – und verkauft ihren neuesten Raubzug an den kommenden Akademiker-Generationen kalt lächelnd als Wohltat für die ihr anvertrauten Studenten.

Es geht ums BaföG (oder genauer: um die Höhe der BaföG-Bedarfssätze). Diese in Deutschland wichtigste staatliche Ausbildungsunterstützung wird ab dem Wintersemester 2016/17 (erstmals seit 2010) generell um sieben Prozent erhöht, so Wanka gestern in Berlin bei der offiziellen Vorstellung ihrer Pläne. Auch alles andere wird „noch“ besser – die Verlautbarung der Ministerin wimmelt vor euphemistischem Schönsprech-Blabla wie „Anhebung“, „höher“, „Stärkung“, „modern“, „noch besser“ und „Lückenschließung“ (Quelle: www.bmbf.de/de/24198.php).

In Wahrheit eine deutliche Reduzierung

Angesichts einer Inflationsrate von durchschnittlich 1,7 Prozent pro Jahr (seit 2010) ist die angebliche, vom Wanka-Ministerium verkündete „Erhöhung“ um 1,2 Prozent pro Jahr jedoch in Wahrheit eine Senkung. Betrachtet man nämlich nicht milchmädchenhaft die absolute Höhe der Bafög-Sätze, sondern realistischer die Kaufkraft des gewährten Geldbetrags, so muss man feststellen: Rechnerisch reduzieren sich die BafoG-Sätze zwischen 2010 und 2016 um 0,5 Prozent jährlich.

Die deutsche „Qualitätspresse“ bewies gestern ein weiteres Mal, wie überaus kompetent sie in puncto kritikfreier Hofberichterstattung ist. Sie klatschte der Ministerin wie gewünscht brav Beifall, titelte begeistert mit „Sieben Prozent mehr Bafög ab Herbst 2016“ und „Bafög steigt um sieben Prozent“ – und übernahm damit flächendeckend 1:1 einen linientreuen DPA-Text, der exakt das wiedergab, was die Regierungsparteien CDU/CSU und SPD am Montag im Rahmen der Bundespressekonferenz verkündet hatten: „Modernes BAföG für eine noch bessere Ausbildung" ist da in schönstem PR-Sprech zu lesen, garniert von einem geschmeidigen Zitat aus dem Pressebüro der Bildungsministerin:

"Diese Reform bedeutet für Schüler und Studierende deutlich spürbare Verbesserungen, wir werden das BAföG an ihre Lebens- und Ausbildungswirklichkeit anpassen".   (Bildungsministerin Johanna Wanka am 21.7. auf www.bmbf.de)

Jungakademikern in die Taschen gegriffen

Der erste Teil dieses Wankaschen Sinnspruchs ist dreist, der zweite immerhin formal zutreffend: Mit „spürbar verbessert“ kann man in der Tat mit viel Chuzpe ein Studium umschreiben, das Studenten aus einkommensschwachen Familien künftig nicht mehr 20, sondern nur noch 10 Stunden wöchentliche Nebentätigkeit abverlangt. Laut einer Studie des Deutschen Studentenwerks von 2013 arbeiten rund zwei Drittel aller Studenten neben dem Studium.

Und die erwähnte „Anpassung an die Lebens- und Ausbildungswirklichkeit“ – nun ja, mit noch weniger Geld kann man sich als Student in der Tat noch viel besser an armselige Studentenbuden, überfüllte Hörsäle und schlecht ausgestattete Labore anpassen.

Das offizielle Pressefoto auf der Website der BMBF-Verlautbarung spricht übrigens Bände. Gucken Sie sich nur mal den belämmerten Gesichtsausdruck des Herrn an, der neben Wanka auf dem Posium sitzt und deren peinliche Zahlentrickserei der Öffentlichkeit mitverkaufen muss. So sieht echte Begeisterung aus!


Winfried Köppelle

Foto: Johanna Wanka, BMBF



Letzte Änderungen: 01.09.2014