„Neon-Lampe“ als Calcium-Sensor

(29.01.2020) Die Entwicklung von Calcium-Sensoren auf Basis des Grünfluoreszierenden Proteins sind ziemlich ausgereizt. Mehr Zukunft hat ein neuer neongrüner Sensor.
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Editorial

Zellsignalleitung und Nervenzell-Aktivität lassen sich optisch gut verfolgen, weil sie mit Änderungen der Calcium-Ionen (Ca2+)-Konzentration einhergehen. Für die Ca2+-Detektion verwendet man häufig auf Fluoreszenzproteinen basierende Sensoren (GCaMPs), die aus drei Einheiten bestehen: aus Grünfluoreszierendem Protein (GFP), Calmodulin (CaM) sowie einem kurzen Peptid aus der Myosin Light Chain Kinase (M13 aus Kaninchen oder RS20 aus Huhn).

N- und C-Terminus von GFP sind fusioniert, das Protein ist stattdessen an einer anderen Stelle in der Mitte gespalten (zirkulär permutiert). In diesem Spalt befinden sich CaM und M13 beziehungsweise RS20. Binden Calcium-Ionen, so durchläuft CaM eine Konformationsänderung, die sich über RS20 fortsetzt, und auch die GFP-Domänen erfasst, wodurch GFP fluoresziert.

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Verhaltensauffällige Neuronen

GCaMP wurde in mehreren Stufen verbessert und bezüglich der Signalintensität, Dynamik, Ca2+-Sensitivität, Stabilität et cetera optimiert. An einem Problem von GCaMP haben sich die Forscher aber bisher die Zähne ausgebissen: Das in GCaMP enthaltene CaM konkurriert mit endogenen Ca2+-Bindern und fängt diesen die Ca2+-Ionen weg. Die Folge dieser Ca2+-Pufferwirkung sind häufig Neuronen mit unnatürlicher Morphologie und untypischem Verhalten.

Die GCaMP-Expression zu drosseln, ist nur eine scheinbare Lösung des Problems. Um auch bei geringer Expression ein ausreichend starkes Fluoreszenzsignal zu erhalten, ist eine sehr hohe Anregungsintensität nötig, die Zellen töten und das Fluoreszenzprotein ausbleichen kann. GCaMP-Varianten mit weniger Ca2+-Bindestellen pro Protein verringern zwar das Pufferproblem – dafür ist aber auch das Fluoreszenzsignal schwächer. Für weitere Optimierungen von GCaMP scheint hier tatsächlich das Ende der Fahnenstange erreicht.

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Protein aus Lanzettfischchen

Eine internationale Gruppe um Robert C. Campbell von der Universität Alberta, Kanada, suchte deshalb nach einem helleren Fluoreszenzprotein für Ca2+-Sensoren und hatte dabei insbesondere das grünfluoreszierende Protein mNeonGreen (mNG) des Lanzettfischchens Branchiostoma lanceolatum im Auge. mNG wurde bereits von einem anderen Team aufgepeppt und als besonders stark leuchtender Protein-Tag eingesetzt. Kein schlechter Startpunkt also für einen neuen, verbesserten Calcium-Sensor.

Campells Mitarbeiter platzierten in der Mitte der mNG-Sequenz ein CaM sowie ein zwanzig Aminosäuren langes Peptid aus einem Calmodulin-bindenden Protein (RS20-Peptid). Diesen Prototypen (mNG-GECO, mNG-Based Genetically Encodable Ca2+ Indicator for Optical Imaging) optimierte die Gruppe durch zielgerichtete Evolution der CaM/RS20-Einbaustelle sowie systematische Mutationen an den Linkern, die CaM/RS20 mit den GFP-Domänen flexibel verbinden. Am Ende erhielt sie mNG-GECO1 mit zwölf ausgetauschten Proteinen (sieben davon in der CaM-Domäne), der schon in der ersten Entwicklungsstufe mit den über viele Generationen optimierten GCaMPs mithalten konnte.

Bei In-vitro-Experimenten wies mNG-GECO1 ähnliche Absorptionseigenschaften und Ca2+-Bindekinetiken auf wie GCaMPs. Auch das Verhältnis von Ca2+-induzierter Fluoreszenzänderung und Grundfluoreszenz in Abwesenheit von Ca2+ war etwa gleich. Die Tests bestanden immer aus der Zugabe von Ca2+-Lösung beziehungsweise EGTA als Chelator. Wurden mNG-GECO1 beziehungsweise GCaMP in HeLa-Zellen exprimiert, reagierten beide ähnlich auf die durch Histamin ausgelöste Ca2+-Antwort. Das Gleiche gilt auch für Experimente mit kortikalen Neuronen aus Ratten sowie In-vivo-Responsivitäts-Tests der Neuronen in Agarose-fixierten Zebrabärblingen auf die krampfauflösende Substanz Aminopyridin.

Ungiftige Calcium-Antwort

In Kardiomyocyten aus induzierten pluripotenten Stammzellen (iPCS-CM) testeten die Forscher, ob mNG-GECO1 die Weiterleitung von Zellsignalen sowie Reaktionen von Zellen auf Wirkstoffe korrekt anzeigt. Dazu exprimierten sie mNG-GECO1 in iPCS-CMs und behandelten die Zellen mit Koffein oder stimulierten sie elektrisch. In beiden Fällen zeigte mNG-GECO1 eine Calcium-Antwort an. Da es im Gegensatz zu sonst in Ca2+-Assays eingesetzten Farbstoffen, etwa Fluo-4-acetoxy­methyl, nicht toxisch ist, wäre es auch für phänotypische iPSC-CM-Screenings geeignet.

Andrea Pitzschke

Zarowny L. et al. (2020): A bright and high-performance genetically encoded Ca2+ indicator based on mNeonGreen fluorescent protein. BioRxiv, doi: 10.1101/2020.01.16.909291

Foto: Pixabay/jung4