Lehren aus der Wissenschaftsgeschichte

(28.02.2020) Aus unserer Reihe 'Anekdoten aus dem Forscherleben': Kann die moderne Forschung aus der Wissenschaftsgeschichte überhaupt etwas lernen?
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Sicher werden viele diese Frage mit „Ja“ beantworten. Vor allem die Hintergründe wichtiger Entdeckungen sind doch interessant – gerade, wenn man mit Blick auf Gegenwart und Zukunft womöglich wiederkehrende Muster herausschälen kann.

Dennoch kann dies nicht ganz den Eindruck verwischen, dass die Wissenschaftsgeschichte von vielen „harten“ Bioforschern eher belächelt wird. Dies nicht zuletzt deswegen, weil sie als Zwitterdisziplin allein von der Methodik her deutlich zu den Geisteswissenschaften ausschlägt. Als „Lehnstuhl-Fach“ wird die Wissenschaftsgeschichte daher gerne aus dieser Ecke abqualifiziert – als Disziplin, die lediglich Nice-to-know-Geschichten liefert statt Need-to-know-Erkenntnisse.

Okay, kann man so sehen.

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Unglücklicher Mendel

Jetzt ist es aber so, dass Forschungsplaner heutzutage immer drängender wissen wollen, unter welchen Bedingungen Forscher für möglichst wenig Geld viele tolle und – wenn es geht – auch noch anwendbare Erkenntnisse liefern. Und hier kann ein Blick in die Wissenschaftsgeschichte – wie eingangs schon erwähnt – durchaus helfen.

Beispielsweise berichtete ein emeritierter Professor kürzlich in einem Vortrag über Gregor Mendel, dass dessen Forschungen zu den Gesetzmäßigkeiten der Vererbung an einem bestimmten Punkt abrupt abbrachen. Warum? Nun, völlig unversehens kam dies nicht, denn Mendels Mit-Pater hatten ihn damals zum Abt gewählt. Pflichtbewusst nahm dieser die neuen Aufgaben zum Wohle seines Ordens an, zumindest einmal aber klagte er doch: „Ich fühle mich wahrhaft unglücklich, dass ich meine Pflanzen und Bienen so gänzlich vernachlässigen muss“, schrieb er.

Ähnlich, so erzählte der Emeritus weiter, erging es damals auch zwei weniger bekannten, aber ähnlich originellen Zeitgenossen Mendels: Augustin Sagerets Forschertätigkeit mit Kürbishybriden versiegte, als er die Leitung einer großen landwirtschaftlichen Domäne übernahm; ebenso wie diejenige des Pfarrers und Bienenforschers Johann Dzierzon, als er seine Bienenzucht zum Geschäft machte, da viele Imker seine Königinnen haben wollten.

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Was tun mit hellen Köpfen?

Süffisant schloss der Professor daher seinen Vortrag mit dem Fazit: „Wenn ihr wollte, dass die Wissenschaft blüht, dann macht eure hellsten Köpfe nicht zu Direktoren oder Vorständen – und hütet euch vor Firmengründungen.“

Ralf Neumann


(Die einzelnen Geschichten dieser Kolumne sind uns in aller Regel nicht genau so, aber doch sehr ähnlich referiert worden.)