Effizient reingeknockt

(04.03.2020) Humane Organoide werden meist mithilfe des zelleigenen Homologie-gerichteten Reparatur­systems (HDR) erzeugt. Genauer geht‘s mit dem NHEJ-Reparatursystem.
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Editorial

Organoide sind Miniaturausgaben von Geweben oder Organen und werden aus den entsprechenden adulten Stammzellen (ASC) gezüchtet. Mit ihrer Hilfe versuchen Biowissenschaftler die Architektur oder Funktionsweise echter Organe zu entschlüsseln. Im Mausmodell dienen meist transgene Knock-in-Mäuse, die ein zusätzliches Wunschgen an einer gezielten Stelle im Genom tragen, als Quelle der adulten Stammzellen (ASC). Bei humanen Organoiden muss man die Reihenfolge aber umdrehen und die Organoid-Kulturen zum Beispiel durch Gen-Knock-in genetisch manipulieren, nachdem man die Zelllinien etabliert hat.

Für den Einbau der fremden DNA nutzt man meist den Homology-Dependent-Repair (HDR)-Mechanismus der Zelle. Dazu wird mit dem CRISPR-Cas-System an der gewünschten Stelle ein Doppelstrangbruch ausgelöst und eine DNA-Sequenz mit homologen Enden zugegeben. Das HDR-Reparatursystem verbindet die homologen Enden mit den Gegenparts auf dem geschnittenen Doppelstrang und baut die fremde DNA in den Strang ein. Die HDR-Reparatur funktioniert aber nur, wenn sich die Zellen gerade in der S-Phase befinden. Darüber hinaus löst der durch Cas9 verursachte Doppelstrangbruch die TP53-Damage Response aus, die den Zellzyklus anhält.

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Heißes CRISPR

Hans Clevers und seine Kollegen vom Hubrecht Institut in Utrecht nutzen deshalb den zweiten zelleigenen Reparaturmechanismus, das Neighborhood End Joining (NHEJ), für die genetische Manipulation von Organoiden. Das NHEJ-System verknüpft die Enden der DNA und benötigt hierzu keine homologen Sequenzabschnitte. Es ist aber als eher fehleranfällig verschrien und wird deshalb selten für Knock-ins mithilfe von CRISPR genutzt. Das neue Verfahren der Holländer, das diese als CRISPR-HOT (CRISPR-Cas9-mediated Homology-Independent Organoid Transgenesis) bezeichnen, scheint aber sehr präzise zu funktionieren und hat zudem zwei wesentliche Vorteile: Die NHEJ ist zu allen Phasen des Zellzyklus aktiv und zweitens muss man keine homologen Enden in die Fremd-DNA einbauen. Allein dies spart zwei bis drei Wochen mühsames Klonieren ein.

Clevers Mitarbeiter verwendeten CRISPR-HOT und das konventionelle HDR-Verfahren, um genetisch manipulierte humane Lebergang- sowie Leberzell-Organoide zu erzeugen und verglichen die Ergebnisse. Als Ziel für den Knock-in wählten sie Cytokeratin (KRT19) beziehungsweise Tubulin-beta (TUBB), die sie durch ein Fluoreszenzprotein (tdTomato oder mNEON) ersetzten.

Für die HDR nutzte die Gruppe ein Donorplasmid (targeting plasmid), das Cas9 sowie mNEON flankiert von zwei homologen Armen trug. Je nach avisierten Integrationsort waren die 500 Basenpaare langen homologen Arme auf KRT19 oder TUBB abgestimmt. Das zweite Plasmid, das sgRNA und Cas9 enthielt, setzten die Forscher sowohl für HDR als auch CRISPR-HOT ein.

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Trick mit Plasmid

Der Trick bei CRISPR-HOT ist ein sogenanntes Self-cleaving-Donorplasmid. Dieses codiert für das Fluoreszenzprotein und enthält zusätzlich eine nicht-humane Sequenz, die von der sgRNA erkannt und von Cas9 geschnitten wird. Damit die Knock-in-Sequenz in die richtige Position innerhalb des Leserahmens eingebaut wird, existieren drei verschiedene sgRNA-Varianten, die als sogenannte Frame Selectors fungieren. Die sgRNA für die Knock-in-Zielsequenz sowie Cas9 sind auf einem dritten Plasmid untergebracht. Dieses codiert zusätzlich für ein mCherry-Fluoreszenzprotein, um transfizierte von nicht-transfizierten Zellen unterscheiden zu können.

Die zwei Plasmide für die HDR beziehungsweise drei für CRISPR-HOT schleusten die Forscher per Elektroporation in die Organoide ein. Fünf Tage nach der Transfektion überprüften sie mit einem FACS-Gerät, das fluoreszierende Zellen zählte, wie viele Zellen die gewünschte Knock-in-Sequenz trugen. Offenbar lassen sich Lebergang-Organoide generell schwieriger manipulieren als Leberzellen-Organoide. Die Knock-in-Effizienz war aber in jedem Fall mit CRISPR-HOT deutlich höher als mit HDR.

Aber wie exakt arbeitet CRISPR-HOT? Dieser Frage gingen die Forscher mithilfe von Leberzell-Organoiden nach, in die sie an zwei Gen-Orten (Cadherin und TUBB) mithilfe von CRISPR-HOT das mNEON-Gen integrierten. Mit einem FACS-Gerät sortierten Clevers und seine Kollegen die leuchtenden, erfolgreich transfizierten Zellen aus und züchteten mit diesen Organoide. Anschließend sequenzierten sie die Umgebung der Intergrationsstellen in mNEON-positiven und -negativen Zellen. Die Mehrheit der leuchtenden Zellen enthielten ein korrekt eingebautes Fluoreszenz-Gen. Die meisten der Zellen, die nicht leuchteten, trugen keine Insertion. Nur bei wenigen war die Sequenz falsch eingebaut (Leserahmenverschiebung).

Spezifische Reporterlinien

Von diesen Ergebnissen ermutigt führten die holländischen Forscher eine Double-Frame-Selector-Strategie durch. Bei dieser wurde das einzubauende Fluoreszenz-Gen von zwei sgRNAs flankiert, die je nach gewünschtem Leserahmen, in je drei Varianten vorlagen. Das aus dem Self-Cleaving-Plasmid ausgeschnittene DNA-Stück, etwa mNEON, wird hierdurch mitten in den ORF des Zielgens, zum Beispiel TUBB, integriert. Mit dieser Technik ist es möglich, Organoid-spezifische Reporterlinien herzustellen, mit denen man zum Beispiel Leberzell-typische Marker verfolgen kann.

Clevers‘ Team etablierte zudem eine doppelte Knock-in-Linie, indem es in Hepatozyten erst ein tdTomato-Fluoreszenz-Gen in CDH1 (Cadherin), und dann ein mNEON-Gen in TUBB einbaute. Diese Doppel-Reporterlinie eignet sich prima dazu, die Zellteilung zu beobachten. So konnten die Forscher mit ihrer Hilfe das Rätsel um die für die Leber typischen polyploiden Zellen lösen: Bei der Zellteilung bildet sich zwar eine Membran für die Tochterzellen aus, diese besteht aber nur vorübergehend. Sie löst sich wieder auf, so dass die Mutterzelle am Ende zwei Kerne hat.

Andrea Pitzschke

Artegiani B. et al. (2020): Fast and efficient generation of knock-in human organoids using homology-independent CRISPR–Cas9 precision genome editing. Nature Cell Biology, DOI: 10.1038/s41556-020-0472-5