Protein am Angelhaken

(15.04.2020) Antigen-Tests hinken RT-PCR-Tests für den SARS-CoV-2-Nachweis noch etwas hinterher. Sie könnten aber mehr sein als nur eine Ergänzung zur PCR.
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Editorial

Noch rät die WHO von Antigen-Tests ab, die SARS-CoV-2 (SARS2) mithilfe von spezifischen Antikörpern gegen ausgesuchte Proteine oder Epitope des Virus nachweisen – sie befürwortet aber deren weitere Entwicklung. Zuverlässige Antigen-Tests böten tatsächlich einige Vorteile gegenüber den bisher mehrheitlich eingesetzten RT-PCR-Tests: Sie wären wesentlich schneller, kämen ohne teure Geräte aus und könnten auch von Laien durchgeführt werden. Zudem ist ihr Format perfekt für die blitzschnelle Vor-Ort-Diagnose (Point-of-Care) geeignet.

Eine interessante Strategie für die Entwicklung eines Antigen-basierten Schnelltests, allerdings für die Detektion von Dengue- und Zika-Virus, stellte eine internationale Gruppe um Lee Gehrke von der Harvard Medical School in Boston bereits 2017 vor (Sci Transl Med, 9(409):eaan1589). Die damalige Erstautorin Irene Bosch hat inzwischen zusammen mit Gehrke und dem Virus-Test-Entwickler Bobby Brooke Herrera das Start-up E25Bio gegründet, das die Technik für einen SARS-CoV-2-Antigen-Test modifiziert.

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Schwierige Unterscheidung

Gehrkes Gruppe stand damals vor dem Problem, dass kommerzielle Schnelltests das Zika-Virus (ZIKV) nicht von dem ebenfalls zu den Flaviviren zählenden Dengue-Virus unterscheiden konnten, weil das in den Tests als Infektions­marker für Flaviviren eingesetzte Protein NS1 über Kreuz reagierte. Hinzu kam, dass die Tests auch die vier verschiedenen Serotypen des Dengue-Virus nicht erkannten.

Um einen spezifischen Schnelltest zu entwickeln, der sowohl die vier Dengue-Virus-Serotypen als auch das Zika-Virus spezifisch detektiert, injizierten die Forscher rekombinantes rNS1 aus Dengue-Viren (DENV1-4) sowie rNS1 aus dem Zika-Virus in zwei Gruppen von Mäusen. Anschließend entnahmen sie den Tieren B-Zellen aus Milz und Lymph­knoten­gewebe, fusionierten sie mit Krebszellen und erhielten hierdurch Hybridoma­zellen, die monoklonale Antikörper (mAb) gegen NS1 produzierten. Mithilfe von ELISAs fischte das Team die geeignetsten Hybridoma-Klone heraus und testete die von diesen produzierten Antikörper ausgiebig auf ihre Spezifität für ZIKV-NS1 sowie DENV1-4-NS1.

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Antikörper mit Goldpartikel

Die vielversprechendsten DENV- sowie ZIKV-mABs verwendete die Gruppe schließlich auf einem Teststreifen für die Diagnose von Patienten­proben. Dazu konjugierte sie einen anti-NS1-Antikörper an Goldnano­partikel und immobilisierte einen zweiten auf dem Teststreifen. Erkennen die Antikörper in der Probe ein entsprechendes NS1-Protein, wird dieses wie ein Sandwich zwischen den Antikörpern festgehalten und mithilfe der Goldnano­partikel sichtbar. Nach diesem Prinzip dürfte auch der von Boschs Firma E25Bio entwickelte SARS2-Schnelltest funktionieren, den das Start-up demnächst bei der FDA einreichen will.

An einem Smartphone basierten SARS2-Antigen-Schnelltest arbeitet das texanische Start-up Luminostics. Die von den Biochemikern Andrew Paterson und Bala Raja von der University of Houston gegründete Firma tüftelt schon seit einigen Jahren an einem Point-of-Care-Virustest mithilfe eines Smartphones (Lab Chip, 17(6):1051-9). Die zwei verwenden im Grunde aber nur Taschenlampe, Blitzlicht und Kamera des Smartphones, um einen Antigen-Teststreifen auszuwerten. Mit einer Konstruktion aus dem 3D-Drucker und einer Makrolinse verschieben sie hierzu den Kamerafokus unter fünf Zentimeter. Das Blitzlicht des Handys wird durch ein Bündel optischer Fasern umgeleitet und beleuchtet den Teststeifen, der in einen am Smartphone befestigten Adapter geschoben wird.

Anstelle von Nanopartikeln aus Gold zur Konjugation der Antikörper verwenden die Texaner persistente, lumineszente Phosphore, die ähnlich funktionieren wie Glow-in-the-dark-Aufkleber, die man früher in Fotokassetten geklebt hat, um die Röntgen­filmposition zurückverfolgen zu können.

Zehnfach sensitiver

Der auszuwertende Teststreifen wird für drei Sekunden mit der Taschen­lampen­funktion und dann vom Blitzlicht beleuchtet. Nach einer winzigen Verzögerung von hundert Millisekunden nimmt die Kamera ein Foto auf. Luminostics hat die Smartphone-Technik bereits an Teststreifen für den Nachweis des Schwanger­schaftshormons Chorion­gonado­tropin erprobt und erzielte eine zehnfach höhere Sensitivität als der beste kommerzielle Teststreifen. Derzeit arbeitet die Firma daran, die Auswertung des Teststreifens mit dem Smartphone auf einen SARS2-Schnelltest zu übertragen.

Die Crux bei Antigen-Schnelltests besteht aber unabhängig von der Art der Auswertung immer darin, spezifische Antigene zu definieren und entsprechende Antikörper in ausreichenden Mengen sowie in gleich­bleibender Qualität zu gewinnen. Das kostet nicht nur Geld, sondern auch viel Zeit, die man bei einer akuten Pandemie nicht hat. Schneller ginge es, wenn man statt klassischer Antikörper Antigen-bindende Moleküle, wie zum Beispiel Affimere oder Aptamere für die Schnelltests verwenden würde.

Affimere sind kleine Proteine, die spezifisch an ausgesuchte Ziele binden. Sie sind deutlich kleiner als Antikörper, können beliebig modifiziert und kostengünstig in Bakterien exprimiert werden – und stehen innerhalb von zwölf bis vierzehn Wochen zur Verfügung. Einer der Vorreiter der Affimer-Technologie ist die englische Firma Avacta, die auf Basis von Affimeren zum Beispiel Immunwirkstoffe entwickelt. Nach eigenem Bekunden arbeitet Avacta schon geraume Zeit an Affimeren, die SARS2 erkennen und will diese gemeinsam mit Cytiva (ehemals GE Healthcare Life Sciences) in eine Point-of-Care-Plattform integrieren.

Hoffnungsvolle Aptamere

Ein weiterer Hoffnungsträger für SARS2-Schnelltests sind Aptamere. Diese zehn bis hundert Nukleotide langen RNA- oder DNA-Abschnitte, die als riesige Bibliotheken synthetisiert werden, nehmen eine dreidimensionale Struktur ein und binden äußerst selektiv an ausgewählte Zielmoleküle. Für SARS-CoV hat ein koreanisches Forscherteam schon 2009 einen Aptamer-basierten Aptasensor entwickelt (Analyst, 134:1896-1901). Das RNA-Aptamer erkannte das Nukleocapsid-Protein des Virus, ein Reporter-gekoppelter Antikörper lieferte ein detektierbares Signal.

An einem Aptamer gegen das Spike-Protein von SARS-CoV-2 arbeitet derzeit zum Beispiel die englische „Aptamer Group“, die auch schon eine Konzeptstudie für einen SARS2-Teststreifen fertig hat. Für die Weiterentwicklung fehlt der Firma aber offensichtlich noch der richtige Partner, der auch etwas Kleingeld mitbringen sollte.

Andrea Pitzschke

Bild: Pixabay/mohamed_hassan






Letzte Änderungen: 15.04.2020