Langsam aber sicher
(30.09.2020) Bei der Nanoporen-Sequenzierung ist viel Fingerspitzengefühl beim Pipettieren gefragt. Einfacher geht es mit dem DIY-Pipettierautomaten SNAILS.
Im Gegensatz zu den vielen kurzen Reads bei der Illumina-Sequenzierung produzieren die Nanoporen-Sequenzierer MinION und GridION des britischen Konkurrenten Oxford Nanopore Technologies (ONT) Reads mit sehr langen Leseweiten. Da die langen Reads zum Beispiel auch repetitive DNA-Abschnitte überbrücken, erleichtern sie die anschließende Puzzlearbeit der Genom-Assemblierung, bei der die gelesenen Sequenzen sinnvoll zusammengesetzt werden müssen.
Um diese langen Leseweiten zu erzielen, muss die für die Sequenzierung isolierte DNA ein sehr hohes Molekulargewicht aufweisen und möglichst in einem Stück vorliegen. Auch bei der Herstellung der Sequenzier-Bibliothek sollte sie so wenig wie möglich fragmentiert werden. Die isolierte DNA wird hierbei mit Tags versehen, an die Adapter ligiert werden. Anschließend wird die Bibliothek auf eine Flusszelle mit tausenden Nanoporen pipettiert, an deren Eintrittspforte ein Motorprotein die Adaptersequenz in Empfang nimmt. Das Motorprotein lässt den DNA-Strang danach Nukleotid für Nukleotid durch die Pore gleiten. Sensoren registrieren Änderungen im Ionenstrom, die durch die Nukleotide ausgelöst werden und übersetzen diese in eine Nukleotidsequenz.
Achtung, Scherkräfte!
Die größte Gefahr für die DNA während der Isolierung und Aufbereitung der Sequenzier-Bibliothek sind Scherkräfte in Pipettenspitzen. Um diese zu minimieren, wird die DNA sehr langsam in Spitzen mit breiten Öffnungen (wide-bore tips) pipettiert. Mit einer manuellen Pipette ist das aber sehr mühsam und nicht jeder hat dafür die Geduld und das nötige Fingerspitzengefühl. Das Team des Virologen Dave O'Connor von der Universität Wisconsin konstruierte deshalb einen einfachen Pipettierautomaten namens „Slow Nucleic Acid Instrument for Long Sequences“ oder kurz SNAILS (siehe Foto).
Als Pipette verwenden die US-Amerikaner eine manuelle „Ovation“-Pipette des Herstellers VistaLab, bei der der Schaft, nicht wie bei üblichen Pipetten als Verlängerung des Griffs angeordnet ist, sondern annähernd senkrecht zu diesem. Die Pipette platzierte die Gruppe in einem kleinen Gerüst aus dem 3D-Drucker, das auch die Antriebseinheit aus Motor und Getriebe beherbergt. Die Bauanleitung gibt’s auf der GitHub-Seite des O’Connor Labors.
Im Schneckentempo
Die Umdrehungszahl des Motors wird durch ein Getriebe gedrosselt, das letztlich den Pipettierknopf sehr langsam dreht. Das ist der eigentliche Trick von SNAILS: Der Pipettierknopf wird nicht einfach nach unten gedrückt, um die Flüssigkeit zu aspirieren. Der Apparat nutzt vielmehr die eigentlich für die Volumeneinstellung vorgesehene Drehung des Bedienknopfs für die Aufnahme und Abgabe der Flüssigkeit. Die Flussrate wird hierdurch auf sechs Mikroliter pro Minute begrenzt.
Ob dies schonend genug ist, testete die Gruppe anhand von DNA, die sie aus Rhesusaffenblut isolierte und mit einem Nanoporen-Gerät sequenzierte. Die Ergebnisse verglich sie mit Daten, die sie mit einer normalen manuellen Pipette, sowie der „Ovation“ mit manueller Rotation des Bedienknopfs erzielte. Die durchschnittliche Read-Länge sowie die Anzahl und Größe der längsten Reads variierte in allen drei Präparationen. Das SNAILS-Gerät war den beiden anderen Techniken jedoch mehr als ebenbürtig und lieferte sogar Reads mit über 1 Mb Länge. Der wesentliche Vorteil ist aber die auf wenige Minuten reduzierte reine Arbeitszeit und die Möglichkeit, die Methode durch parallel arbeitende Pipetten weiter zu beschleunigen. O'Connors Team denkt bereits über die Integration von SNAILS in ein Robotersystem nach.
Andrea Pitzschke
Prall T. et al. (2020): Consistent ultra-long DNA sequencing with automated slow pipetting. BioRxiv, DOI: 10.1101/2020.09.18.302471
Foto: O’Connor Lab