Uni-Schmarotzer

Axel Brennicke


Editorial

(01.09.2003) Ab diesem Heft wird Professor Axel Brennicke regelmäßig seinen Senf zu Dingen abgeben, die ihm am Innenleben deutscher Universitäten besonders auffallen. Beginnen wird er mit einer „Serie in der Serie“ zum Thema Sparen an den Unis. In mehreren Folgen wird er dabei einige „Uni-Schmarotzer“ entlarven. Folge 1: Fotozentralen.

Vorbemerkung

Bundesweit lamentieren die Universitäten, dass sie kein Geld haben, dass sie mehr (Selbst-) Verwaltung brauchen und vor allem mehr Geld. In der eigentlichen Aufgabe der Universitäten (2003: Kernkompetenz), der täglichen Lehre und Forschung potenziert die Univerwaltung jeden Mangel: Bekommt die Uni 3% weniger, werden die Mittel für Lehre und Forschung, für die Betreuung von Studenten, für Chemikalien, für Post- und Telefongebühren um 15 % gekürzt.

Wie das kommt? Nun, woanders sei nicht zu sparen, heißt es, das seien fixe Kosten, zum Beispiel die Gehälter, die jedes Jahr eher mehr Geld kosten als weniger. Damit stellt sich die Frage, ob wir nicht ein paar ganze Gehälter einsparen können, wenn wir schon nicht unser eigenes kürzen wollen. Es reicht nicht, allgemein in Pakten festzulegen, wieviel Stellen abgebaut werden sollen, das Problem ist welche. Es ist zu wenig, wenn der Landesrechnungshof feststellt, dass die „Landesvertretung Baden-Württemberg in Berlin mit 60,5 Bediensteten deutlich über dem Länderschnitt von 35“ liege... (und daher kein Geld für Schulen und Unis übrigbliebe).

Editorial

Jammern hilft also nicht, deshalb hier einige konstruktive, positive Anregungen für Sparmaßnahmen an peripheren und traditionellen (und damit nach dem Parkinsonschen Gesetz verwaltungstechnisch fixierten?) Gehältern. Diese Vorschläge lassen sich ganz sicher erheblich erweitern, das Problem ist nur, Kandidaten zu finden. Viele dieser und anderer Dauerstelleninhaber arbeiten so dezent und unaufdringlich, dass sie im normalen Unibetrieb gar nicht (unangenehm) auffallen. Schauen Sie mal im Telefon- oder Vorlesungsverzeichnis Ihrer Uni nach – Sie werden staunen! Wetten, dass Sie fündig werden? An „meiner“ Universität arbeiten beispielsweise 480 Personen im Kerngeschäft der Fakultäten, aber 500 in den peripheren Zuarbeiten (davon 220 in der Verwaltung)... ob es da noch Potenzial für die Stärkung der eigentlichen Mission „Forschung und Lehre“ gibt?

Wer braucht noch Fotozentralen?

Zum Beispiel: Früher haben wir noch Dias gemacht, besser, wir haben sie in der Fotozentrale der Uni machen lassen. Das war bequem und praktisch und qualitativ klasse: für die Vorlesung hat man die Seiten in einem Lehrbuch markiert, eine Liste mit den Abbildungen geschrieben und alles per Hauspost an die Fotozentrale geschickt. Zwei, drei Wochen später kamen die Dias, meist schön scharf und oft auch das Richtige drauf. Wer die Bilder schneller brauchte, machte ein bisschen Palaver und konnte sie schon nach einer Woche oder so selbst holen. Wer ganz ganz schnell Bilder für Vorlesung oder Vortrag brauchte, hat auf Folien kopiert, ohne Fotoabteilung.

Irgendwann in der grauen Vorzeit kamen die Scanner und Diamaker auf. Das war nicht schlecht, man konnte die Abbildungen aus einem Buch einscannen, die Datei am Computer bearbeiten, verändern oder Farbe einsetzen und hat schließ- lich das komponierte Dia im Diamaker selbst belichtet. Den Film hat man in die Fotozentrale geschickt und nach einer Woche oder so als fertige Dias zurückbekommen. Wer es eiliger hatte, hat den Film über Nacht kommerziell entwickeln lassen. Und wer ganz ganz schnell Dias haben wollte, trug seinen Film in einen der von der Fotozentrale geschmähten Schnell-Läden in der Stadt, ging ein Eis essen und holte nach einer Stunde die maschinell fertig entwickelten und gerahmten Vierecke ab.

Das ist jetzt anders geworden. Wer heute noch Dias zeigt, ist altmodisch und nicht mehr in. Jeder Wissenschaftler schleppt seinen Laptop in die Vorlesung, schließt ihn an den Beamer an und zeigt eine Powerpoint Präsentation. Wer’s gut kann, hat Filmchen und Soundeffekte eingebaut. In der Anatomievorlesung rutschen etwa die Knochen unter schaurigem Gewimmer an Ort und Stelle, in der Evolution kann ein Velociraptor aus Jurassic Park auftauchen, und die Venusfliegenfalle schnappt mit knirschendem Klicken zu. Amateure wie ich schaffen es immerhin, einen farblich mehr oder weniger geschmackvollen Hintergrund einzugeben.

Der Kaffeeraum wächst um einige Dunkelräume

Die Fotozentrale? Dort macht man es sich gemütlich, der Kaffeeraum ist um ein paar Dunkelräume erweitert worden, man hat Muße zum Lesen und um eigene Fotos zu entwickeln. Vielleicht wird ja die lang ersehnte Ausstellung eigener Arbeiten in der heimischen Volksbank doch noch wahr. Jetzt, wo nicht mehr viel zu tun ist.

Der Chef der diversen Planstellen (= Dauerstellen) kann sich ganz der Lobbyarbeit widmen, immer wieder betonen, wie wichtig die Fotozentrale für den Betrieb der Uni ist. Einer muss ja aufpassen, dass der Laden nicht geschlossen wird. Bloß weil nichts mehr zu tun ist, kann die Uni doch die Abteilung für Fotos nicht aufgeben. Ein gutes Argument ist immer eines, das die alles entscheidende Unibehörde sieht und versteht: so muss doch jemand die Fotos für das dreimal im Jahr erscheinende Hausblättchen machen. Und die Fotos für die Werbeprospekte, mit denen die Uni Studenten aus dem In- und Ausland anlocken will, müssen irgendwo herkommen. Dass es dafür eine ganze Abteilung „Pressereferat“ irgendwo anders an der Uni gibt, wird geflissentlich übergangen. Und dass dieses als Arbeitsgerät aus dem Etat der Uni gerade eine chice Kameraausrüstung erworben hat und sich die Bebilderung für ihre Artikelchen aus der Arbeit einzelner Labors und Abteilungen sowieso von den Betroffenen liefern lässt, ist natürlich ein ganz anderer Punkt.

...und die Zeichenabteilung?

Also, wozu braucht die Uni noch eine Fotoabteilung? Zu genau dem gleichen Zweck wie man heute noch eine Zeichenabteilung benötigt. Keine Zeitschrift nimmt für einen Artikel echte Fotos oder Diagramme auf Butterbrotpapier an, alles muss als Datei elektronisch geliefert werden. Kein Mediziner wird sich als altmodisch disqualifizieren und noch Dias in der Vorlesung zeigen, viel wichtiger ist es, lässig das neueste Modell von Laptop aufzuschlagen. Auch wenn es dann passieren kann, dass der Assistent bei der Erstellung der Vorlesung für den Chef Features eingebaut hat, die der Boss in der Vorlesung erst mit Nachhilfe eines Studenten abstellen kann.

Gibt es irgendein Argument für die Fotozentrale an der Uni?

Einsparpotential: total +++