Wir melden ein Patent an

Axel Brennicke


Editorial

(01.10.2003) Erfahrungen mit der Techniktransfer-Stelle an der Universität.

Also, das war so: wir hatten dieses neue Gen gefunden, mit dem sich der Nährwert von Pflanzen entschieden verbessern lässt. Vielleicht. Auf jeden Fall musste das Gen und seine Anwendung schleunigst patentiert werden – vielleicht würden wir ja reich und bekämen endlich einmal auch einen Forschungsvertrag aus der Industrie. Alle haben schon Firmen ausgegründet, Anwendung ist politisch opportun, auch wenn sie an der Universität nichts zu suchen hat. Womöglich kämen wir sogar an die BMBF-Pfründe, die für baldige Vermarktung innerhalb einer Wahlperiode in solchen Mengen bereit stehen, dass DFG-Projekte Peanuts sind – und warme Schauer nicht nur den Rücken herunterlaufen.

Nur die Millionen-Euro-Frage steht uns noch im Weg: Wie kriegen wir unser Patent? Irgendjemand im Labor erinnert sich daran, dass es an der Uni doch irgendeine Techniktransfer-Stelle gibt, die gera- de für solche Vermarktungshilfe zuständig sein soll. Dann fiel es mir auch wieder ganz schwach ein. Da war mal was, das ich nie verstanden hatte: Techniktransfer war ein In-Wort, und Land, Bund und Unis richteten in der Geld-auf-der-Straße-Stimmung der steigenden Aktienkurse Stellen dafür ein, um die Goldgrube Wissen und Entdeckungen an den Unis auszubeuten. Ob es solche Typen überhaupt noch gibt?

Editorial

Das Vorlesungsverzeichnis bringt es an den Tag: Tatsächlich unterhält die Uni eine solche Stelle. Obwohl unsere Hochschule nur 64 Lehrstühle hat, scheinen die anderen Arbeitsgruppen so angewandt zu arbeiten, dass es notwendig ist, eine Mitarbeiterstelle nach BATII (oder sogar BATI?) nur für Technologie-Transfer und Patentwesen, statt mit einem Wissenschaftler zu besetzen. Wahrscheinlich machen die anderen Forscher viel bahnbrechendere Forschungen als wir. Kann wohl nicht anders sein.

Träumereifen

Super für uns, dann haben wir ja einen Fachmann direkt vor Ort. Also ans Telefon und um einen Termin anfragen. Kein Problem, der Herr kommt gern vorbei, hört sich sehr hilfsbereit und freundlich an. Selbstverständlich können wir unsere Ergebnisse zum Patent anmelden, die Uni hat nichts dagegen – im Gegenteil, wir müssen nur die neue Gesetzeslage berücksichtigen. Euphorisch sammeln wir unsere Daten zusammen, träumen schon von einer neuen FPLC-Anlage, geben noch nicht zu, dass auch ein neueres Auto mal nicht schlecht wäre. Blauäugig schwanken wir zwischen weltweitem Schutz oder nur Europa und den USA – aber Argentinien und Brasilien sollten auch dabei sein, da wird Soja, Mais und alles mögliche andere angebaut ...

Der Fachmann kommt

Zum Glück sind wir nüchterne Wissenschaftler und kommen nach einer Nacht voller Wunschträume drauf, dass wir zuerst einmal herausfinden müssen, ob jemand anders unser Gen vielleicht doch schon zum Patent angemeldet hat. Keine Ahnung, wie man das recherchiert, aber das wird uns unser Spezialist vor Ort schon managen, das ist ja schließlich sein Job.

Die Ernüchterung kommt mit dem Fachmann für Patentwesen der Universität. Hilfsbereit kann er uns die Adresse des deutschen Patentamtes in Berlin sowie des europäischen Pendants in München geben. Dorthin müssten wir gehen, um solche Recherchen vor Ort durchzuführen. Vor Ort hieße, dass wir physisch nach Berlin oder München fahren müssen, um dort in den Datenbanken zu suchen – da sei es doch geschickt, dass das europäische Patentamt nicht in Helsinki oder Lissabon ist, oder? Wie, online? Nein, das ginge nicht, jedenfalls wisse er darüber nichts, das müssten wir dort erfragen. Na gut.

Natürlich koste eine solche Recherche Geld, klar – aber wieviel, das könne er nicht sagen, das hinge davon ab ... Und nein, die Uni stellt kein Geld zur Verfügung für solche Nachforschungen, und für die eigentliche Patentschrift oder gar die Patentgebühren sowieso nicht. Aber der Vertrag mit der Uni sei kein Problem, den könne er uns dann schicken, damit wir das Patent in unserem Namen und so anmelden könnten – das stünde dann alles in dem Vertrag drin. Wie die Verteilung der Prozente sei? Nein, das wisse er auch nicht, das habe die Rechtsabteilung der Uni ausgearbeitet.

Wie aber schreiben wir nun ein Patent? Beziehungsweise einen Antrag auf Erteilung eines Patentes? Tja, da könne er uns auch nicht helfen, zuckt unser Fachmann bedauernd die Schultern. Er sei schließlich nicht Fachmann auf dem Gebiet, das können nur die Biologen selbst machen. (Was für ein Fachmann er ist, wird uns immer unklarer. Wahrscheinlich ein Jurist.) Nein, einen Beispielantrag habe er nicht, und wenn er einen hätte, wäre das ja vertraulich, weswegen er ihn uns nicht als Vorlage zur Verfügung stellen könne. Ob wir so einen Antrag nach dem Vorbild eines DFG-Antrages schreiben sollen? Oder mehr wie ein wissenschaftliches Paper? Oder als Brief („Liebes Patentamt...“)?

Hohntriefender Abgang

Wir bleiben exakt so unwissend wie vor der Beratung – zwei Stunden leeres Geschwätz, Abwimmeln jeglicher Anfrage auf Hilfe, die zusätzliche Arbeit bedeuten könnte, null Sachinformation. Das kann keine Geheimniskrämerei sein, das ist schlicht und einfach Unwissen. Unwissentlich hohntriefend der Abgang mit dem uns ironisch antriefenden letzten Satz: Und falls wir noch weitere Fragen haben, jederzeit ... (Muss doch ein Jurist sein).

Was tun wir nun? Zum Glück hat sich ein ehemaliger Kollege frustriert aus der Uni-Wissenschaft zurückgezogen und verdient sein Geld in einem Patentbüro. Klar hilft er uns, europäisch wäre das beste, er schickt uns eine Vorlage, wir füllen den wissenschaftlichen Teil aus und fügen unser Gen ein, und nach drei Wochen Hin und Her ist die Schrift eingereicht. Ach ja, dass es so ein Patent schon gibt, kann nicht sein – denn ohne das Gen kein Patent, und das Gen kannte ja vorher noch niemand. Mit Freundschaftspreis für die richtigen sprachlichen Verdrehungen und den Gebühren des Amtes sind wir dann 10.000 Euros leichter und stolze Inhaber eines europäischen Patentes. Mal sehen, ob das nun jemand kauft ...

Niete gezogen

Wir fragen noch mal bei unserem Techniktransfer-Spezialisten an unserer Uni: Wie ist es jetzt mit der Vermarktung? Gibt es Vorlagen für Briefe an Firmen, denen man die Verwertung eines Patentes anbietet? Bestimmte Floskeln, die bei Profis einfach dazugehören? Tja, nee – und wir haben wieder eine leere Schublade aufgerissen und eine Niete gezogen. Hilfe bei der Vermarktung kann die Techniktransfer-Stelle der Uni nicht leisten, das müssen wir schon selbst machen. Wir kennen doch sicher die in Frage kommenden Firmen selbst am besten. Vielen Dank.

Die Unterstützung durch den Spezialisten war insgesamt wirklich hilfreich, schließlich brauchten wir nicht die teure Auskunft anzurufen, um Adresse und Telefon der Patentämter zu erfahren. Zwei Clicks ins Internet bringen die gleiche Information und noch viel mehr.

Habe ich Ihnen den Mund wässrig gemacht? Testen Sie doch mal die Techniktransfer-Typen Ihrer Uni! Fragen Sie einfach und naiv: Wie sind die ersten Schritte zum Patent? Was ist zu empfehlen: deutsches, EU, weltweit? Wie gehe ich vor? Wie können Sie helfen? ...

Einsparpotenzial: ersatzlos +++