Doppelte Haushaltsführung nach Parkinson

Axel Brennicke


Editorial

(01.11.2003) Wozu führt die Drittmittelabteilung ein Konto, wenn das Sekretariat es sowieso schon tut?

Juhuuu, der neue DFG-Antrag des frischgebackenen Arbeitsgruppenleiters ist genehmigt! Zwar wie üblich runtergekürzt auf die Standard-Doktorandenstelle mit dem Standard-Satz für Chemikalien, aber immerhin! Die Zukunft einer genialen Doktorandin ist gesichert und die Arbeit kann weitergehen.

Aber halt, so schnell schießen weder Hamburger noch Sachsen: das Geld ist ja noch gar nicht da. Vorgabe der DFG: das bekommt die Drittmittelabteilung an der Uni zur Verwaltung. Dort wird ein Konto angelegt, eine ewig lange Ziffern- folge, hinter der sich die immerhin logisch aufgebaute DFG-Chiffrierung verstecken kann. Jetzt müssen die freundlichen Mitarbeiter in der Drittmittelabteilung gebeten werden, einen Teil des Geldes von der DFG abzurufen. Dafür gibt es natürlich ein Formular, in das füllt die Drittmittelabteilung die Kontonummer, dann geht es per Hauspost zu dem Antragsteller, der unterschreibt und schickt es an die DFG.

Editorial
Ein Viertel hier, zwei da und eines drüben

Irgendwann kommt das Geld auf dem Konto an, die Drittmittelabteilung schickt einen Kontoauszug. Der ist wie seit vielen Jahren unterteilt in Verbrauchsmittel, Geräte und Reisegelder – und überall steht was. Komisch, das hat die DFG im Zuge der Globalhaushaltisierung schon längst abgeschafft und bewilligt einfach den Posten Verbrauchsmittel, den man ausgibt wie nötig. Wer alles in Flugtickets investiert, kann das machen, aber wird mit Reiseberichten und ohne Forschungsergebnisse beim nächsten Antrag nur noch ausgelacht.

Jaaa, sagt die Drittmittelabteilung, das Kassenprogramm sei eben noch so und da müssten sie in alle Rubriken was einsetzen. Richtig, bestätigen die freundlichen Mitarbeiter, die einzelnen Beträge hätten sie sich ausgedacht, immer so ein Viertel hier, zwei da und eines drüben. Na gut.

Die Arbeit geht munter los, ein paar Oligos gekauft, Antikörper mussten her, zwei Sack Eppis, Radioaktivität, Fluoreszenz, Sequenzierkits, die modisch bleichen Einmalhand- schuhe – das übliche eben. Jetzt stehen RNA-Präparationskits an, die sollten eigentlich sein, sind echt besser als die alte Giftpanscherei – bloß unheimlich teuer. Ob die noch drin sind, ist die Frage, dazu einen Blick in den Kontostand. Das ist total modern an jeder Uni heutzutage, der DFG-Geförderte kann online seinen Kontostand nachschauen, mit Passwort natürlich, das auch wieder so ein komplexes Gebilde ist, dass man es am besten direkt neben den Monitor zu den vielen anderen gelben Klebezetteln hängt.

Merkwürdige Statistik für zufällige Fehler

Der Kontostand ist genauso modern – 1100 Euro Miese. Aber Moment, das kann doch gar nicht sein. Das Projekt läuft gerade sechs Wochen, und so viel haben die gelben Spitzen und Handschuhe auch wieder nicht gekostet. Die Doktorandin muss noch 2,5 Jahre praktisch an der Bench arbeiten können und bis dahin fehlt noch einiges. Also, Rechnungen überprüfen, überschlagen, was alles tatsächlich ausgegeben wurde.

Die Rechnungen liegen im Sekretariat und die beste Sekretärin der Welt hat die Ordnung im Griff, unzählige Ordner stehen sauber in den Regalen, bedecken die Wände. Die Sekretärin, die eigentlich gar keine mehr ist, sondern Papiere verwaltet und aufpasst, ist schließlich schon Jahre länger an der Uni als der frischgebackene DFG-Geförderte: Die abgebuchten Rechnungen? Na klar, kein Problem, alles in Kopien da. Den Kontostand prüfen, also das Übliche, Sekunde, das haben wir gleich. Hier ist der Ordner für das neue Projekt, vorne die genaue aktuelle Kontoführung, der Konto- stand ist + 9324,56 Euro. Reicht das noch?

Ach so, die Drittmittelverwaltung sagt was anderes? Das heißt gar nichts, das ist normal. Die Drittmittelabteilungen an allen Unis stehen sich da kaum etwas nach, alle müssen mit ähnlich komplizierten Programmen fertig werden, da wird leicht von einem falschen Konto abgebucht, eine Rechnung von hier nach da und da nach dort – und das Geld ist fort.

Kommen gar Rechnungen von Medizinern auf den Unigeführten DFG-Konten an, ist ganz schnell Ebbe und das Ist trockengelegt. Die Kundennummer wird zum abgebuchten Betrag, ein Komma macht sich selbständig auf die Wanderung, zur Sicherheit lieber die letzte Rechnung noch mal abbuchen – die Phantasie ist grenzenlos. Nur die Richtung stimmt immer: es wird zu 90 Prozent zu viel abgebucht – merkwürdige Statistik für zufällige Fehler... Da bleibt nur anrufen und unnachgiebig nachforschen, sich nicht abwimmeln lassen, sich lieber unbeliebt machen – schließlich geht es um das eigene Forschungsgeld und den Ruf unter den Kollegen. Der Verwaltung zeigen, wie man es besser macht, bleibt immer lästige Arbeit, die nicht produktiv ist und das Projekt nicht vorwärts bringt.

Wie, liebe Mitteilnehmer an der DFG-Lotterie, Sie haben sich auch schon gewundert, wie schnell Ihre Forschungsgelder abnehmen? Wie, Sie führen nicht für alle ihre Projekte selbst Buch? Das müssen Sie aber, parallele Kontoführung ist an allen Unis nötig, die Buchführung im Uni-Verwaltungskonto ist überall Chaos. Und so sind von Bochum bis Berlin, zwischen Kiel und Konstanz die Sekretariate der Institute und Abteilungen mit der Kontrolle der Verwaltung beschäftigt. Briefe oder Gutachten diktieren? Keine Chance. Dazu bleibt keine Zeit. Eine Fremdsprachensekretärin brauchen wir deshalb nicht mehr, eine Ausbildung in Verwaltung ist gefragt.
Mit der Drittmittelverwaltung im falschen Bad

Aber wie war das noch mit dem DFG Projekt? Der neue AG-Leiter versteht die Welt nicht mehr: wozu führt die Drittmittelabteilung überhaupt das Konto, wenn im Sekretariat auf karierten und gelochten A4-Seiten parallel das Konto geführt wird? Nur so, zur Kontrolle? Ja, zur Selbst-Kontrolle. Und das macht man nicht nur zum Spaß, das ist überlebenswichtig.

Andersherum: Wozu brauchen wir dann die Drittmittelabteilung? Die DFG verlangt das, heißt es; wahrscheinlich haben sich die Verwaltungen abgesprochen, die früher üblichen Privatarbeitsverträge zwischen DFG-Empfängnis und dem DFG- Arbeiter schafften wohl zu wenig Bürojobs – und die Drittmittelabteilung wurde eine typische Parkinsonsche Erfindung.

Aber, muss sich unser neuer AG-Leiter noch belehren lassen, DFG ist ja noch gar nichts, das läuft problemlos und ist nur doppelte Verwaltung. Wenn Sie mal einen EU-Antrag in Brüssel stellen müssen, können Sie nur beten, dass der abgelehnt wird. Damit ist jede Drittmittelabteilung völlig überfordert, das Sekretariat im Institut braucht Überstunden und Sie können nicht mehr schlafen, weil Ihnen so lange buchungstechnische Raffinessen durch den Kopf schwirren, bis Sie soweit sind, mit Schwert und Keule in Brüssel einzufallen.

Für wen arbeitet denn nun die Drittmittelabteilung? Gute Frage, die sich nicht wirklich beantworten lässt: sie wird beschäftigt von den Geldgebenden Behörden und sich selbst. Das erschafft zusätzliche Arbeit hauptsächlich für den Antragsteller und das Sekretariat und kostet Nerven und Anrufe, bis die Verwalter den korrekten Geldstand auf dem Konto ermittelt und Schuldzuweisungen verteilt haben. Nicht ihre Schuld, wirklich nicht: Vorgaben der Oberbürokraten in Brüssel und Berlin – und wir sitzen gemeinsam mit der Drittmittelverwaltung im falschen Bad.

Da wir im Sekretariat die richtigen Kontostände ständig bereit haben müssen, könnten wir doch eigentlich die gesamte Verwaltung der Drittmittel selbst machen – wir hätten mehr Zeit für konstruktive Arbeit und mehr Nerven, und die Drittmittelverwaltung an der Uni für sinnvollere Aufgaben.

Einsparpotenzial: total +++