Der Ruf der Ferne

Axel Brennicke


Editorial

(01.01.2004) Über Deinen Freund und Partner: das Akademische Auslandsamt.

Jede Universität möchte bei der Globalisierung mitmischen. Dazu richtet man am besten erst mal ein Amt ein, das nennt man Akademisches Auslandsamt (AAA). Hier sollen internationale Beziehungen gepflegt und Informationen für Studenten ebenso wie für Wissenschaftler und Professoren zur Verfügung gestellt wer- den. Und dann sollen hier die Partnerschaften mit anderen Unis gepflegt wer- den. Großartig und -spurig verkünden die Rektoren und Präsidenten, dass die Studenten durch diese Partnerschaften ein Jahr oder ein Semester in den USA oder Frankreich oder England verbringen können, das ihnen für ihr Studium angerechnet werden kann. Sogar kleine Unis in der Provinz warten mit so illustren Namen wie Monash in Melbourne, Tufts in Boston, Texas A & M oder Yale University auf.

Neulich im Sommer interessierten sich tatsächlich zwei nette Studentinnen für das Ausland „Yale“. Um die beiden nicht einfach abwimmelnd ans Auslandsamt zu verweisen, ein Anruf bei dem Chef des Amtes als Starthilfe: Leider, leider ist er sehr überlastet, aber zur Not, na gut ein Termin in 10 Tagen – gerade noch im Juli. Informationen über Yale und das Studium dort finden sich in wenigen Minuten im Netz. Mehr als der Amtsleiter in dem Gespräch preis gibt oder geben kann: denn, bisher war da noch niemand, und auch von dort war noch niemand hier. Obwohl unsere Uniköpfe seit Jahren mit diesen Partnerschaften hausieren gehen, komisch. Wortreich verspricht der Chef, sich darum zu kümmern. Auf jeden Fall müssen die Studenten erst mal Anträge schreiben und die Bearbeitung wird sicher mindestens ein Jahr dauern (Was für eine Bearbeitung? Weiß er doch gar nicht wie es läuft, aber eines weiß er sicher: es dauert) – nein, zum nächsten Wintersemester in acht Monaten wird es nicht reichen.

Editorial

Nach peinlich penetrantem Drängen verspricht der Amtsleiter endlich, dass er der Kontaktperson in Yale einmal eine Anfrage schicken wird. Und verspricht sogar, dies vor seinem vierwöchigen Urlaub noch zu machen, der in zwei bis drei Wochen losgehen soll. Tatsächlich, unsere unhöfliche Drängelei hat gefruchtet, nach ein paar Tagen bekommen die Studentinnen vom Amtsvorsteher per E-Mail Kopien seiner zweisätzigen Anfrage und die lakonische Antwort von der zuständigen(?) Dame mit deutschem Namen in Yale, dass sie sich nach ihrem Urlaub in einigen Wochen darum kümmern wird.

Ganz sicher schwer beschäftigt ...

In den Ferien versinkt auch jedes Versprechen auf die trivial-essentiellen Informationen über das Verfahren, über Stipendien, Zulassungen, Wohnungen – aber mit so banalen Dingen kann sich das Auslandsamt natürlich nicht abgeben. Und die vom Vorsteher vorgeschobene Untertanin am Amt weiß erst recht nichts, auch nicht, ob sie zuständig ist. Wer was macht, sagt der Chef, nicht der Sachverstand.

Monate gehen ins Land, Mahnungen gehen an den AAA-Chef, bleiben ohne Antwort oder ergeben Ausflüchte. Inzwischen haben wir ein Labor in Yale gefunden, das unsere beiden Studentinnen gern aufnehmen würde. Auf massives Drängen kontaktiert der AAA-Abteilungsleiter (AAAA?) endlich doch noch einmal die Kontaktperson in Yale und schafft es sogar, uns die Antwort-Mail von drüben weiterzuleiten. Darin: all die Fragen noch einmal, die die Bewerberinnen dem hiesigen AAAA schon beantwortet hatten. Und plötzlich stellt sich heraus, dass die Partnerschaft auf einen Austausch gründet, bei dem die Studiengebühren von ca. 20.000 $ pro Jahr in Yale nur erlassen werden, wenn auch jemand von dort hierherkommt – das konnte der Vor-Ort- Fachmann für das Auslandstudium natürlich nicht wissen. Der AAAA verspricht schriftlich – inzwischen ist November –:

„Ich werde versuchen, Frau [die in Yale zuständige Dame] von einigen Bereichen an der Uni ... zu überzeugen, die für das Recruiting der Gegenseite von Interesse ist.“ (O-Syntax). Jetzt ist Februar im nächsten Jahr – der Abteilungsleiter für das Auslandsamt ist ganz sicher heftig beschäftigt zu überzeugen ...

Monate gehen ins Lan...

Kein weiteres Lebenszeichen aus dem AAA, unsere mobilen Studentinnen sind immer noch im Land. Übrigens sind die anderen Unis im Land zumindest im Web nicht viel besser: Nur eine von fünf Unis hat die Landesverbindung zu Yale konkreter erwähnt: als Austausch für Doktoranden ... Andererseits zeichnet das dortige AAA verantwortlich – wer weiß, was wirklich wahr ist ... Na denn, weiter auf gute Partnerschaft!

Kein Wunder, dass der Leiter des Auslandsamtes immer mürrischer wird, er wird einfach mit viel zu vielfältigen Anfragen belästigt. Da kommt ein Professor daher und will sich erkundigen, wie denn ein Doktorand aus Polen gefördert werden kann. Gibt es spezielle Programme für die internationale Zusammenarbeit? Gerade zwischen Polen und Deutschland? Mageres Ergebnis eines mühsam zustande gekommenen Termins mit dem viel- beschäftigten AAA-Amtsleiter: ein feuchter Händedruck und eine DAAD Broschüre – auf Deutsch. Die Informationen darin sind auf der Webseite des www.DAAD.de ebenso und viel ausführlicher zu finden. Überhaupt sind fast alle Informationen des AAA in Deutsch, und die Mitarbeiter meist ebenso eingeschränkt.

Was aber macht denn nun dieses Auslandsamt an der Uni den lieben langen Tag? Womit vertreiben sich die im Vorlesungsverzeichnis aufgeführten fünf Mitarbeiter die Dienststunden? Ab und zu gibt es tatsächlich Lebenszeichen aus dem AAA: Alle paar Wochen schickt eine der Mitarbeiterinnen E-Mails herum, in denen auf Fördermöglichkeiten mit oder ohne finanzielle Unterstützung hingewiesen wird. Interessant: diese Mails sind direkt von dem kostenlosen E-Newsletter des DAAD kopiert. Eine tolle Aufgabe, die eine Mitarbeiterin sicher ziemlich fordert.

Es könnte so einfach sein ...

Alle Monat kommen Mails von einer anderen Mitarbeiterin, die darum bittet, ausländische Studenten und Mitarbeiter auf die Kennenlerntreffs hinzuweisen. Da besichtigt man diese Kneipe oder jene Pinte, läuft sogar mal durch das Stadtmuseum – alles auf eigene Kosten der Ausländer, versteht sich. Inländer sind sowieso nicht dabei, es wäre ja auch viel zu viel Arbeit, deutsche, badische oder bayrische Studenten dazu zu gewinnen, gar nicht zu reden von normalen Bürgern oder Rentnern mit Interesse an der Welt und an ausländischen Studenten. Und die gibt es in jeder Stadt: Es hat sich zum Beispiel bewährt, eine Unterkunft für ausländische Studenten, Doktoranden oder Postdocs per Zeitungsanzeige mit Angabe des Herkunftslandes und Studienfaches in der Lokalpresse zu suchen. Da melden sich interessierte und interessante Vermieter, die schon in dem Land waren oder auch nicht und mindestens Eng- lisch können – probieren Sie das auch einmal, klappt prima.

Aber von einem expliziten Amt für das Ausland kann man ein solches Engagement natürlich nicht verlangen, Zeitungsanzeigen aufzugeben kostet mindestens einen Telefonanruf, und dann melden sich womöglich noch Leute. Oh nein, wo kämen wir denn da hin ...




Apropos „AkademischesAuslandsamt“

Zitataus dem Vorlesungsverzeichnis: „Internationale Hochschulbeziehungen und Aus- tauschprogramme; Beratung und Betreuung von Studenten und Wissenschaftlern bei Auslandsaufenthalten (Incomings and Out- goings), Internationalisierungsmaßnahmen, Kontaktstelle des MWK un dDAAD“

Und? Wissen Sie was„Internationalisierungsmaßnahmen“ sind? Ich auch nicht. Die altbackene Pseudointernationalisierung Vordiplom-zu-Bachelor ist es nicht, damit darf man das „Dreifach-A“ auf keinen Fall belästigen, dafür sind sie genauso wenig zuständig wie für alles andere ...