Job-Rotation

Axel Brennicke


Editorial

(01.03.2004) Kaum eingearbeitet, schon wieder woanders. An der Uni muss der Verwaltungsangestellte rotieren, nur so kann er aufsteigen. Und Inkompetenz wird immer wieder frisch erschaffen.

Im Anfänger-..., Entschuldigung – im Grund-Praktikum für das erste Semester müssen erfahrene Studenten den Anfängern zeigen, wie man in einem Mikroskop mehr sieht als nur schwarze oder weiße Flächen. Diese „Oldies“ werden traditionell als Hilfswissenschaftler von der Uni mit semesterweisen Verträgen angestellt. Die vielen individuell verschiedenen, exakt nach geleisteten Stunden ausgerechneten Verträge kocht die kompetente Sachbearbeiterin für Angestellte in der Uni-Verwaltung nach geduldigem Anhören der Professorenwünsche in Rekordzeit aus – egal wie kompliziert, und immer rechtlich einwandfrei.

Gott sei Dank, niemand verloren

Jedes Semester neue Probleme und Sonderwünsche – kein Problem. Nur in diesem Semester – Stillstand: die freundliche Sachbearbeiterin ist nicht mehr da, nein, die bearbeitet jetzt Reisekosten. Die nette neue Dame, die ab sofort das Personal verwaltet, kennt sich natürlich noch nicht aus mit den komplexen Sonderwünschen aus dem Kerngeschäft, kann sie auch nicht, da muss sich jeder erst mal ein paar Jahre einarbeiten. Schade, es lief so glatt und reibungsfrei, jetzt dauert je- der Vertrag doppelt so lange, und die Neue hat nebenbei unendlich viele über Jahr- zehnte angesammelte Vorschriften auf einen Schlag durchzuackern, um sich zu- recht zu finden. Das schafft sie auch erstaunlich schnell, aber ein Jahr geht bis zur Kompetenz locker drauf.

Editorial

Wo ist bloß die erfahrene Personal-Dame hin? Ach ja, die macht jetzt in Reisekosten. Aber – die günstigsten Bahnkosten hatte doch die nette Bearbeiterin ausgetüftelt, die das Reisekostengesetz auswendig konnte? Ja, lautet die Auskunft, die ist nicht mehr da, die ist jetzt in der Uni-Stelle für Bauwesen. Dieses Bauamt gab es aber auch schon früher, der Herr von dort prüft jetzt die Rechnungen für Chemikalien. Und der vorherige Kassenwart für Azeton, Salzsäure und andere Muntermacher sitzt jetzt in der Zentrale für Sportveranstaltungen. Die Dame, die dort vorher Reservierungen für die Tischtennisplatte vergeben hatte, zählt ab sofort die Reste auf den DFG-Konten. Der vorherige Herr dieser Reste numeriert jetzt die ankommenden Studenten und vergibt die Stempel in ihre Ausweise. Die vorherige Stempelchefin wickelt jetzt die Verträge für wissenschaftliche Angestellte und Hilfsangestellte ab ... – halt, halt, die kennen wir schon. Damit fingen doch unsere Probleme in diesem Semester an.

Gott sei Dank, wir haben niemanden auf der Reise nach Jerusalem verloren, niemand ist gestorben oder gar in Rente gegangen, für jeden ist noch ein Stuhl da. Nur macht jeder ein bisschen was anderes. Ist doch auch logisch. Warum sollte man bei einer funktionierenden Aufgabenverteilung bleiben? Mut zur Neuerung. Was ist schon schlecht daran, alle mal ein bisschen rotieren zu lassen? Die Verwaltungsspezialisten werden sich schon in die neuen Aufgaben einarbeiten. Klar, tun sie auch. Wer einmal die dicken Wälzer von Gesetzen, Vorschriften und Verordnungen auch nur aus der Ferne gesehen hat, muss die Mitarbeiter ehrfürchtig bewundern, die sich schon nach einem Jahr bestens auskennen.

Es ist nur dieses verflixte eine Jahr, in dem alles halb so flüssig geht, viel Zeit an Telefonen und auf Fortbildungen verschwendet wird. Dann wird alles besser ... Falsch, zu früh gelacht – die Rotation geht in die nächste Runde: jetzt soll die Dame, die sich gerade in das Bauwesen eingearbeitet hat, Studenten stempeln, der Chemikalist wird Reisen abrechnen, die Reisetante verbucht DFG-Mittel und... Das Jahr drauf, wieder eine neue Mischung – das Einarbeiten und die frisch geschaffene Inkompetenz werden zur lässigen Routine. Der Matsch der Univerwaltung verwandelt sich in zähen Kleister, erstarrt im „Weiß-ich-noch-nicht“ und versetzt auch den Freundlichsten in Frustration und Aggression.

Leider, leider dauert es unendlich lange, bis alle wieder da sind, wo sie angefangen haben. Irgendwann fängt der Kreislauf natürlich wieder von vorne an, das ist bei Kreisen so, aber bis dahin hat jeder seine ewig lange vorher erlernte Kompetenz schon längst unter den verschiedensten Vorschriften der diversen Zwischenjobs begraben.

Wozu bloß das ganze Affentheater? Um Bestechung zu verhindern? Um lauschig etablierte Blumen- und Cognac- transfers zwischen den Sportlern und der Vergabestelle für Billardtische zu unterbrechen?

Gesegnete Aufstiegsspirale

Nein, heißt es, dies alles ist gesegneter Teil der Aufstiegsspirale im öffentlichen Dienst. Laut Vorschriften und Regelblättern kann man im Dienst nur dann aufsteigen und mehr Geld bekommen, wenn man ein verantwortungsvolleres Pöstchen übernimmt als bisher. Also muss man seinen Job wechseln: die Registrierung der neuen BaFöG-Empfängnis lässt sich problemlos als eigenständiger beschreiben als die Vertragsabwicklung von Wissenschaft- lern. Aber von heute auf morgen die gleiche Arbeit schwieriger zu machen als bisher, das ginge nur über die reichlich ins Haus flatternden neuesten Vorschriften. Aber die werden leider von eben den Stellen, die sie schaffen, nicht als besondere Schwierigkeit anerkannt. So bleibt nur die Rotation, bis alle soweit hochrotiert sind, dass niemand mehr weiß, wo welches Formular herkam und hingehört.

Es soll auch Menschen geben, die sich in ihrer Arbeit bewähren und dafür durchaus honoriert werden könnten. Im öffentlichen Dienst der Universität ist Bewährungsaufstieg leider ein verdrehtes Fremdwort, ein echter Horror. Das gleiche gilt natürlich auch im Kerngeschäft der Unis, in Lehre und Forschung.

Falls Sie das alles doch gar nicht so schlimm finden, hier noch schnell ein extremes Beispiel von einer norddeutschen Universität: Da war ein schon höherer – aber bei Weitem nicht höchster – Angestellter im Dunstkreis des dortigen Rektorats mit verantwortungsvollen Aufgaben wie Berufungsverhandlungen finanziell nicht ausgelastet. Im Zentrum der Macht konnte er schlecht hochgelobt werden, das gelang erst über den Geniestreich der Auslagerung in eine Fakultät, die ihn weder brauchte noch haben wollte. Dort hatte er einfach ein paar Jahre nutz-, aber nicht geldlos abzufeiern, bis er seine alte Aufgabe und Planstelle unter formal sehr viel höherer Eigenverantwortung wieder übernehmen konnte. Der Normalbürger wäre sich zwei Jahre lang sinnlos vorgekommen und wäre nach sehr teurer psychologischer Behandlung und psychoanalytischer Ursachenforschung inzwischen arbeitsunfähig geschrieben... Nur gut, dass wir so feste Persönlichkeiten in den Univerwaltungen haben, die nicht gleich ins Rotieren kommen.