Uni-Denkmäler

Axel Brennicke


Editorial

(01.05.2004) Wie Universitäten zu letztlich unnützen Bauwerken kommen. Zwei Beispiele.

Beispiel 1: Bibliotheken zu Bauruinen

Rektor, Direktor oder Kanzler sind mal wieder nicht zu erreichen – sie weihen eine neue Bibliothek ein. Die dazu gehörenden verbalen Absonderungen sind im nächsten Uni- Blättchen verewigt: Geplant vom berühmten Architekten Sir Asyoulike, ein Denkmal von Licht und Schatten, eine gelungene Apotheose der Regierungszeit von Rektor/Direktor/ Kanzler Prof. Dr. Achderda.

Bloß: wo ist eigentlich dieses Wunderwerk? Ewas weiter weg, klar, sonst kommt es ja nicht zur optischen Geltung. Ganz hinten am Waldrand zwischen den Blumenbeeten und dem englischen Rasen, den künstlichen Teich schattierend – so erst wirkt die Architektur.

Quatsch, es ist nicht zu weit, dorthin zu laufen, man muss es nur als sportliche Betätigung sehen. Klar waren es vorher im EG nur 20 m vom Aufzug in die Bibliothek, jetzt muss man einen Mantel anziehen, wenn es regnet auch Gummistiefel, und fast 1 km durch die Pampa(e) traben. Aber das ist gar nicht so schlimm, man krabbelt nur zur Hälfte über völlig zugestellte Parkplätze, den Restmarsch holpert man durch einen sumpfigen Lehmwald, hübsch. Und gleichzeitig Überlebenstraining.

Editorial

Andererseits: kaum jemand geht überhaupt noch hin. Es lohnt sich nicht mehr. Die Zeitschriften, die die Wissenschaft braucht, sind ja abbestellt. Früher war diese Bibliothek vorbildlich, alles Wichtige war da, klar gab es weniger Zeitschriften, aber ab und zu wurden auch neue Journals abonniert.

Das hat sich geändert, als die Univerwaltung von Rektor/ Direktor/Kanzler plötzlich bemerkte, dass die neue Bibliothek ja auch geheizt werden muss, dass an den Lesepulten Licht und Strom gebraucht wird, dass in den chicen Toiletten Wasser fließen sollte und ab und zu der Schlick von den Böden gewischt werden muss. Das Geld dazu muss natürlich aus dem Etat für die Bibliothek kommen.

Logisch, denn diese Kosten laufen schließlich zusätzlich zu denen vom ehemaligen Bibliotheksraum an, der nicht abgerissen wurde – war ja auch nicht schlecht oder alt, oder so. Dort sind jetzt Computeranschlüsse und Online-Arbeitsplätze für Studenten geschaffen worden, damit sie in der Literatur direkt über das Internet recherchieren können. Sehr modern und löblich. Im Prinzip.

Das Problem ist nur, dass auch online gar keine wichtigen Zeitschriften mehr verfügbar sind. Und schon gar nicht an den neuen Arbeitsplätzen außerhalb der neuen Bibliothek, da die campusweiten Lizenzen ja noch teurer sind. Den Schund, den kann man weiterhin lesen, der ist billig – das war schon zu Jerry Cottons Zeiten so und hat sich anscheinend nicht geändert. Der Rutsch auf das Niveau von Groschenheften ist unausweichlich schnell, wenn nur noch Pfennige für den Gehalt bleiben. Und wenn die Forscher an den Unis nicht mehr arbeiten können, weil die Informationen fehlen – was soll’s: Wie wäre es mit einem gemütlichen Spaziergang zu dem Baudenk- mal dort hinten, der sinnlos beheizten Ruine aus der Ägide von Rektor/Direktor/Kanzler Prof. Dr. Werwardasnoch ...

Beispiel 2:Bauruinen zur Verfügung

Rektor/Direktor/Kanzler ist neu eingesetzt – was bloß soll er einweihen? Ein neues Denkmal muss her, eine Reviermarkierung der Regierungszeit von Rektor/Direktor/Kanzler Prof. Dr. Weristdenndas.

Aber was nehmen wir? Eine Umgehungsstraße hat die Uni bereits, vor dem neuen Bibliotheksbau steht auch schon eine Messingtafel, und die renovierte Parkplatzschranke mit Gebührenzähler ist irgendwie zu popelig. Das wird schwierig. Im Angebot wären noch die Kompostanlage im Botanischen Garten, die erweiterte Müllsortierung, die renovierten Toiletten oder die Sporthalle.

Letztere wäre doch nicht schlecht, aber kein so richtiger Edelmetall- oder -gewürzkranz der Intellektualität. Da kommt Rektor/Direktor/Kanzler von einer Dienstreise zur Nachbar- Uni zurück und hat die Lösung: ein Verfügungsbau (VB) muss her. Das ist die Lösung, denn für den VB braucht man keinen richtigen Zweck anzugeben, den hat er ja auch nicht. Dieser Neubau steht einfach zur Verfügung – falls dann doch mal jemand Platz braucht. Ruckzuck wird dieser Bau unter der Flagge des gerade aktuellen Modeworts durch die Gremien gehievt: heuer sind die Life-Sciences eine Zukunftswissenschaft und brauchen in Zukunft Platz. Arbeitsraum heißt dabei Labors, Hi-Tech Sicherheitsräume für Gene, Chips und Nanos – das macht schon was her. Da hat schließlich sogar Michael Crichton was zu geschrieben.

Verfügungsbauten unterstützt die Landesregierung gern, dafür kann sie die Erlöse aus dem Verkauf der UMTS-Lizenzen steuerfrei verwenden, weil das etwas Besonderes ist und nicht zu den normalen Aufgaben der Unis und des Landes gehört (Wieso können normale Leute eigentlich ihren Wintergarten und Fahrradschuppen nicht von der Steuer absetzen? Und vor allem: Wieso will das Land eigentlich keine Steuern zahlen? Wir Normalmenschen zahlen alle brav unseren Obulus – wahrscheinlich sind wir einfach zu blöd? Wir sollten wohl besser dem guten Beispiel unserer Regierenden folgen...). Von Rektor/Direktor/Kanzler wird verfügt und ans Ministerium weitergegeben, dass die Lebenswissenschaften – Pardon, die Life-Sciences – Platz brauchen. Ein paar Monate später fahren Planierraupen auf den vorletzten Parkplatz an der Uni und frischer Beton wird verpanscht.

In der Uni geht der interne Streit in die heiße Phase: wer darf in den Verfügungsbau? Jeden Tag kommen neue Kandidaten mit guten Begründungen. Die sind nicht schwer zu finden, logisch, an vielen Ecken der Uni sollte dringend renoviert werden, Labors sind nach 10-15 Jahren intensiver Behandlung mit Chemie(kalien) einfach fertig. Aber Renovieren und Bauunterhalt sind unbeliebte Fremdwörter in den Bauämtern und Verwaltungen der Unis, dafür ist kein Geld vorgesehen, so etwas macht nix her und bringt keine Bronzetafel an den Eingang.

Neubauten sind das einzig Wahre: kurz gebaut und fertig, keine Folgekosten, anders als ein Mitarbeiter, der muss über viele Jahre bezahlt werden, wenn einmal eingestellt. Das leuchtet Politiker/Rektor ganz logisch ein.

Ebenso sicher nahmen sie den vorgeschlagenen Preis des Neubaus und die sonstigen Sprüche der Bauämter als Wahrheit an. Und fielen aus allen Wolken, als plötzlich Rechnungen für ein Drittel mehr Geld auf den Tisch flatterten – „das ist doch immer so“ verteidigen sich geschickt und wahrheitsgemäß die Bauämter. Was tun? Die nicht geplanten Mittel nehmen die Hobbyköche Rektor/Direktor/Kanzler aus dem Geld für die Zutaten – und das Festmahl wird entsprechend schal. Natürlich nicht das bei der Einweihung, das zählt zum Glück zu den Gestehungskosten.

Der Bau muss ja auch beheizt werden ...

Nein, für die Einrichtung ist nichts mehr da, es wird keine Labortische, keine Stühle, keine Zentrifugen und keine Computer in den schnieken neuen Labors geben, kein einziges Reagenzglas kann gekauft werden. Und dann, o Gott, wer hätte das gedacht, jetzt muss der edle Verfügungsbau ja auch noch geheizt werden...nein, das war wirklich nicht abzusehen. Jedes Jahr neue 300.000 süße kleine Euros, die die Universität irgendwie zusammenkratzen muss. In so einer Notsituation müssen jetzt einfach alle solidarisch zusammenhalten und die Gürtel ein bisschen anziehen. Da muss eben in alle anderen Töpfe an der Uni gegriffen werden, alle müssen dafür bluten: weniger Geld für Lehrmittel, weniger Betreuung in den Praktika, Geräte dürfen auch nach 20 Jahren nicht erneuert werden, von Geld für die Forschung träumen nur noch echte Träumer.

Trotzdem streiten sich die eigentlich auf Wunsch von j.w.o. (janz weit oben) kooperierenden Life-Sciences um den Platz im Verfügungsbau, man kann ja die alten Geräte mitnehmen, immerhin sind die neuen Räume frisch gestrichen. Dann spart man das Geld für die längst dringend anstehenden Renovierungen der alten abgewrackten Räume. Wenn es dort heuer durch das Dach regnet, dann tropft es sicher schon länger – und dann kommt es auf ein paar Jahre mehr nicht an. Das planen die Bauämter irgendwann später ein, vielleicht.

Draußen vor dem verfügten Verfügungsbau wird inzwischen die von Anfang an eingeplante Bronzegravur enthüllt, auf der geschrieben steht „Erbaut unter der Herrschaft von Rektor/Direktor/Kanzler Prof. Dr. Möchtegerngroß“.