Wie eine Uni einmal partout keine Drittmittel wollte

Axel Brennicke


Editorial

(01.09.2004) Zuweilen legen wir uns in unseren Gremien selber lahm. Wie jüngst etwa geschehen mit einem Antrag auf Fördermittel nachdem Hochschulbauförderungsgesetz (HBFG).

Wie jedes molekularbiologische Labor müssen wir viele DNA und cDNA Sequenzen analysieren – das heißt: sequenzieren. Dazu haben wir vor zehn Jahren inzwischen völlig veraltete Sequenzautomaten gekauft, die dringend ersetzt werden müssen. Diese Maschinchen waren fein, sie laufen immer noch (meistens), sind aber einfach ausgelutscht und ziemlich fertig. (Wie alt ist eigentlich Ihr Auto?) Ersatzteile gibt es auch schon nicht mehr.

Je länger das Wort,...

Leider könnten wir die wenigsten Analysen nach außen vergeben (selbst wenn wir irgendwoher das Kleingeld dazu hätten), viele spezielle Sachen müssen wir wirklich selbst angucken. Also brauchen wir eine neue, schnelle Maschine, die die drei alten ersetzen und locker noch was drauf tun kann. Dazu gibt es die Bund- Land Fördermittel nach dem HBFG. Das steht für Hochschulbauförderungsgesetz – und ist irgendwie typisch Deutsch: Je länger das Wort – umso kürzer die Mittel. Das heißt, eigentlich müsste es dann noch länger werden – die Gelder auch dafür sind schon wieder von Bund und Land gekürzt worden.

Editorial

Mitte Dezember 2003 haben wir endlich den Antrag mit freundlicher Hilfe aus einigen Verwaltungsstellen fix und fertig. Antragsformulare und Vergleichsangebote von verschiedenen Herstellern schicken wir an das Rektorat der Uni mit der Bitte um Weitergabe an das Land. Das Rektorat möchte zuvor jedoch noch eine kleine ideelle Zugabe vom Dekan der Fakultät, mit einem positiven Satz von dort sähe es noch besser aus. Und damit beginnt die Odyssee unseres Antrages, den über ein halbes Jahr später der Dekan ohne jede Begutachtung oder Leistungskontrolle immer noch nicht der Evaluation weiterreicht, sondern mit folgender Begründung am 23.2.2004 ablehnt:

„Lieber Herr Brennicke,

Die Fakultät war von der Verwaltung zu einer Stellungnahme zu Ihrem HBFG An- trag gebeten worden. Wie Sie wissen, wurde dazu zunächst der Bedarf in der Fakultät erhoben. In der Sitzung des Fakultätsvorstands am 03.02.2004 hat der Fakultätsvorstand [...] über die Reihung aus der Sicht der Fakultät ausführlich diskutiert und dann die folgende Prioritätensetzung beschlossen:

- Sicherstellung der Bestellung des TEM’s, insbesondere der Bestellung im Jahr 2004, um somit die Lieferung im Jahr 2005 zu ermöglichen.

- Einbeziehung von HBFG Mitteln im Umfang von ca. 225.000 Euro in eine Berufungszusage der Fakultät. Gleichzeitig sollen interne Mittel in entsprechendem Um- fang, die ursprünglich für diese Berufung vorgesehen waren, zur Ausstattung von Praktika etc. verwendet werden. Auf diese Weise könnte die dringend notwendigen Erneuerung und Ergänzung der Praktika zumindest begonnen werden. Angesichts der Notwendigkeit, die stark gestiegenen Studentenzahlen angemessen betreuen zu können, ist dies für die Fakultät von zentraler Bedeutung.

Die Prioritätensetzung ist so zu verstehen, dass zunächst alles getan werden sollte, um die Finanzierung des TEMs sicherzustellen.[...] Dekan“

...umso kürzer die Mittel

Das versteht man nicht? Ach ja, in der Zwischenzeit lief im Hintergrund und ohne mich zu informieren Folgendes: Auf meinen Antrag hin wurde nach etwa einem Monat herumgefragt, ob nicht vielleicht doch noch jemand einen Antrag für HBFG einreichen möchte. Aber auch ein verzweifelter Nachappell zwei Wochen später brachte keinen anderen Bedürftigen ans Tageslicht, da hatte auch die implizierte Drohung „...sonst...“ nicht nachgeholfen.

Bleibt in Reinform: Mein Antrag auf einen Sequenzer wird vom Fakultätsvor- stand abgelehnt: 1. weil niemand sonst in der Fakultät einen solchen Antrag gestellt hat oder stellen will; 2. weil 2005 ein TEM gekauft werden soll – ein Antrag liegt weder für HBFG 2004 noch 2005 vor; 3. weil Geld aus der Forschung herausgewaschen werden soll, damit es zweckentfremdet in der Lehre versacken kann.

Bedürftige nicht aufzutreiben

Das versuche ich auch dem Herrn Dekan zu erklären:

„Lieber Herr [...],

vielen Dank für den Gesprächstermin bei Ihnen am Freitag, 20.2.2004, zu dem Sie mir freundlicherweise auf meine Nachfrage zu dem Stand meines obigen HBFG- Antrages vom 15.12.2003 Auskunft gaben.[...]

Ich bin, wie in meinen schriftlichen Nachfragen vom 18.1. 2004, 30.1. 2004 und von vorletzter Woche und in unserem obigen Gespräch erwähnt, verwundert, dass bürokratische Vorgänge innerhalb der Fakultät, i.e. Mitteilung über Vorstandsbeschlüsse, nur nach Nachfrage und dann auch erst nach Wochen an den Betroffenen weitergeleitet werden.

Leider kann ich die Begründung des Ranking des HBFG-Antrages aus der Abteilung Molekulare Botanik im Fakultätsvorstand argumentativ nicht nachvollziehen.

Nach dem Eingang dieses HBFG-Antrages haben Sie das Rundschreiben vom 21.1.2004 veranlasst, in dem Sie die gesamte Fakultät auffordern, weitere HBFG-Anträge für das Jahr 2004 einzureichen. Es sind keine weiteren Anträge vorgelegt worden. Selbst nach Ihrer Mahnung vom 3.2.2004 sind laut Ihrer eigenen Auskunft keine weiteren Anträge aus der Fakultät eingegangen.

In Ihrem obigen Schreiben mit Datum von heute teilen Sie mir aber mit, dass der Fakultätsvorstand vor drei Wochen beschlossen habe, zwei Absichtserklärungen für „HBFG-Anträge“ vorzuziehen, die gar nicht bei der Fakultät eingegangen sind. Das verstehe ich nicht.

Außerdem verstehe ich nicht, warum diese beiden von Ihnen angeführten Absichtserklärungen dem HBFG Antrag aus der Abteilung Molekulare Botanik vorgezogen werden sollen, da nach Ihrem Schreiben keiner für das Haushaltsjahr 2004 relevant ist.

Daraus geht für mich hervor, dass der einzige der Fakultät für Naturwissenschaften vorliegende HBFG Antrag für 2004 der aus der Abteilung Molekulare Botanik über einen DNA Sequenzer ist.

Mit freundlichen Grüßen, Axel Brennicke“

Keine weiteren Anträge,...

Darauf bekomme ich natürlich keine Antwort. Also frage ich mal die Kollegen im erweiterten Fakultätsrat, ob mir dies jemand so erklären kann, dass auch ich die Logik der Naturwissenschaften verstehe – schließlich ist auch unser Dekan Naturwissenschaftler, zwar kein Biologe, aber immerhin Chemiker.

Auszug aus dem Protokoll des erweiterten Fakultätsrats:

„TOP 21 Verschiedenes – HBFG-Anträge Zu diesem TOP verteilt Herr Prof. Brennicke zwei Schreiben an die Mitglieder des erweiterten Fakultätsrats. Die zwei Schreiben beziehen sich:

a) auf einen HBFG-Antrag für einen DNA Sequenzer der von Herrn Prof. Brennicke am 15.12.2003 gestellt wurde,

b) eine Stellungnahme des Dekans vom 23.02.2004 zu dem o.g. Antrag, weshalb der Antrag zurückgestellt wurde.

Herr Prof. Brennicke erinnert, dass auf den Eingang seines HBFG-Antrags a) für einen DNA Sequenzer hin in der gesamten Fakultät nachgefragt wurde, ob weitere Anträge für 2004 vorliegen oder beabsichtigt sind. Dies war bis zur Deadline im Februar nicht der Fall. Dennoch werden für 2004 laut Schreiben b) ein Antrag auf ein EMI für Lieferung in 2005 und ein (nicht vorhandener) Antrag auf potentielle HBFG- Anträge von neu zu Berufenden an das Rektorat weitergegeben. Der HBFG-Antrag für einen DNA-Sequenzer von Herrn Brennicke wird nicht gereiht und nicht weitergereicht.

...aber viele weitere Fragen

Herr Brennicke fragt, wie diese Auswahl zustande gekommen ist und möchte erfahren, warum sein HBFG-Antrag für einen DNA Sequenzer vom Fakultätsvorstand abgeblockt und nicht einmal an dritter Stelle weitergeleitet wird. Er fragt nach, was passiert, wenn das EMI abgelehnt oder verschoben wird und keine anderen Anträge in der Reihung vorgesehen sind. Er fragt nach, warum für 2004 Anträge seinem vorgezogen werden, die weder vorliegen, noch überhaupt für 2004 finanziell relevant seien. Er bittet um Erklärung dieser Vorgänge. [...]

Der Prodekan erläutert das geplante Auswahlverfahren für die HBFG-Anträge:

a) Die eingegangenen Anträge sollen von einer beratenden Kommission, der die Mitglieder des Fakultätsvorstandes und jeweils ein Vertreter der drei Fächer (vom Fach benannt) angehören, besprochen und gereiht werden.

b) Von dieser Kommission soll eine Rangliste erstellt und dem Rektorat zur Entscheidungsfindung vorgelegt werden. Diese Liste wird von der Universität an das Land und von dort an die DFG zur eigentlichen wissenschaftlichen Begutachtung weiter gegeben werden.

Der Prodekan erklärt, dass in diesem Jahr das Verfahren noch nicht so abgelaufen sei. Das EMI sei seit mehreren Jahren vorgesehen. Ferner seien auch dann in 2004 Anzahlungen zu leisten, wenn das Gerät erst 2005 geliefert würde. Wegen der von Bundes- und Landesregierungen vorgegebenen Deckelung der HBFG Mittel habe der Vorstand des Dekanats beschlossen, nur das EMI und die potentiellen Berufungsmittel an das Rektorat weiterzuleiten.“

Wort-Verschraubungen

Ich hoffe, ich habe Ihre Geduld mit den von uns selbst und unseren Kollegen zusammengeschusterten Wort-Verschraubungen nicht zu sehr strapaziert: hier noch ganz kurz der Clou der Geschichte:

1. TEM: Etwas später (na ja, Sie wissen ja, da sind locker ein paar Wochen ins Land gegangen) stellt sich auf meine Nachfragen in der Verwaltung heraus, dass das HBFG für das TEM gar nicht zuständig ist. Das Geld dazu ist für die Universität „aus anderer Quelle“ sichergestellt...

2. Waschung von Berufungsmitteln: In 2004 wird niemand mehr berufen (und es ist inzwischen schon August), damit kommt auch kein HBFG Antrag eines Neuberufenen mehr. Es kann also nichts gewaschen werden.

Sogar Rektorat und Verwaltungsspitze haben sich offenbar zu diesem Schwach- sinn beschwatzen lassen: am 2. Juli 2004 erhalte ich unter Bezug auf meinen An- trag vom Dezember 2003 die lakonische Mitteilung,

„Aufgrund weiterer Einsparverpflichtungen ist es leider nicht möglich, für die Jahre 2004 und 2005 den Großgeräteantrag aus Ihrer Abteilung zu berücksichtigen.“

Soll das eine Erläuterung sein? Oder gar eine Begründung? Einsparverpflichtungen – so ein Quatsch, dies sind Bundes- und Landesmittel und in jedem Fall zusätzliche Gelder für die Universität.

De facto ist dies ein uni-internes Verbot der Drittmitteleinwerbung, insbesondere solcher, die über Begutachtungen vergeben werden: absurd wird dieses erst richtig durch das uni-interne Ranking nach der Höhe der eingeworbenen Drittmittel!

Und die Uni selbst kann auch nur verlieren, da das bundes- und landesweite Ranking genauso auf den Forschungsmitteln beruht.

Fazit: in diesem ganzen hochintelligenten und urgeschwülstigen Gemauschele von Amateurmauschlern wird das der Uni von Land und Bund zugestandene Kontingent für HBFG-Mittel 2004 verfallen und ungenutzt bleiben. Eigentlich sollte die Uni doch froh sein, dass überhaupt jemand aktiv wird und sich die Arbeit macht und einen Antrag aufsetzt: von der Statistik der tatsächlich ausgearbeiteten Anträge (in 2004: einer!!) her ist es beliebig unwahrscheinlich, dass einer der neu zu berufenden Kollegen tatsächlich einen HBFG Antrag zusammenschreiben wird.

Wenn es denn zu viele wären...

Und selbst wenn wider Erwarten mehr Anträge zu HBFG gestellt und von der DFG positiv beurteilt würden als das wiedereinmal gekürzte Budget von Land und Bund zulassen würde, und die Uni am Ende mit eigenen Mittel einspringen sollte, dann kann die betroffene Uni ja immer noch diesen lakonischen Brief verwenden „...das Geld ist leider nicht da...“ und an die Adressen schicken, die bei der Begutachtung durch die DFG am wenigsten gut beurteilt wurden.

Unsachliche Ablehnung

Uns bleiben für die nächsten Jahre die alten Geräte ohne Ersatzteile und die massiven Probleme mit unseren Sequenzierarbeiten. In der Medizin haben wir immerhin eine Maschine gleicher Bauart wie unsere gefunden, die dort natürlich längst ausgemustert ist und die wir benutzen dürfen – immerhin gibt es dort noch nette Leute.

Nur um es noch einmal klar zu stellen: die unsachliche und unbegutachtete Ablehnung mit den Argumenten von Winkeladvokaten ist nicht tragbar. Wenn die Fachgutachter, DFG, Bund und Land meinen Antrag nicht für wichtig und interessant halten und ablehnen, dann haben der Antrag und ich das ziemlich sicher verdient...okay.

Vorschlag für die Zukunft: Die gestellten Anträge (i.e. meiner aus dem Dezember 2003) zur Begutachtung einreichen und gucken, was die fachlich kompetenten Gutachter der DFG dazu sagen. Und eine „Kommission“ gründet nur jemand, der zu feige ist, hinter seiner eigenen Entscheidung zu stehen und sich hinter einem pseudodemokratischen Deckmäntelchen verstecken muss. In Zukunft lieber Fachleute über die gestellten Anträge entscheiden lassen, anstatt zu versuchen, besonders hintenherum zu sein und die fachliche Begutachtung und damit die Mittelvergabe nach Leistung durch lokale Amateurpolitik und Schlaumeierei auszuhebeln.