Überkopf – wohin mit dem Overhead

Axel Brennicke


Editorial

(01.03.2005) Die Zeiten sind schlecht, das Geld ist knapp. Da muss man sich schon etwas einfallen lassen, um an die heiß begehrte Penunse heran zu kommen. Und was macht man damit, wenn man sie ergattern konnte? Richtig: erstmal waschen.

In den USA ist alles besser, dort gehören zu allen Drittmitteln saftige Anteile, die für indirekte Kosten bestimmt sind, der sogenannte Overhead. Nicht nur das dreizehnte, sondern auch das elfte und zwölfte Monatsgehalt des Antragstellers müssen da drinnen stecken, und die Miete für die Labors und Büros geht davon ab.

Eigentlich eine gute Idee: über das Begutachtungssystem werden je nach Leistung Gehalt und Platzbedarf verteilt. Dadurch werden die aufreibenden Universitäts- und Fach-internen Diskussionen umgangen, wem wie viel zusteht. Die Uni Ulm hat ein ebenso einfaches wie elegantes System etabliert, nach dem ein großer Teil der „normalen“ Haushaltsmittel entsprechend den Drittmitteln stressfrei nach Leistung verteilt werden: auf alle Drittmittel gibt es einen Bonus aus dem Uni-weiten Topf. Die Landesregierung Baden-Württemberg vergibt analog einen Teil der Gelder an die Unis im Ländle.

Noch gibt es von deutschen Drittmittelgebern wie der DFG und in Österreich vom FWF keine direkten Overheads, aber sie sind in Arbeit, viele Universitäten fänden das so richtig klasse, rechnen sich zusätzliche Mittel aus und vergessen, dass dafür natürlich weniger „normale“ Mittel von den Landesregierungen kommen werden. Bisher geben nur die Bürokraten in Brüssel extra Prozente für die Institutionen, an denen die Antragsteller arbeiten.

Editorial
Griff in die Trickkiste

Aber bereits diese ungewohnt bei den Universitäten eingehenden, eher bescheidenen Overheads verlocken offensichtlich unwiderstehlich, einen Griff in die falsche Trickkiste zu tun. Gewohnt sind unsere europäischen Universitäten, dass die Hintergrundkosten von den Ministerien überwiesen werden. Die Unis sagen, dass sie in Zukunft einen Teil der eingeworbenen Forschungsmittel für ihre Dienstleistungen haben wollen. Das ist legitim und völlig okay. Im Moment aber müssen die pauschalen Überweisungen von den Ministerien noch halbwegs die Kosten der Verwaltung decken, und die Universitäten stehen vor der kniffligen Aufgabe, was sie jetzt mit den ersten Geldern aus den Overheads zum Beispiel von Brüssel machen sollen.

Die Universität in Graz hat nun ein elegantes System aufgebaut, diese Mittel ganz uneigennützig wieder in die Forschung zu geben – zumindest zum Teil. Von den Overheads richtet die Uni Graz einen Fonds für die Förderung von neuen Projekten ein. Daraus sollen die Vorarbeiten von jungen Nachwuchswissenschaftlern finanziert werden, die für jedes neue Projekt von dem österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) verlangt werden. Das ist ja noch ganz in Ordnung. Aber daneben sollen auch Bereiche gefördert werden, die vom FWF kein Geld bekommen.

Förderung für Nichtgeförderte

Lassen Sie uns kurz überlegen, was das heißt: Von den eingehenden Forschungsmitteln, also den eingeworbenen Drittmitteln eines erfolgreichen Antragstellers will die Universität Graz anderen Forschern Geld für Projekte geben, die der Drittmittelgeber nicht fördern würde. Noch mal: die Uni-Administration will Forschungsmittel aus einem Projekt mit definiertem Thema und Ziel abziehen, um ein anderes Projekt zu finanzieren, das der FWF und andere Geldgeber nicht gut genug für eine Förderung finden und für das sie kein Geld geben würden. Ob der Geldgeber das gut findet? Ob der erfolgreiche Antragsteller das für eine gute Investition hält?

Ganz abgesehen davon, dass der Projektleiter gerade in knappen Zeiten und großzügigen Kürzungen wirklich alles Geld benötigt, um auch nur halbwegs die im Antrag beschriebenen Arbeiten finanzieren zu können, soll er dann noch Geld abgeben für Leute, die selbst keine eigenen Anträge schreiben oder durchkriegen? Sind sie nur zu träge oder schüchtern? Oder sind deren Arbeiten nicht gut genug für eine erfolgreiche FWF Begutachtung? Genau das ist aber das explizite Ziel der Uni Graz: mit den Overheads nicht FWF-fähige Projekte zu unterstützen.

Die (im Prinzip) ebenso wie bei der DFG hervorragend funktionierende Begutachtung des FWF soll also ausgehebelt werden, und ein eigenes Bewertungssystem wird an der Uni erschaffen.

Die Uni Graz ist aber nicht die einzige, die diese Gelder gut-meinend aber falsch einsetzt (veruntreut?): Verwunderte Kollegen von ganz weit oben im Norden erzählten mir, dass ihre Uni dort von den Overheads Plätzchen kauft. Dabei finde ich das weniger schlimm, denn immerhin kommt dabei noch ein Teil den erfolgreichen Antragstellern und Geld-Einwerbern selbst zu Gute. Leider aber profitieren auch die Nicht-Erfolgreichen davon, da sie alle Zugang zu diesem Topf mit gewaschenem Geld haben. Man will ja nichts unterstellen – aber wer kann schon nachvollziehen, ob tatsächlich die gesamte Knete aus dem Overhead in den Vergnügungstopf geflossen ist? Wer kann bei den diversen Waschvorgängen herausfinden, ob nicht unterwegs für noch ganz andere Dinge sauberes, ungebundenes Geld nötig war? In der Tat kommen viel weniger Plätzchen auf den Tisch als bereits jetzt dort an diversen EU-Geldern eingehen...

Plätzchen, drittmittelgefördert

Das Gleiche passiert natürlich auch in Graz: dort werden bisher 5 % der Overheads in dunkle Kanäle der Uni geschleust; derzeit wird versucht, diesen Anteil zu erhöhen und 15 % abzuzapfen. Den Instituten und ihren Direktoren soll die Zustimmung dazu abgekauft werden – mit einem Anteil von 7,5 %. Dass aber auch massive Overhead-Zahlungen manchmal nicht reichen, um alle Begehrlichkeiten abzudecken, zeigen die Verhandlungen um ein von der Industrie voll finanziertes Projekt, von dem brav kostendeckende Overheads in die Uni-Kassen fließen sollen. Dessen aber nicht genug, meint die Uni Graz: auch an den in Zukunft vielleicht erarbeiteten Patenten will sie kassieren dürfen – obwohl sie keinen Beitrag zu dem Projekt leisten will und den Service der Uni ja schon für die Overheads verkauft.

Es sieht so aus, als ob unsere Hochschulkultur (noch) gar nicht reif ist für Overheads. Die Grundfinanzierungen direkt aus der öffentlichen Hand sind schon so lange etabliert, dass das System verloren vor diesen Mitteln steht. Realistisch zu befürchten ist natürlich, dass diese Grundmittel sofort um die Overheads gekürzt werden, um die aber die Budgets der Forschungsförderer, etwa der DFG, noch lange nicht aufgestockt werden.

Saubere Lösung

Ein Vorschlag für ein einfacheres und saubereres System, die gelegentlichen Overheads der Drittmittel unterzubringen: Warum kann man sie nicht gleich den Antragstellern lassen? So wie es in Ulm geschieht. Die Universität Graz könnte dieses Geld der Presse als Belohnung verkaufen und das großzügige Verfahren an die große Glocke hängen. Das sähe gut und sauber aus. Keiner wird meckern können, weil ja exakt und entsprechend ihrer Einwerbung genau die Wissenschaftler die Knete kriegen, die sie verdient haben. Das wäre auch weniger umständlich und bräuchte weniger Verwaltungsaufwand – der dann mit Overheads finanziert werden müsste.