Doktorand und Student – wenn‘s so einfach wär...

Axel Brennicke


Editorial

(01.07.2006) Manche „Master of Science“ (MSc) scheinen mehr wert als andere. Und ob 49, 50 oder 54% – jede Doktorandin hat ihre eigenen Probleme. Ein neuerliches Beispiel, wie man sich im Dschungel verschiedener Vorschriften verirren kann.

Die Gschaftlhubereien der Einführung von Bachelor und Master sind politische Windeier, das ist schon klar (s. LJ 6/200, S. 28). Dass der Staat, der uns an den Unis befohlen hat, Bachelor und Master einzuführen, diese selbst nicht anerkennt und beispielsweise für Lehrer auf dem Zopf „Staatsexamen“ beharrt, das wundert uns auch nicht. Dass im Ausland BSc und MSc nicht gleich BSc und MSc sind, obwohl das der offizielle politische Vorwand für Bachelor und Master ist – das hatten wir auch schon mal an dieser Stelle. Jetzt bin ich aber doch überrascht (oder auch nicht), dass die gleiche Ungleichheit von MSc zu MSc schon längst von Amts wegen auch in Deutschland etabliert ist: Hoch lebe die Internationalität und Transparenz der neuen Bachelor und Master!

Folgendes ist passiert: Die neue Doktorandin hat an einer FH 10 Semester lang Biotechnologie studiert. Damit lag sie perfekt in dem an der FH normalen 5-Jahresplan der Regelstudienzeit. Und das, obwohl sie engagiert ihre MSc-Arbeit an einem Forschungsinstitut in den USA gemacht hat und nicht nur PCRs nach Kochbuch ansetzen kann (Deshalb haben wir auch gerne Ja zur neuen Doktorandin gesagt).

Editorial
Mehr- oder minderwertige Meister

Nun jedoch erlegt ihr die Promotionskommission auf, in den nächsten Jahren zusätzliche Vorlesungen, Seminare und Praktika mit mindestens „gut“ bestandenen Abschlussprüfungen zu machen, um sich als Doktorandin an einer Universität zu qualifizieren. Der Promotionsausschuss argumentiert, dass die Ausbildung an der Uni einfach besser sei als an der FH. Da man an der Uni auch länger studiere, wäre es erst recht ungerecht, den FH Abgängern das gleiche Recht einzuräumen – sonst würden ja alle an den FHs studieren und wir hätten zu wenig Studis an der Uni. (Fände ich gar nicht schlecht, nach den vielen Stellenstreichungen der letzten Jahre sind sowieso mehr Studis hier als wir angemessen bilden und betreuen könnten).

Nachfragen ergeben, dass die Regelstudienzeit an der FH zehn Semester bis zum MSc ist, an der Uni sind für das vollgültige Diplom acht Semester geplant. Bis zum Uni-MSc wird die Regelstudienzeit im Zuge der „Straffung und Beschleunigung der Ausbildung“ jedoch zehn Semester sein, durch die Studienzeitverkürzung also von acht auf zehn Semester ansteigen?? Danach wären die Ausbildungszeiten an FH und Uni gleich, im Moment jedoch an der Uni um zwei Semester kürzer, wiewohl argumentiert wird, dass sie länger sei – muss ich das verstehen?

Doktoranden zu 49, 50 oder 54%

Jetzt kommt der unwichtigere Teil: die Knete. Die Verwaltung bescheidet uns aus heiterem Himmel, dass eine FH-Abgängerin nicht „halb-vollwertig“ sei und deshalb nicht wie normale Doktoranden nach ½ BAT IIa eingestellt werden könne, sondern nur nach ½ BAT IIIa. Das heißt, dass die neue Doktorandin weniger bekommt als die Kollegin neben ihr.

Das ist in der Verwaltung selbst auch nicht anders: neben der Angestellten mit 38,5 Stunden Arbeitszeit sortiert eine Beamte die gleichen Akten 42 Stunden lang pro Woche. Bei den Stipendiaten ist das auch so: Vom DAAD („Die Welt zu Gast bei Freunden“) bis zur Eliteförderung der Deutschen Nation durch die volksdeutsche Studienstiftung (SdDV) bekommen die Auserwählten weniger als der Durchschnitt bei ½ BAT IIa. Das gleichen wir dann mit HiWi-Mitteln für die Betreuung von Praktika aus, die unsere Stipendiaten via Uni als Zubrot erhalten. Schließlich ist schwer einzusehen, warum die Elite nicht nur viel zusätzliche Arbeit mit Antragschreiben, Interviews, zusätzlicher Lehre usw. aufwenden muss, nur um am Ende weniger Geld zu bekommen als die Nicht-Elite. Bei aller Fürsorge und Unterstützung der Schwachen, ein bisschen soziale Gerechtigkeit sollte es schon noch geben.

Aber ob bei ½ BAT IIIa über die Uni auch eine HiWi-Zusatzspritze über die gleiche Uni geht, ist eine noch offene Frage – oder führt das zu Aufruhr in der Verwaltung? In jedem Fall wäre das für die durchweg kooperativen Mitarbeiter in der Personalverwaltung zusätzliche Arbeit mit zwei parallelen Verträgen.

Da hilft der Promotionsausschuss mit einer glorreichen Idee, die ich nur jedem empfehlen kann: man stelle solche minderen MSc-Absolventen mit 54 % statt mit nur ½ BAT IIIa ein, das ist gerade so viel wie 50 % (= ½) BAT IIa. Und der grandiose Hintergrund für diesen phänomenalen Tipp: der DFG (und der Uni) ist es egal, wenn auf einer vollen bewilligten ½ BAT IIa-Stelle 108 % ½ BAT IIIa bezahlt werden – so lange das nicht mehr kostet... Gesagt, gehört, getan.

Prima soweit. Nur logisch, dass jetzt sofort das nächste Problem auftaucht: Doktoranden, die studieren, sind Studenten. Das ist in allen Deutschländern und in deren Bund klar, es gibt ja auch haufenweise diese groß propagierten „Graduate Schools“ und Graduiertenkollegs, die demnach voll sind mit ... Studenten.

Halbe Sachen, oder mehr

Ganz normal will sich also auch unsere Doktorandin als Studentin einschreiben – und kommt geknickt zurück. Das ginge nicht, weil: „...Gem. §38 Abs. 5 LHG i.V.m. § 9 Abs. 1 LHG werden Personen, die eine Doktorarbeit fertigen und als Doktorand angenommen sind im Rahmen der von der Promotionsordnung festgelegten zulässigen Höchstdauer als Doktorand immatrikuliert, wenn sie nicht bereits auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses Mitglieder der Hochschule sind. Mitglieder der Hochschule sind an der Hochschule nicht nur vorübergehende oder gastweise hauptberuflich Tätige. Hauptberuflich ist die Tätigkeit, wenn die Arbeitszeit mindestens die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit umfasst.“ Was machen wir nun mit unserem genialen 54 % BAT IIIa? Das ist eindeutig mehr als „mindestens die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit“. Regelmäßig? Von den Doktor-Studenten erwartet jeder an der Uni für die halbe Stelle regelmäßig Einsatz von mehr als 40 Stunden pro Woche – auch die Betroffenen selbst.

Das gleiche Problem haben natürlich auch die armen 50 % BAT IIa-ler: auch diese graduierten Studenten erhalten keine Immatrikulation und keinen Studentenausweis, auch die gelten als arbeitende Bevölkerung.

Möglich, aber illegal

(Übrigens, in den USA ist doch alles besser. Dort sind nicht nur Bachelor und Master nein dort sind sogar die Postdocs als Studenten eingeschrieben und bekommen einen Ausweis – ich kann Ihnen meinen eigenen gern zeigen! (OK, OK, der ist schon ziemlich alt und nicht mehr gültig...) Über die Doktoranden als Studenten diskutiert jedoch hierzulande niemand im Rahmen des „Vorbilds USA“.)

Wir halten Rücksprache mit den freundlichen und hilfsbereiten Mitarbeitern in der Personalverwaltung der Uni und finden heraus, dass zusätzliche Bezahlung via HiWi-Mittel zur Betreuung von (Groß-)Praktika im Labor etc. doch möglich ist. Also bitten wir das Dezernat für Personal, diesen Vertrag auf 49 % BAT IIIa zu ändern, um die Einschreibung als Student zu ermöglichen. Den Rest würden wir aus HiWi Geldern dazusteuern. Und nun erfahren wir, dass dies zwar möglich, aber doch nicht möglich, weil illegal ist:

„Sehr geehrter Herr Prof..., die Änderung der Arbeitszeit ... auf 49% der Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Mitarbeiters ist leider nicht möglich. Frau ... hat derzeit einen Arbeitsvertrag über 54% der Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Angestellten und kann sich damit nicht als Doktorand immatrikulieren, da sie bereits im Rahmen dieses Beschäftigungsverhältnisses Mitglied der Hochschule ist. Die Universitäten wurden mit Schreiben des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst vom 25.04.2005 auf die Einhaltung der Gesetzeslage in Bezug auf § 38 Abs. 5 und § 9 Abs. 1 LHG hingewiesen. Die Reduzierung der Arbeitszeit ... auf 49% würde eine offensichtliche Umgehung der o.g. Regelungen darstellen und nur zum Zweck der Immatrikulation dienen. Dies ist nicht zulässig (vgl. auch Landtagsdrucksache 13/4055).

Wenn die Arbeitszeit jedoch in einem Umfang reduziert wird, bei dem eine offensichtliche Umgehung der o. g. Regelungen nicht mehr hervorgeht (Reduzierung der Arbeitszeit auf mindestens 25 % der regelmäßigen Arbeitszeit) könnte sich Frau ... auch immatrikulieren. Sollte die Reduzierung der Arbeitszeit in diesem Umfang gewünscht werden, bitte ich Sie mir dies kurz mitzuteilen.

Es tut mir leid, Ihnen keine bessere Nachricht zukommen lassen zu können...“

Vorlesungen? Ach ja...

Schade, auch bei allem Wohlwollen kann die Verwaltung hier nichts gegen die Landtagsdrucksachen unternehmen, das ist klar. Und wir können auch nichts mehr tun, der Tag ist rum, können höchstens der nicht-studierenden Studentin ein Trost-Bier ausgeben.

Nota bene! Manchmal werde ich von normalen Menschen gefragt, was man denn an der Uni so macht, womit ich den Tag so verbringe und wofür ich mein Gehalt bekomme,... Wenn ich dann von solchem Hin-und-Her berichte, sind alle Normalen enttäuscht und fragen noch mal nach: Keine Vorlesungen? Keine Forschung? Ich frage zurück: Wann denn?

Übrigens: Jetzt ist Sonntag Mittag – ich habe diesen Text außerhalb meiner normalen Arbeitszeit geschrieben. Selbstverständlich, wann denn sonst?