Basar für das Labor

Axel Brennicke


Editorial

(01.10.2006) Wer den günstigsten Anbieter finden will – für Taq-Polymerase, Eppis oder Kämme für Agarosegele – muss vor allem eines haben: Geduld. Doch die allein reicht nicht. Sachkenntnis und Verhandlungsgeschick helfen darüber hinweg, dass die Kaufmänner auf die Frage nach Endverbraucherpreislisten mit Heiterkeit reagieren.

Die Eppis sind alle. Und autoklavierbares Klebeband mussten wir schon vom Nachbarlabor leihen. Typisch: Eigentlich sollte die oder der, der das vorletzte rausnimmt und den vorletzten Sack mit Eppis aufreißt, die Bestellung in die Wege leiten. Nach eindrücklicher Mahnung klappt das auch einigermaßen – für zwei bis drei Monate, dann siegen wieder Vergesslichkeit und Bequemlichkeit.

Aber das ist ein langweiliger Dauerbrenner und ein Nebenschauplatz, jetzt muss erst mal dringend neues Tape bestellt werden, Restriktionsenzym Sma I und frische Taq müssen her. Genauso wollen ein paar neue Kämme für die Agarosegele gekauft werden, ohne Zähne keine Taschen. Also: Kataloge rauskramen, Bestellnummern raussuchen, Preise aufschreiben und zusammenzählen. Welche Firma ist die billigste für eine einigermaßen zuverlässige Taq? Was kosten Kämme bei den Firmen A, B oder C? Diese Frage nur annähernd richtig zu beantworten bringt uns zum heutigen Hauptschauplatz. Dies ist ein Tagewerk, das nur im frustrierten Energiestau enden kann.

Editorial
Vorbildfreies Haushalten

Wenn man an einer Uni durch Kürzung nach Kürzung (Politisch-euphemistisch: Solidarisierungspakteinhaltungsverpflichtung und Strukturanpassungsmaßnahmengesetz zur Förderung der Universitäten) gebeutelt ist, also nicht so relativ im Geld schwimmt wie medizinische Forschung, BMBF-Schwerpunkte (Sorry, neudeutsch: Heavy Points) oder MPIs, ist man leider gezwungen, die jeweils effektiv günstigsten Preise zu ermitteln, wobei jeder Euro wichtig ist.

Das ist im Prinzip auch in Ordnung und selbstverständlich: Natürlich muss jeder mit dem anvertrauten Geld des Steuerzahlers besonders sorgfältig umgehen, eben (nicht) so, wie es uns unsere Regierung täglich vormacht. Bei seinem eigenen Geld kann man immer sagen, es ist billiger, nebenan beim kleinen Dorfladen etwas mehr zu zahlen als extra fünf Kilometer zum ALDI zu fahren, aber bei den Steuergeldern muss man das immer auch mit Vor-Rechnungen und Formularen belegen können. Aber wir wollen ja wirklich so effektiv und günstig mit den uns vertrauensvoll zur kontrollierten Verfügung gestellten Geldmitteln umgehen und versuchen, die jeweils günstigsten Einkaufspreise zu ermitteln.

Bleiben wir mal bei einem simplen Kauf von Taq-Polymerase: wenn es dazu zehn Anbieter gibt (Listen im Laborjournal sind da sehr hilfreich), so haben mindestens sieben Läden unterschiedliche Definitionen von Aktivität. Und selbst wenn es sich gleich anhört, so sind die µg von Firma A nicht gleich den µg von Company B...von Units ganz zu schweigen...

Na gut, da muss man eben Bescheid wissen oder jemanden kennen, der einige Produkte und Anbieter ausprobiert hat. Schreiben wir mal die Preise heraus, begeben wir uns auf die Komplexitätsstufe II: Man darf nämlich nicht vergessen, dass die eine Firma fünfzig Euro für Verpackung und Transport verlangt, die andere zwar nur dreißig Euro – aber dafür eine Eispauschale von dreißig Euro haben will. Die dritte will fünfundvierzig Euro für Eis und Post zusammen, aber dafür nimmt sie einen Mindermengenzuschlag von zwanzig Euro, wenn man nicht für mehr als dreihundertfünfzig Euro bestellt. Halt – den hatte Laden eins auch, das waren dort sechshundert Euro...

Telefonmarathon

Ok, dann haben wir dies berechnet und berücksichtigt und fangen jetzt mit der eigentlichen Arbeit an: anrufen bei Firma eins, zwei, drei, ... und fragen, was ist der wirkliche Preis, wie ist es mit Rabatten (K-Stufe III)...Und siehe da: die Preise im Katalog sind nicht einmal relative Richtwerte, sondern totale Makulatur. Firma eins gibt fünfzehn Prozent, Firma zweifünfundzwanzig Prozent, Firma drei zwanzig Prozent und so weiter.

Aber: Wenn wir sagen können, dass wir immer bei Firma zwei bestellen und im Jahr für mindestens zweitausend Euro Stoff abnehmen, dann lassen sie fünfunddreißig Prozent nach – aber wohlgemerkt nicht auf alles, sondern nur auf Enzyme, die mit den Buchstaben P bis Z anfangen und zusätzlich auf Verbrauchsmaterial zu Geräten, die mit Spannungen von 110 V arbeiten. Da muss man schon genau nachgucken.

Firma sieben hat ein etwas anderes Rabattsystem, das vom ersten Telefongespräch bis zum Besuch eines schnieken Vertreters langsam evolviert, bis die Rabattstaffelung ganz einfach so aussieht, dass wir zweimal im Jahr für Studentenpraktika die Enzyme mit fünfzig Prozent Rabatt kaufen dürfen, die von der Firma selbst produziert werden, während die in Kommission für andere Hersteller in Estland oder auf der Kamtschatka vertriebenen Enzyme nur mit vierzig Prozent Rabatt verkauft werden können. Das gilt für Enzyme. Normale Chemikalien in Pulverform bei der zweitkleinsten Abgabemenge und in Flüssigform bei der mindestens drittkleinsten Abpackung werden großzügig mit fünfunddreißig Prozent Ablass verkauft.

Das waren die zweimal im Jahr Praktikumsbestellungen. Die normalen Zwischendurchaufträge geben leider nicht so viel, da gibt es xy Prozent für Produkte, die bei über 20 °C geliefert werden können, xy minus zwei Prozent für Zeug, das bei Licht nicht schlecht wird, xy plus drei Prozent bei Produkten mit Bindestrich im Namen ...

Lachende Kaufmänner

Jetzt denken Sie, der ist ja auch bescheuert, das kann doch alles der zentrale Einkauf an der Uni machen oder die Uni-Apotheke oder wie immer diese Stelle heißt: Die verhandeln für die gesamte Uni und können Verträge über ganz andere Volumina ausmachen: mit Bestellsummen von 10.000 Euro und mehr pro Jahr kann man mit ganz anderem Druck auf die Firmen um Rabatte verhandeln.

Tja, aber leider funktioniert das nicht. Die Leute in den Zentralen müssen nicht DFG-Anträge für das Geld schreiben, denen werden nicht die Haushaltsmittel in schöner Regelmäßigkeit jedes Jahr gekürzt – denen ist es egal, was wir zahlen. Leider. Beispiel: das zentrale Isotopenlabor der Uni hatte Lieferpreise für radioaktive Nukleotide ausgehandelt, die gerade mal zehn Prozent unterhalb der Katalogpreise lagen. Als wir für nur eine Abteilung der Uni allein mit der Firma vierzig Prozent Rabatt selbst ausgehandelt hatten, schloss sich die Zentrale an und vereinbarte das Gleiche für die ganze Uni. Als Ausgleich nimmt das zentrale Isotopenlabor dafür inzwischen Nutzungsgebühren unter anderem für die zentrale Bestellung...

Wo sich alle Firmen einig sind, das ist das wirklich Illegale: Alle, aber auch alle Preisangaben sind ohne Mehrwertsteuer. Versuchen Sie einmal vorsichtig, von den Firmen Endverbraucherpreislisten zu bekommen – die Kaufmänner lachen nur. Halt, vielleicht sind die Preisangaben ist ohne MWSt auch gut für alle, denn: bei der neuen Mehrwertsteuer von neunzehn Prozent muss man sowieso alles neu ausbaldowern.

Verbesserungsvorschläge?

Sie sehen, wenn wir also wissen wollen, wie viel wir am Ende des Tages wirklich für unsere Taq zahlen müssen, und wenn wir günstigst einkaufen wollen, dann gibt es eine Menge zu rechnen. Bei unseren Stundenlöhnen zwischen acht und achtunddreißig Euro (entspricht dem eines Klempners oder Flaschners) rechnen sich nach zwei Stunden Rumtelefonieren und Verrechnen nur Einsparungen von dreißig Euro und mehr, oder habe ich mich verrechnet? So würde man mit seinem eigenen Geld kalkulieren, aber da es über die eigene Verschwendung von Zeit und Ressourcen keine Belege gibt, können wir dies nicht mitrechnen.

Jetzt fragen Sie: Wie können wir’s besser machen? Nicht nur meckern, positive Vorschläge machen! Also:

  • Auf dem Flohmarkt üben?
  • Nächste Pflicht-Exkursion auch für Studenten in den Vorderen Orient zum Training im Basar?

Quatsch beiseite:

  • Wir machen einen Exklusivvertrag mit einer Firma, kriegen einigermaßen Rabatte und nennen diese Firma offiziell automatisch den günstigsten Anbieter (das spart eine Menge Herumsuchen, aber das Forschungsgeld ist im Nu alle)
  • Wir sagen allen Firmen, wir gucken ab jetzt nur noch nach den Listenpreisen, vergleichen diese und kaufen beim Günstigsten (spart eine Menge Telefonzeit und überhaupt: Zeit). Dann wären die Listenpreise echt und fertig – man nannte das früher Preisbindung.

Das Problem hierbei ist, dass alle in D’land konsequent mitmachen müssten...

Einziger Trost: Kein Rechnungsprüfer der Innenrevision wird jemals die Berechnungssysteme der Firmen durchschauen – wir sowieso nicht – aber, wer weiß: Für die beamteten Papiergucker ist das ihr Hauptjob, ihre eigentliche Arbeit, während wir unwillige Amateure sind und durch die Preissuche nur wertvolle Arbeitszeit sinnlos verplempern...