Nutzen und Nutzung von Titeln

Axel Brennicke


Editorial

(01.01.2007) Mit der neuen Grundordnung an der Universität Ulm erhalten auch die Uni-Ämter neue Namen, verknüpft mit einem – scheinbaren – Aufstieg in der Uni-Hierarchie. Axel Brennicke geht dies noch nicht weit genug: Er plädiert für die Einführung neuer Ehrentitel für spendenfreudige Mitbürger nach englischem Vorbild, samt schmucken Abzeichen und teuren Zeremonien.

Der Tag, an dem ich Direktor wurde, war eigentlich wie jeder andere: von Stichen habe ich an diesem Stichtag nichts bemerkt und „Direktor” hat sowieso keiner zu mir gesagt. Außer mir, und auch ich habe das nur heimlich vor dem Spiegel auf dem Klo geflüstert, gerade so laut, dass es noch bis in die roten Ohren kam. Aber was ich da gesehen und gehört habe, war nicht sehr überzeugend, auf keinen Fall war es erhebend.

Niemand hat sich darum geschert, dass ich jetzt Direktor eines Instituts geworden war, anstatt wie vorher bloß mit dem ziemlich unprätentiösen Titel eines Abteilungsleiters durchs Leben zu gehen – dabei kommt „Direktor” doch ganz anders daher. Jetzt lohnt es sich endlich, die Stellung in der Universitätshierarchie auch auf die Visitenkarte drucken zu lassen, mit der man endlich den Meister in der Autowerkstatt ordentlich beeindrucken kann, so dass er dem neuen Status angemessen lässig zwanzig Prozent mehr auf die Rechnung aufschlagen kann. Natürlich wie immer ohne Erfolgsgarantie, die Lenkung schlappert weiter wie bisher, aber solche Nebensächlichkeiten müssen dem Direktor eines Instituts an seiner Wichtigkeit vorbei laufen.

Editorial
Überfällige Neuerungen

Ich bin wirklich froh über die neue Grundordnung der Universität, die jetzt endlich die von 2002 ersetzt. In dieser Grundordnung unserer Provinzuniversität gibt es viele Neuerungen und äußerst vernünftige Begriffsklärungen, die längst überfällig waren.

Die Universität wird nicht mehr von einem Rektor geleitet, sondern sie wird von einem Präsidenten regiert. Bisher ist noch nichts bekannt von einer Einteilung in verschiedene Phasen zur Eingewöhnung in die neue Nomenklatura, bei der sich zwar nicht die Personen, sondern nur die Titel geändert haben, die aber dennoch eine gewisse Anpassungstoleranzphase erfordert. Ein solcher allmählicher Übergang könnte sich an den Phasen bei der Einführung des „Corporate Design” der Universität orientieren, die wie beschrieben die schwer wiegenden Neuerungen beispielhaft gestuft einführen (Laborjournal 12/2006, S. 24).

Als letzter Schritt, sozusagen als i-Tüpfelchen, wäre es doch sicherlich sehr schön, auch und gerade für die Wirkung nach außen, wenn wir nicht bloß von einem normalen Präsidenten angeführt würden, wie es im Moment vorgesehen ist. Das wäre technisch und definitionsmäßig ganz einfach: Wenn sich zum Beispiel die Institute zu einem Institutsbund zusammenschlössen, dann könnten wir von einem „Bundespräsidenten” unsere Befehle erhalten. Oder wenn das Präsidium ganz einfach beschließt, die Universität zu regieren, dann hätten wir schon einen „Regierungspräsidenten”. Das wäre doch noch mal besser als so ein ganz schlichter Präsident. Denn Präsident heißt ja nichts anderes als „Vorsitzender”, und wird normalerweise in der Politik für das „Staatsoberhaupt in einer Republik” (aus dem „Duden”, 21. Auflage) gebraucht. Vielleicht würde mir „Institutspräsident” genau den Kick geben, für den der „Institutsdirektor” nicht gereicht hat?

Möglicherweise ist das bereits insgeheim vorgesehen für die zweite Phase der Anpassung der Universität an die Corporations der freien Wirtschaft in Amerika. Eine solche konsequente Weiterführung ist sicher noch geheim, um uns normale Mitglieder der Universität nicht zu überfordern, aber diese Fortsetzung ist von den noch fehlenden Anpassungen eindeutig ableitbar: so fehlt zum Beispiel noch vollständig die Einführung des Titels Chief Executive Officer (CEO).

Ebenso ist die Hierarchie zwischen Präsidenten und Rektoren in den USA oft so, dass ein Direktor über einem Vizepräsidenten steht, welcher wiederum der Boss von einem Associate ist. Über dem Direktor steht der Managing Director, und über dem wiederum stehen nur noch die Leute mit dem Geld, denen die Firma eigentlich gehört. An der Universität wären das die Steuerzahler des Bundeslandes beziehungsweise der Bundesrepublik.

Titel gegen Geld

Apropos Leute, die Geld geben für die Universität: einige solcher Titel sollten für spendenfreudige Mitglieder unserer Gesellschaft reserviert beziehungsweise geschaffen werden. So könnten in Abstufungen für die Höhe der gespendeten Gelder einzelne Ehrenbezeichnungen vorgesehen werden. Bisher gibt es dazu lediglich den oben erwähnten Titel eines Ehrensenators oder einer Ehrensenatorin der Universität, eine Würde, die im Moment mit einer größeren, aber undefinierten, für die Steuerminderung wirksamen Spende an die gemeinnützige Einrichtung Universität erworben werden kann.

Wie zu Bachelor, Master und College können wir auch hierzu viel von den angelsächsischen Ländern lernen. Ein professionelles Beispiel etwa ist das International Biographical Centre (IBC) Cambridge in England. Dieses wurde analog zu vielen solchen Einrichtungen in den USA ausschließlich dazu gegründet, Zertifikate und Titel zu erfinden und diese an entsprechend bedürftige Mitbürger zu verkaufen. So kann man sich zum Beispiel zum Mitglied der Outstanding Scientists Worldwide erklären lassen. Ein derartiges Zertifikat in der Größe von 11 x 16 Zoll gibt es bereits für 105 £ (ohne Rahmen), eine entsprechend gravierte „hochwertig versilberte” Medaille kann für 195 £ erworben werden. Für beide zusammen gilt der Sonderpreis von lediglich 270 £, ein echtes Schnäppchen.

Wer kein Wissenschaftler ist, und das sind viele Leute, die Geld haben und als potentielle Spender für die Universität durchaus in Frage kommen, gibt es den neutraleren Titel „International Professional of the Year 2007” vom IBC zu erwerben, der mit einer mehrfarbigen Urkunde mit Bild dokumentiert wird. Die Medaille kostet wie oben 195 £, hier lässt sich aber alternativ auch eine handbestickte offizielle Schärpe als Zeichen des Amtes zum gleichen Preis erstehen.

Aber erst alle drei Dokumentationen zusammen verleihen die richtige Würde und sind zum Paketpreis von 525 £ inklusive Versand äußerst preiswert zu erwerben. Wem auch dieser Titel noch zu speziell ist, der kann ganz unverfänglich sich selbst und die Wände seines Büros mit dem „Plato Award” schmücken, der wiederum als Urkunde oder als Medaille erhältlich ist.

In diesem Bereich der Erschließung privater Geldquellen und der entsprechenden Honorierung der edlen Spender mit wohlklingenden Titeln, dokumentiert durch kostengünstige, aber optisch beeindruckende Zertifikate, Medaillen und Schärpen, können unsere Universitäten in Deutschland noch einiges lernen, um die eskalierenden Heizkosten bei gleichbleibenden Zuwendungen von den Bundesländern und steigenden Studentenzahlen wenigstens halbwegs abzufangen.

Originelle Ehrungen

Dabei sollten die Universitäten sich nicht hinter kleinlichen Tabus verschanzen, sondern phantasievolle Abstufungen der Honorierungen vornehmen. So könnten zum Beispiel für Spenden von 100 bis 1.000 € mit dem Namen des Spenders bedruckte T-Shirts vergeben werden, mit denen der Titel „Mitglied im Spenderkreis der Universität XY” verliehen wird. 1.000 bis 10.000 € könnten auf einer in schwarz-weiß gehaltenen Urkunde mit dem eingeprägten Siegel der Universität anerkannt werden, die den Käufer zum „Spender der Universität XY” ernennt, 10.000 bis 100.000 € könnten den Titel „Ordentlicher Spender...” und eine oder mehrere Farben auf der Urkunde bringen. Alle Anerkennungen von mehr als 100.000 € würden dann schon abgestufte Teile der Zertifikate in Goldprägung erreichen, dazu könnte einer der Honoratioren der Universitätsleitung vielleicht einen entsprechend gravierten Pokal, bei den niedrigeren Rängen einen beschrifteten Zinnbecher oder einen Dachziegel mit dem eingebrannten Logo der Uni überreichen.

Ach ja, ganz wichtig ist die Zeremonie bei der Verleihung dieser verschiedenen Würden, Hochwürden und Urkunden! Hierzu ist ein äußerst festlicher Rahmen zu organisieren, in dem Abendgarderobe vorgeschrieben ist und Tischkarten bei festgelegter Sitzordnung (die selbstverständlich entsprechend der Spendensumme einzuteilen ist) verkauft werden. Diese sind mit den jeweils erworbenen Titeln auf handgeschöpftem Karton im Relief bedruckt, um die Bedeutung des Ereignisses jedem klarzumachen; zudem müssen sie mindestens 500 € kosten und haben so zusätzlich das Potential, zu begehrten Sammelobjekten zu werden, die wiederum in einschlägigen Online-Auktionshäusern für nicht zu vernachlässigende Gebote verkauft werden können.

Wichtig auch die strenge (doppelte) Kontrolle der Eintrittskarten, da diese einen enormen Andrang des Volkes assoziiert. Unabdingbar sind auch Sicherheitskontrollen von finster vor sich hinstarrenden Männern mit ominösen Tätowierungen und solchen in Anzügen mit Beulen unter dem Arm, die ein piepsendes Gerät über die Zutritt Begehrenden bewegen (dazu eignen sich kostengünstig alte Geigerzähler).

Aber das liegt noch in weiter Zukunft und erfordert vorerst eine erhebliche Anstrengung bei der Professionalisierung unserer Universität, die, wie wir gerade freudig festgestellt haben, auf dem richtigen Weg ist und immerhin universitätsintern mit der Einführung der neuen Titel begonnen hat. Ich bin schon sehr gespannt, wann ich meine ersten Paraphernalia zu dem Institutsdirektor bekomme und wie sie aussehen werden. Ich glaube, die Gürtelschnalle mit dem eingeprägten „Direktor” könnte ich gut gebrauchen, auch der Regiestuhl mit Name und „Institutsdirektor” wäre nicht schlecht im Büro, aber besonders praktisch für unterwegs, damit jeder gleich weiß, mit wem man es hier zu tun hat...