Ein Name mit Hall und Hauch

Axel Brennicke


Editorial

(01.03.2007) Die Universität Ulm wird sich demnächst nach Albert Einstein benennen. Dessen Person passt indes nur wenig zum künftigen Konzept der Ulmer Uni und bringt ihr zunächst vor allem eines: Kosten.

Endlich werden wir wer! Bisher hießen wir ziemlich langweilig bloß nach unserer Stadt – Universität Ulm (Uulm). Trübe wie jede andere Provinzuniversität, genauso einfallslos wie University of California Los Angeles (UCLA), University of California San Francisco (UCSF), Oxford University, University of Cambridge, Tokyo Univer- sity oder Massachusetts Institute of Tech- nology (MIT).

Gut, dass wir uns jetzt einreihen können in die anderen Universitäten mit langen und komplizierten Namen, von denen kein Mensch weiß, woher sie sich ableiten. Ich jedenfalls habe mich schon immer gewundert, warum die Eberhard- Karls-Universität, an der ich studiert habe, wohl so heißt. In Prag, in Ulm, in jeder anderen Stadt, die etwas auf sich hält, gibt es einen Karlsplatz ohne weiteren Vornamen, einer reicht ja. Aber solch penible Bürokratie scheint ein Markenzeichen der deutschen Universität zu sein, denn es gibt ja auch die Christian-Albrechts- Universität in Kiel (wahrscheinlich nach den Brüdern Albrecht genannt, nur hat man den Zusatz „Aldi-Nord” vergessen), die Knecht Ruprecht Universität in Heidelberg (Tschuldigung, musste natürlich Ruprecht-Karls-Universität heißen), die Albern-Ludwigs-Universität (Ach nein: Albert war es!) zu Freiburg, die Ludwig- Maximilians-Universität in München, bei der sicher bald der Zusatz „Edmund-” vor den Ludwig kommt.

Editorial
Karl? Welcher Karl?

Wer auch immer diese Leute waren – ob Clusterbildungen von mittelalterlichen Vornamen zum ach so modernen Profil der jeweiligen Uni beitragen, ist eine noch soziologisch zu untersuchende Frage.Da lobe ich mir die Ausnahmen, wie etwa die Freie Universität (FU), die Humboldt Universität (HU) oder die Fri- dericiana. Die Johann Wolfgang Goethe- Universität in Frankfurt ist vom Namen her schon wieder zu lang.

Ganz frisch getauft ist die Leibniz-Uni- versität zu Hannover – und hat klugerweise den „Gottfried Wilhelm” im Logo weg gelassen. Der neue Name bringt trotzdem einen gewissen Rechtfertigungsdruck, daher viele langatmige Erklärungen auf ihrer Webseite. Die Bauhaus-Universität in Weimar hat ebenso nur ein Wort im Namen, mit einem ebenso hohen Erken- nungswert – das ist kurz und knackig.

Übrigens sollte man bei den Neubenennungen immer die Abkürzungsmöglichkeiten bedenken, wie es uns EU und BMBF so genial vormachen (EU- REKA, GABI etc.). Das schafft Wiedererkennungswert auch in der Abkürzung und evolviert im Idealfall zum logischen Logo wie bei der FU Berlin. Analog wäre GWLU als prägnantes und einprägsames Markenzeichen der Universität Hannover zu entwickeln. Für Freiburg ergäbe sich die griffige Formal ALU, in Kiel CAU und Frankfurt ginge mit der JWGU auf die Straße.

Wo Einstein Windeln trug

Da hat sich meine Universität deutlich besser arrangiert und eine Persönlichkeit gewählt, die einen hohen Wiedererkennungswert hat und deren Namen fast jeder in Deutschland kennt: wir werden bald den stolzen Namen Albert-Einstein- Universität tragen! Und das zu Recht, immerhin verbrachte der Albert die ersten 18 Monate seines Lebens in der Stadt Ulm, wo der raue Wind von der schwäbischen Alb seine Windeln trocknete und so die ganze Gegend nicht nur mit seinem Geist fruchtbarer machte. An der Abkürzung müsste man indes etwas feilen, AEU ist noch nicht durchgestylt als griffiger Teil im Logo der Albert-Einstein-Universität Ulm.

Leider gibt es das kleine Problem, dass die juristische Erbin von Albert Einstein, die Hebrew University in Jerusalem, dieser Namensvergabe noch nicht zugestimmt hat. Wichtig ist, dass der Senat der Universität zugestimmt hat, was stören uns da juristische Kleinigkeiten, mögliche Geldforderungen, die die Hebrew University an die Albert-Einstein-Universität Ulm richten könnte oder gar ein kategorisches Verbot, den Namen überhaupt zu benutzen.

Der Mehrwert der Mogule

Es soll uns auch nicht stören, dass die Albert Einstein-Universität in den nächsten Jahren das ureigenste Arbeitsgebiet des Namensgebers, die theoretische Phy- sik, einstampfen wird. Stattdessen will sie anwendungsorientierte, Industrienahe „Forschungsarbeit” etablieren, um statt Wissen und Erkenntnis eng verzahnt mit den produzierenden Unternehmen Waren für den Verkauf zu produzieren.

Die Albert-Einstein-Universität dürfte damit unausweichlich auf das Niveau einer Fachhochschule abrutschen und kaum mehr neue und nachhaltige Ideen für das Auskommen unserer Kinder und derer Nachkommen gebären. Genau das, was Einstein auszeichnete, wird also an der Uni Ulm gerade abgeschafft.

Daher ist doppelt schade, dass zu- gleich leichtfertig die Möglichkeit verge- ben wird, einen richtig großen Geldgeber mit dem Namen der Universität zu ehren und sich dies honorieren zu lassen. Natürlich muss das jemand sein, der richtig viel Geld gibt. So viel etwa wie der ursprüngliche Finanzier der Stanford University, Eisenbahnmogul Leland Stanford, nach dem diese unbedeutende Klitsche heute noch heißt. Oder wie sein Konkurrent, der der Rockefeller University mit seinem Geld auch den Namen gab. Stanford und Rockefeller University kommen übrigens ohne Vornamen aus.

ALDI-Hörsaal und Schlecker-Turm

Die Vergabe von Namensrechten ist generell eine ideale Einnahmequelle für die Universitäten. Wobei sich dies je nach Spendenhöhe dezent abstufen lässt. Eine Vorreiterrolle spielt etwa die Fachhochschule Würzburg, die bereits einen „ALDI-Hörsaal” hat. Für Ulm würde sich ein „Schlecker-Turm” anbieten, für Hamburg vielleicht ein „Airbus-Lehrstuhl”, in Frankfurt die „Deutsche Bank-Labors” und in Köln das „Bayer-Kreuz-Gewölbe”...

Sie haben natürlich recht, Namen sind Klang und Qualm – und letztlich belanglos. Eigentlich überflüssig, dass Sie sich die Mühe machen, dieses zu lesen und dass ich mir die Mühe gemacht habe, dieses zu schreiben – wen interessiert schon ein Name. Leider sind Namensänderungen doch nicht ohne Konsequenzen: Sie kosten eine Menge Geld. Die Köpfe der Briefbögen müssen geändert, neue Visitenkarten müssen gedruckt werden, ebenso die von der Universität herausgegebenen und plötzlich veralteten Broschüren.

Dabei hatten wir all diese Dinge gerade erst geändert und uns auf den verbindlichen frisch gestalteten Logoentwurf unserer Uni eingestimmt (Laborjournal 12/2006, S. 24). Und nachdem wir mit dem neuen Logo auf dem neuen Briefpapier einige Monate später mit der Um- benennung der Abteilungen in Institute wiederum neues Briefpapier kaufen durften, wird der neue Name der Uni innerhalb von einem Jahr das dritte Mal dafür sorgen, dass wir alle diese Dinge neu gestalten beziehungsweise neu drucken müssen. Immerhin sind wir jetzt in Übung und beherrschen die einzelnen Schritte locker aus dem Stand. Jetzt kann uns nichts mehr erschüttern und wir werden auch die nächste Änderung in Profilneurotik, Farbcluster, Emblemkontrast oder Eliteschriftgröße problemlos bewältigen.

Und noch mehr wird die Umbenennung kosten. Schließlich soll der neue Name der Universität zu deren 40-Jahrfeier mit Lasershow und Feuerwerk eingeführt werden. Selbst wenn in bester Disco-Manier Albert Einstein mit Laserfingern in den Himmel geschrieben werden soll, wird die Programmierung von Vor- und Nachnamen so aufwändig werden, dass sie als Auftrag an externe Spezialisten ver- geben werden muss. Dadurch wird Geld verbraucht, das dann für die Heizung der Universität fehlt.

Laserschatten wirft auch das angekündigte „Attraktive Rahmenprogramm mit Volksfestcharakter” voraus, das plangemäß in ein „Nachtprogramm mit Musik” ausarten soll. Ebenso werden sicherlich die Aufräumarbeiten nach dem „Festprogramm im Botanischen Garten” erhebliche Kosten verursachen, die abseh- bar nur durch Kürzung der Ausgaben für Forschung und Lehre aufgebracht werden können. Ich weiß nicht, aber irgendwie erinnert dieses Programm an die Endzeit des Römischen Reiches, als die Zukunft aufgegeben worden war und man sich lieber in der Gegenwart amüsierte.

Eifrige Uni

Oh, hatte ich vorhin gesagt, dass ein Name im Prinzip total egal sei? Verzeihung. Einigen ist das sehr, sehr wichtig. Lassen Sie mich zur Berichtigung und zum Ausklang dieser Kolumne einige „Argumente, die für […] eine Namensänderung sprechen” aus der Diskussion im ehrwürdigen Senat der Universität zitieren:

  • „elementares Bedürfnis, sich auch/allein schon vom Namen her von der (Fach-) Hochschule Ulm abzugrenzen;
  • Bedürfnis der Universität Ulm, sich einen Eigennamen zu geben;
  • durch die Namensgebung könne auch weltweit Identität generiert werden […];
  • die Betrachtungsweise ‚zu große Schuhe’ sei ein rückblickender Bezug. Der Name Albert Einstein sei zukunftsweisend, es gelte, diesem Namen nachzueifern”

Na denn – eifern wir mal!