Weltoffenheit oder Selbstbetrug?

Axel Brennicke


Editorial

(01.04.2007) Unsere Bundesforschungsministerin strebt Neuregelungen für Ausländer an, die an deutschen Hochschulen studieren und hier ihren ersten Job aufnehmen. Weil es der Wirtschaft an Fachkräften mangele, sei es absurd, gute Leute vorzeitig nach Hause zu schicken.

Das ist sicher richtig und gut – schließlich wird es beliebig unmöglich sein, unter vier Millionen Arbeitslosen einen Ingenieur oder Computerfachmann zu finden. Das Geschrei „Fachkräftemangel” kann nicht nur Propaganda der Industrie sein, um die Löhne zu drücken. Niemand wird einem Unternehmer die Überlegung unterstellen: je mehr billige ausländische Ingenieure, umso höher der Profit. Sonst würden ja die über 25 Prozent Gewinne erwirtschaftenden Banken ihre Computerarbeiten in Bangalore machen lassen und nicht nach heimischen Computerfachleuten jammern.

Ungleichbehandlung an der Uni

Aber wie steht es mit unseren Universitäten? Studenten aus anderen Ländern mit unserer Hochschulausbildung zu beglücken, ist eine schöne Geste. Ist sie auch noch schön, wenn die eigenen Kinder benachteiligt werden? Wann streikt der Steuerzahler, dessen Kind hier nicht zugelassen wird und im Ausland horrende Studiengebühren zahlen muss? Wann weigert er sich, 20.000 Euro pro Jahr Gebühren in Yale und noch Steuern für die deutschen Hochschulen zu zahlen?

Editorial

Selbst wenn sein Kind in Deutschland einen Studienplatz findet, muss es dafür Studiengebühren zahlen. Der amerikanische oder chinesische Nachwuchs im gleichen Hörsaal studiert umsonst.

Sind bei uns wirklich zu wenig Ausländer eingeschrieben? Ein paar Zahlen:

In NRW studieren 43.000 ausländische Studenten – zum Vergleich: die Uni in Bielfeld hat 18.000 Studenten, die Uni in Münster 40.000. In Bonn studieren 31.000 Menschen, 5.000 davon ohne deutschen Pass. In Stuttgart sind 22 Prozent Ausländer eingeschrieben – insgesamt 4.300. Ein Drittel kommt aus China.

Heimisches Know-how

Klar, China braucht Ingenieure – wir aber auch oder? Ein Viertel ihrer Studenten bildet die Fachhochschule für Technik und Wirtschaft zu Reutlingen für den Ingenieursbedarf fremder Länder aus. Denn die meisten Ausländer werden wohl ihr Know-how mit nach Hause nehmen – sonst hätte die Ministerin ja keine Billiglohn-Initiative starten müssen.

Der Grund für die vielen Auswärtigen in Reutlingen sei, so heißt es nach (unqualifizierten) Politikervermutungen, dass diese FH bereits auf Bachelor und Master umgestellt habe.

Das mag, muss aber nicht so sein: An den Kunst- und Musikhochschulen sind ohne B und M noch mehr ausländische Studenten eingeschrieben: in Freiburg 47 Prozent, in Karlsruhe 45 Prozent. Haben Sie als Deutscher einmal probiert, einen Studienplatz für Musik oder Kunst zu ergattern? Dagegen wird Ihnen ein Platz in Medizin nachgeworfen.

Da die Beschilderung mit B und M nicht auszureichen scheint, um deutsche Studenten durch Ausländer zu ersetzen, wollen viele Unis noch weitergehen: Mannheim will den Semesterzyklus an die internationalen (sprich: amerikanischen) Zeiten anpassen und das Wintersemester nicht mehr Mitte Oktober bis Mitte Februar, sondern Anfang September bis Mitte Dezember laufen lassen. Besser wäre es, die Semester an das deutsche Schulsystem anzupassen (von umgekehrt wollen wir gar nicht erst reden), und den Beginn des Wintersemesters auf das Abitur auszurichten. Abiturende ist ja auch im letzten Bundesland spätestens Anfang Juni. Nach sechs bis acht Wochen, Ende Juli oder Anfang August, könnte das erste Semester starten.

Zahlen deutsche Studis drauf?

Auch Anderes erscheint mir suspekt. So der Unterricht in Englisch, den manche Unis für die Ausbildung zum Master zwingend und zwanghaft einführen. So belehrt die Uni Tübingen in vorauseilendem Eifern ihre Biologiestudenten nur noch auf Englisch – mit der erklärten Absicht, die deutsche Sprache herauszudrängen und sich einen Flair von „Internationalität” zu geben. Die anderen Unis eifern nach: in hessischem, badischem oder bayrischem Englisch sollen Chinesen und andere Nicht-Steuerzahler in die Wissenschaft eingeführt werden.

Zu diesen gegen deutsche Studenten gerichteten „Neuerungen” heißt es verzweifelt rechtfertigend, das mache unsere Unis international interessant und sie könnten endlich pfiffige Ausländer anlocken. Ich fürchte, ein Ausländer, der wirklich pfiffig ist, geht nicht wegen der Sprache nach Deutschland.

Es ist komisch mit der Sprache: Die Goethe-Institute bieten mit unseren Steuergeldern Sprachkurse an – Sprachkurse für Deutsch wohlgemerkt – um den Bewohnern fremder Länder deutsche Kultur nahe bringen. Analog lassen sich DAAD und Humboldt-Stiftung die Deutschkurse ihrer Stipendiaten, sprich unsere ausländischen Studenten, einiges kosten.

Denn auch unsere Kultur soll ein bisschen bekannt werden, nicht nur die Autos und das Bier. Gleichzeitig werfen die Universitäten diese Kultur in den Müll wie einen abgenagten Knochen. Ob das in einem Engländer oder Amerikaner Respekt erzeugt? Die haben ein feines Gefühl für Anbiedereien. Mit dem gesunden Menschenverstand scheint den Deutschen auch die Selbstachtung verloren zu gehen.

Zurück zum Umgang mit Steuergeld: Wissenschaftsminister Frankenberg (BW) hat bestätigt, dass ausländische Studenten finanziell besser behandelt werden als deutsche: Ausländer, die am 28.12.2005 bereits an einer deutschen Hochschule immatrikuliert waren, brauchen vorerst keine Studiengebühren zu bezahlen.

Diskriminieren wir unsere Kinder? Wo sind die Gleichstellungsbeauftragten?

Wie sieht es dagegen im Bildungsmusterländle USA aus? Vergleichbar sind die mit Steuergeldern finanzierten Unis wie die staatliche „University of California”: Sie verlangt pro Semester vor dem Bachelor von Kaliforniern 6.850 US$, von Nicht-Kaliforniern das Gleiche – PLUS 18.168 US$ Zuschlag für Woanders-Steuerzahler.

Die UC in Berkeley nimmt von Auswärtigen und Ausländern vor dem Bachelor 9.084 US$ EXTRA und vor dem Master 7.347 US$ EXTRA pro Jahr. In Michigan verlangt die „University of Michigan” in Ann Arbor von einem Eingeborenen 4.767 US$, aber von einem Ausländer 14.471 US$. Private Unis sind egalitärer: Stanford kostet vor dem Bachelor 33.500 US$ Tuition pro Jahr, egal woher man kommt.

Auch auf der anderen Seite des Globus zahlt der Fremde: Die Monash University in Melbourne, Australien, verlangt für ein Jahr „Biology” in Richtung zum BSc von einem Commonwealth-unterstützten Studenten 6.784 AU$, von einem normalen Aussie 19.467 AU$ und von einem Ausländer 23.300 AU$. Auch Neuseeland macht Unterschiede. So zahlt ein Kiwi an der „University of Canterbury” in Christchurch für „History # 127” 590 NZ$, ein Ausländer aber 2.400 NZ$.

Geschenke

Wir verlangen von den Eingeborenen Studiengebühren, lassen aber die Amerikaner, Australier und Neuseeländer ungeschoren. Und wenn trotzdem keiner kommt? Vielleicht denken die: Was nix kost’ ist nix wert. Haben sie Recht? Qu’elle blamage!

Wenn wir Entwicklungshilfe leisten wollen, dann sollten wir sie auch als solche deklarieren. Allerdings sind USA, Australien und Neuseeland keine Entwicklungsländer, und die Chinesen und Inder stammen oft aus begüterten Haushalten. Vielleicht will der deutsche Steuerzahler diesen Leuten trotzdem Geld schenken?

Ein Studienplatz in den Naturwissenschaften kostet ja nur 30.000 Euro pro Jahr. Man sollte ihn abstimmen lassen. Nein, es geht nicht darum, Ausländern den Zugang zu unseren Hochschulen zu versperren. Die können gerne kommen. Sie sollen sich jedoch angemessen an den Kosten beteiligen. Ihnen die Ausbildung zu schenken ist bar jeder wirtschaftlichen Vernunft und macht den Steuerzahler zum Dummen. Und Steuerzahler sind wir doch alle, oder?

Anmerkung der Redaktion: In Herrn Brennickes Labor arbeiten eine Assistentin aus Schwaben, ein Doktorand aus Sibirien und einer aus Südafrika, ein Postdoc aus Japan und eine Doktorandin aus Bayern.

Sie vertragen sich prächtig.