W oder C, es rauscht das WC

Axel Brennicke


Editorial

(13.06.2008) Seit etwa vier Jahren ersetzt die W-Besoldung die C-Tabellen. Neue Professoren werden nach W entlohnt, und wenn ein C-Prof die Uni wechselt, findet er sich als W-Prof wieder. Die C-Besoldung belohnte das Älterwerden, die W-Besoldung belohnt die Leistung. Wirklich? Eine Zwischenbilanz.

Es gibt nur wenige freie W-Stellen an den Unis, denn frei werdende Stellen werden oft nicht neu besetzt, sondern gestrichen. Aber manchmal hat man dennoch Glück und zudem im Vorstellungsgespräch einen besseren Eindruck hinterlassen als die Konkurrenten. Mit anderen Worten: Es gelang, sich den künftigen Kollegen als das kleinste Übel unter den Bewerbern zu verkaufen. Die Folge: Sie erhalten einen Ruf. Diese Form der Anerkennung mag Sie für die auf eigene Kosten erfolgte Anreise entschädigen.

W-Schulungen

Doch bevor Sie annehmen, muss vieles bedacht sein: Die Arbeitsmöglichkeiten, die Laborräume, die Anschlussfinanzierung, den Umzug, vor allem aber das Netto vom Brutto. Um zu bekommen, was Ihnen nach W-Recht monatlich für das Bezahlen der Steuern zusteht, müssen Sie hart verhandeln. Anderenfalls werden Sie Ihrer Familie nie ein Eigenheim schaffen können und ewig im zweiten Stock von Studienrat Müller hocken und Miete zahlen.

Editorial

Was Sie zu bekommen haben, ist in den W-Besoldungsvorschriften versteckt. Dies aber mit solchem Raffinement, dass einem der Verdacht kommt, die Kompliziertheit sei Absicht, um die W-Aspiranten leichter übers Ohr hauen zu können. Nur wer sich jahrelang hauptamtlich mit den W-Vorschriften beschäftigt oder sie erfunden hat, durchschaut sie auch. Für den Rest gibt es Schulungen. Ohne diese und intensives Einarbeiten kommt keiner der künftigen Eliteforscher beziehungsweise Elite-Ausbilder zu dem seinen: Er würde gnadenlos über den Tisch gezogen, das heißt mit dem Grundgehalt abgespeist.

Letzteres liegt unter einem Lehrereinkommen. Das passt zwar zur künftigen Hochschullehre, die bekanntlich bald auf dem Niveau der bayrischen Realschule liegen wird (LJ 3/2008). Es passt aber nicht zu ihren langen Bange- und Hungerjahren auf halben, befristeten Stellen. Hungerlohn nenne ich die Doktorandenstipendien von brutto 820 Euro, mit denen zum Beispiel die Landesregierung Baden-Württemberg „...hochqualifizierte wissenschaftliche und künstlerische Nachwuchskräfte...“ fördert. Brutto heißt: von den 820 Euro gehen noch Zahlungen für Rente, Kranken- oder Arbeitslosenversicherung ab, sowie der Kirchenmitgliedsbeitrag für den, der nach den Unkosten für die klebrigen Mensa-Teigwaren noch ein Zehntel in sein Seelenheil investieren will.

Wer sich nicht in das W-Besoldungsunwesen einarbeiten will oder kann, sollte Berufungsgespräche meiden und Rufe ausschlagen. Am besten ist es, erst gar keine Hochschulkarriere zu beginnen und Lehrer zu werden. Als Lehrer bekommen Sie schon ab dem zarten Alter von 25 bis 27 richtiges Geld (manchmal verdienen sie es sogar). Sobald Sie Ihr Eigenheim abbezahlt haben, lassen Sie sich frühverrenten und widmen sich der Vermietung desselben an Personen aus dem akademischen Prekariat (siehe oben).

Aber Sie wollen nicht Lehrer werden, ein Eigenheim ist Ihnen gleichgültig und die W-Besoldungsvorschriften sehen Sie als sportlich-intellektuelle Herausforderung? Schön. Wie kompliziert die W-Besoldung ist, sehen Sie an den 313 Seiten starken Unterlagen zu den vom „Deutscher Hochschullehrerverband“ veranstalteten Informationstagen. In den drei anderthalbstündigen Vorträgen können nur die allgemeinen Grundzüge des W-Tarifs ausgebreitet werden. Besonderheiten müssen Sie sich selbst zu Gemüte führen. Danach empfiehlt sich ein Termin für eine Einzelgesprächstherapie.

Was ist am W-Tarif so kompliziert? Das Grundgehalt ist es nicht. Das liegt fest und es liegt deutlich unter den früheren C- oder gar H-Gehältern. Die Zielvorgabe der Politik „Geld sparen durch Gehalt kürzen“ wurde durch die Umstellung von H auf C und jetzt von C auf W erfolgreich umgesetzt. Die Ministerialbürokraten wissen: Wissenschaft macht man aus Interesse und Idealismus, nicht fürs Geld. Jedenfalls nicht an unseren Universitäten. Daher funktionieren solche Sparmaßnahmen. Noch wird keiner zum W-Professor geprügelt, alle bewerben sich freiwillig.

Scheinbewerber

Leider ist das nicht der einzige Nachteil der W-Besoldung. So lebt das Scheinbewerbungs-Unwesen munter weiter. Die W-Besoldung hat ja „leistungsorientierte Bezüge“ eingeführt und als Maß der „Leistung“ gelten Rufe nach außen. Scheinbewerbungen sind daher essentieller Teil des Zulagenwesens der W-Besoldung. Scheinbewerbungen hemmen aber die Besetzung freier Stellen: Wird ein Ruf erteilt und entpuppt sich der Gerufene als Bewerbungszombie, kann man von vorne anfangen. Die Verfahren laufen ins Unendliche.

Richtig: „Berufungs- und Bleibe-Leistungsbezüge“, und damit auch Scheinbewerbungen, gab es schon bei der H- und C-Besoldung, aber die W-Besoldung verschärft das Problem anstatt es zu lösen. Da das W-Grundgehalt so niedrig, die Ansprüche der Sprösslinge und der Gattin aber eher gestiegen sind, muss sich der Professor fleißig bewerben, auch wenn er bleiben will. Und das tun die guten (und gierigen und rücksichtslosen) Wissenschaftler denn auch.

Zugegeben, das System hat auch eine gute Seite: die Uni, an der der Wissenschaftler arbeitet, bekommt eine zweite Meinung von einer anderen Uni. Aber dass damit diese zweite Uni mehr Arbeit hat, dass dort das Berufungsverfahren bis ins Unendliche gezogen wird, dass die zweite Uni dies mit einer anderen Professur der ersten Uni heimzahlt, das wird vergessen. Es bleibt also dabei, Berufungsverfahren werden dauern. Manche dauern Jahre.

Das Zulagensystem der W-Besoldung hemmt nicht nur die Berufenden, sondern auch den Berufenen. Wohl dem, der nur ein Angebot einer Uni hat: Er muss sich nur mit ihren Regeln herumschlagen. Die guten Wissenschaftler aber haben oft mehrere Angebote und müssen daher mehrere Regeln und Subregularien studieren, jeweils seitenlange Textwerke.

Die einzelnen Unis definieren die Zulagen unterschiedlich, meist unterteilen sie in vier Kategorien:

  • „Berufungs- und Bleibe-Leistungsbezüge“, die Zuckerchen, die einen zum Bleiben bewegen sollen, liegen meistens bei 250 Euro im Monat.
  • „Leistungsbezüge für besondere Leistungen“,
  • „Funktionsleistungsbezüge“,
  • „Forschungs- und Lehrzulage“.

Was bedeutet nun die zweite Kategorie „Leistungsbezüge für besondere Leistungen“? Was sind „besondere Leistungen“? Dies zu definieren scheint schon eine besondere Leistung zu sein, und zwar eine, zu der die Unis nicht in der Lage sind: sie flüchten sich in seitenlanges Geseiere. Eine Uni unterteilt in weitere Subparagraphen, die nächste unterscheidet zwei Ober-Stufen. Dann gibt es Unis, die drei Stufen abgrenzen. Manche unterteilen sogar in vier Stufen, was vielleicht auch eine besondere Leistung darstellt. Handelt es sich hier etwa um Kandidaten für die erweiterte Liste der Elite-Unis? Schauen wir mal genauer hin.

Die Definitionen sind schwammig. So fängt der niedrigste Tritt an mit: „Beiträge in Forschung, Lehre, Weiterbildung oder in der Nachwuchsförderung, die über die üblicherweise zu erwartenden Leistungen von Professorinnen und Professoren deutlich hinausgehen.“ Was ist wohl „üblicherweise“ von Professoren zu erwarten? Gucken wir weiter, vielleicht wird es dann klarer. Stufe zwei wird definiert als „Dauerhaft sehr gute Beiträge zur Entwicklung von F, L, W oder N, die das Profil des Faches/Fachbereichs nachhaltig mitprägen.“ Die Stufe drei: „Beiträge in F, L, W oder N von sehr hohen Standards und herausragender Bedeutung für die Entwicklung der Universität.“ Anscheinend haben die Stufen eins und zwei keine sehr hohen Standards, sondern eher niedriges Niveau. Hatten wir doch gleich vermutet, dass von Professoren üblicherweise nicht viel erwartet werden kann.

Die Krönung der Auslese ist Stufe vier: „Herausragende, international beachtete und maßgebliche Beiträge in F, L, W oder N, die die internationale und fachüberschreitende Reputation maßgeblich mitprägen.“ Es ist vernünftig, dass Professoren belohnt werden, die international beachtete Weiterbildung veranstalten. Ich stelle es mir nämlich gar nicht so einfach vor, mit Weiterbildungsveranstaltungen über den Umgang mit dem Abrechnungssystem SAP, mit einer Rentneruniversitätsveranstaltung oder mit additiven Soft Skills international groß herauszukommen.

Schubladen für Professoren

Um die Einordnung eines Professors in Stufe Null oder gar eine der vier belohnten sachlich zu fundieren, werden fast eine Seite lang die Kriterien für „…die Gewährung von Leistungsbezügen für besondere Leistungen…“ definiert. Allerdings hilft das wenig, denn es tauchen nur die üblichen Phrasen auf, die zu glatten Sätzen verwurstet quasi unendliche Auslegungen zulassen.

Bezeichnenderweise werden nur wenige Kriterien für Forschung aufgeführt, die meisten für Lehre, im Mittelfeld liegen die Nachwuchsförderung (N) und die Weiterbildung (W). Eine der wenigen Leistungskriterien in der Forschung ist die „Einwerbung von Drittmitteln in nicht geringem Umfang“. Was mag wohl „nicht gering“ heißen? Möglicherweise einfach „viel Geld“? Was aber ist viel Geld? Ich weiß es nicht, ich weiß nur, dass 250 Euro nicht viel Geld sind.

Eine „über die Lehrverpflichtung hinausgehende Lehrtätigkeit“ qualifiziert für besondere Leistungen in der Lehre. Zugegeben, das ist klar. Wer zusätzlich frühmorgens vor sieben und abends nach sieben Vorlesungen anbietet, der kann diese Überstunden bezahlt bekommen. Er muss sich darum bewerben, dann entscheidet der Vorstand, und dann gibt es Geld – oder auch nicht.

Mit der „Nachwuchsförderung“ lässt sich ebenfalls ein Zubrot erwirtschaften, so durch „besondere Leistungen bei der Betreuung von Promotionen und weiterführenden wissenschaftlichen und künstlerischen Qualifikationen“. Die besondere Leistung bei der Betreuung bezieht sich wohl wieder auf besonders schwierige Kandidaten. Die Universität als psychotherapeutische Anstalt – warum nicht? Sie ist ja auch schon das größte Partnervermittlungsinstitut der Republik.

Nun kommt etwas besonders Schwammiges, „die Durchführung besonderer For­men der Nachwuchsbetreuung“. Was könn-te das sein? Eine Kindergartenuniversität? Ein Seminar für das nachwachsende Rei­-nigungspersonal zu den chemischen Grundlagen organischer Lösungsmittel? Oder eine Einführung für Polizeianwärter in die Chaostheorie zur Lösung der Parkplatzprobleme an der Universität.

Auch in der Weiterbildung können Sie durch besondere Leistungen auffallen. Bemerkenswert ist die letzte: „Besonders hohe mit der Weiterbildung für die Hochschule erzielte Einnahmen“. Es könnte sich lohnen, an der Universität Salsakurse anzubieten und besonders hohen Eintritt zu verlangen. Schließlich handelt es sich um akademischen Elite-Salsa. Man kann in den Vorlesungen dafür werben und wenn Sie versprechen, selber aufzutreten, werden sich die Studenten schon einfinden.

Theoretisch lässt sich auch mit kompetenten Weiterbildungsveranstaltungen zur W-Besoldung Geld verdienen, aber der Markt potentieller Kunden dürfte zu klein sein.

Leistungspunkte mit Salsa

Sicher wollen Sie nun voll Enthusiasmus jede Menge Leistungen erbringen. Doch gemach! Der Vorstand der Universität legt fest, wie viele Leistungsstufen pro Jahr vergeben werden können. Es werden nur wenige sein. Schließlich müssen zuerst die Leistungszulagen für die Vorstandsmitglieder bezahlt werden.

Die sind Teil der so genannten „Funktionsleistungszulagen“. So bekommt ein Dekan als Lohn der Angst ebenso viel pro Monat wie „nebenamtliche Vorstandsmitglieder“. Das ist immerhin gut das Zehnfache von dem, was ein Dekan nach C für die Aufgabe seiner Forschung erhielt. „Gleichstellungsbeauftragte“ werden mit 100 Euro pro Monat gewürdigt.

„Hauptamtliche Vorstandsmitglieder“ bekommen 750 Euro im Monat drauf, wobei die Kanzler der Unis auch nach W3 bezahlt werden und per Amt immer im Vorstand sind – ob haupt- oder nebenamtlich, bleibt zu klären.

Nicht dass Sie mich missverstehen. Ich bin zu hundert Prozent für die Belohnung von Leistung. Das kann nur besser sein als die Belohnung des Älterwerdens. Denkt man so naiv.