Pauschale Bürokratie

Axel Brennicke


Editorial

(03.09.2008) Einmal mehr die Sitten und Gebräuche der USA imitierend übernahm kürzlich der beste deutsche Forschungsförderer, die DFG, die im amerikanischen Fördersystem üblichen Overheads (Zulagen für Verwaltung und Hilfsdienste). Hinter dieser überwältigend innovativen Idee stand wohl der Drang, dem BMBF ein bisschen mehr Geld für die Forschung abzumelken.

Der Drang scheint so drängend gewesen zu sein, dass er die DFG-Ministrablen sogar zu kreativen Wortschöpfungen trieb, so zu der Übersetzung des Wortes „Overheads“ in „Programmpauschale“. Immerhin, es hat funktioniert: Seit dem 1.1.2007 gibt es Programmpauschalen für Verbundprojekte wie SFBs und seit dem 1.1.2008 auch für die richtige Forschung in Einzelprojekten. Was geschieht mit diesem Geld? Macht es die Forschung besser und leichter?

Erfreulich vage sind die DFG-Vorgaben zur Verwendung der Mittel. Ein Auszug aus den DFG-FAQs zur Programmpauschale:

„Für welche Zwecke darf die Programmpauschale verwendet werden?

Die Programmpauschale ist nicht zur Verstärkung der Ansätze der Projektmittel einsetzbar und umgekehrt; sie gewährt vielmehr pauschalen Ersatz für durch die Projektförderung in Anspruch genommene Infrastruktur (beispielsweise für Raum-, Wartungs-, Software- oder Energiekosten) und für die Mitarbeit von Personen, die nicht als Projektpersonal abgerechnet werden… Der Mitteleinsatz der Programmpauschale ist auch für innovative Zwecke denkbar, wie etwa Anreize für neue Forschungsarbeiten, tarifliche Zulagen für herausragende wissenschaftliche Leistungen oder Professionalisierung des Forschungsmanagements.“

Editorial

In erster Linie soll die Programmpauschale also die Infrastruktur für das Projekt verbessern. Man kann endlich die Lizenzen für WORD aus diesem Topf bezahlen, statt aus eigener Tasche, des weiteren GEZ-Gebühren für das Laborradio, den Fernseher für die Filme mit der Strahlenschutzbelehrung und die gesetzlich vorgeschriebene TÜV-Abnahme und Wartung von Zentrifugen.

„Denkbar“ sind zudem „Anreize für neue Forschungsarbeiten“. Und unglaublich aber wahr: „tarifliche Zulagen für herausragende wissenschaftliche Leistungen“ sollen möglich sein. Weiter sagt die DFG: „Gegenüber der DFG sind weder der Grund noch der Zeitpunkt der Verwendung der Programmpauschale im Einzelnen nachzuweisen.“ Das freut den Forscher und dies umso mehr, als er nicht über die Verwendung des Geldes bestimmen darf.

„Über die Verwendung der durch die Programmpauschale freigesetzten Mittel der Hochschule entscheidet nach dem Willen von Bund und Ländern im Einzelnen die Hochschule oder die Forschungseinrichtung innerhalb der Zielsetzung des Hochschulpakts 2020 (der Stärkung der Forschung an Hochschulen). Es erscheint der DFG sachgerecht, wenn sie dabei gemeinsam mit den beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vorgeht.“

Die Hochschule entscheidet also, wie die Programmpauschale verwendet wird. Und die Hochschule: das ist die Verwaltung derselben. Sie soll (muss aber nicht) in Absprache mit den Antragstellern entscheiden.

Tut sie das? Wie man’s nimmt: Die Antragssteller werden in Gremien gesteckt, wo sie über Teile der eingeworbenen Gelder anderer entscheiden dürfen. Keine Uni jedoch gibt erfolgreichen Antragstellern das Geld der Programmpauschale und lässt sie es selbst für ihre Projekte einsetzen. Keine Uni scheint auch die Wissenschaftler gefragt zu haben, was am besten für ihre Forschung sei.

Die Verwaltungen nutzen das Geld als Machtmittel, und ihre Methoden sind dabei so vielfältig wie die monströsen Lebewesen in der „Versuchung des heiligen Antonius“ von Hieronymus Bosch. Durchweg wird die Machtausübung versteckt hinter „Innovationsfonds“ (TU Freiberg) und deren Synonymen wie „Förderfonds Forschung“ (Uni Gießen), „strategische und innovative Zwecke der Universität“ (Uni Halle), „Förderung innovativer Forschungsvorhaben zur Profilbildung“ (Uni Potsdam) und komplizierten Verteilungsschlüsseln. Letztere haben den zusätzlichen Vorteil, dass neue Verwaltungsmitarbeiter eingestellt werden müssen. So wachsen die Verwaltungen und ihre Bosse und Subchefs steigen in höhere Gehaltsstufen – was ja Sinn und Zweck jeder Verwaltung ist.

Schauen wir uns einige Uni-interne Verteilungssysteme an:

Würzburg: „Der von der Universität einbehaltene Overhead beträgt bei DFG-Projekten mit bewilligter Programmpauschale … 7,5 Prozentpunkte der 20 %-igen Programmpauschale (entspricht 6,25 % der tatsächlichen Einnahmen). 12,5 %-Punkte der der 20%igen Programmpauschale werden dem jeweiligen Projektleiter zur Verfügung gestellt. Daraus ist insbesondere die Grundausstattung zu decken.“

7,5 % von 20 % sind 6,25 % von 100 %?

Neue Mathematik?

Darmstadt:

„10 % für die am Projekt beteiligten Wissenschaftler bzw. Fachgebiete zur

  • Finanzierung der projektbezogenen indirekten Kosten,
  • Verstärkung projektbezogener Infrastruktur entsprechend den DFG-Auflagen. 10 % für den zentralen Bereich der TU Darmstadt zum
  • Aufbau eines zentralen Innovationsbudgets für Forschungsmaßnahmen,
  • Finanzierung von zentralen Forschungsinfrastrukturkosten.“

Immerhin soll ein Teil von zehn Prozent „entsprechend den DFG-Auflagen“ verwendet werden. Ist schon mal was, auch wenn in Darmstadt der Genitiv unbekannt scheint.

Den Sonderpreis für Kompliziertheit gewinnt die Uni Freiburg:

„Das Rektorat hat ... folgenden Beschluss gefasst:

1. Sämtliche Einnahmen aus den DFG-Programmpauschalen werden auf ein zentrales Drittmittelkonto gebucht.

2. Der Anteil der Medizinischen Fakultät an den Programmpauschalen wird aus der Gesamtsumme herausgerechnet und der Medizinischen Fakultät zugewiesen. Alle Aufwendungen für indirekte Kosten aus Forschungsprojekten bzw. für Forschungsinfrastruktur sind damit abgegolten.

3. Die verbleibenden Mittel aus den Programmpauschalen werden im Verhältnis 80 : 20 zwischen der Gesamtuniversität und den Fakultäten verteilt, die nachweislich DFG-Mittel eingeworben haben. Die Verteilung erfolgt anteilig nach der Höhe der jeweils eingeworbenen DFG-Mittel.

4. Die Verwendung des 20 %-Anteils erfolgt in eigener Verantwortung der Fakultäten. Die Zuweisung der Mittel an die Fakultäten wird mit der Auflage verbunden, dass die Verwendung der Mittel durch die Dekane unter Einbezug der Leistungsträger (SFB-Sprecher, Graduiertenkollegkoordinatoren, Sprecher von Forschergruppen etc.) erfolgt. Dem Rektorat ist jährlich ein Verwendungsbericht der Fakultäten zuzusenden.

5. Der Anteil der Gesamtuniversität an den Mitteln der Programmpauschalen (80 %) wird zur Wahrnehmung zentraler Aufgaben verwendet, die wiederum unmittelbar der Stärkung der Forschungsinfrastruktur dienen und wie folgt aufgeteilt:

a) 20 % für eine zusätzliche Investitionsrunde; die Verteilung bestimmt ein informelles Gremium aus den Fakultäten. Die Mitglieder des Gremiums sollten Sprecher von DFG-Verbundprojekten und Vertreter für die Normalverfahren sein. Es ist vorgesehen, dass jeweils zwei Mitglieder aus den Fakultäten in das Gremium entsandt werden, welches seine gerankten Vorschläge einmal jährlich schriftlich im Rektorat einreicht...

b) 10 % zur Verstärkung des Programms „Förderung evaluierter Forschungsprojekte“...

c) 10 % für die IT-Infrastruktur (Rechenzentrum).

d) 22,5 % als Rückstellungen für Baumaßnahmen.

e) 17,5 % dienen zur Finanzierung der laufenden und einmaligen Kosten von Graduiertenkollegs und Sonderforschungsbereichen, für Berufungszusagen sowie zur teilweisen Deckung derEnergiekosten...“

Regensburg:

„Verwendung der Programmpauschale...

a) pro Fakultät jeweils ein Konto, auf dem die 60 % der Programmpauschale aller Sachbeihilfen der Fakultät gebucht werden.

Die Entscheidung und Verantwortung für die richtlinienkonforme Verwendung einschließlich der Budgetverantwortung obliegen der Fakultät auf Grundlage von Vergabegrundsätzen, die von den jeweiligen Fakultäten zu erstellen und von der Universitätsleitung zu genehmigen sind. Antragsberechtigt sind alle Mitglieder der Fakultät. Die Anträge sind direkt beim Dekan der jeweiligen Fakultät einzureichen. Der haushaltsmäßige Vollzug erfolgt durch das Referat IV/1 (Haushaltsangelegenheiten).

b) Sammelkonto für den Anteil von 20 % an der Programmpauschale aus allen Sachbeihilfen für strukturfördernde Maßnahmen.

Die Entscheidung über die richtlinienkonforme Verwendung erfolgt durch die Universitätsleitung auf Grundlage von Empfehlungen bzw. Verwendungsrichtlinien, die vom Forschungsrat zu erstellen und von der Universitätsleitung zu genehmigen sind. Antragsberechtigt sind alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie die Verwaltung der Universität.

Anträge werden direkt beim Forschungsrat eingereicht. Die Budgetverantwortung obliegt dem Forschungsrat. Der haushaltsmäßige Vollzug erfolgt durch das Referat IV/1 (Haushaltsangelegenheiten).

c) Sammelkonto für den Anteil der Verwaltung für zentrale Aufgaben von 20 % an der Programmpauschale aus allen Sachbeihilfen.

Die Entscheidung über die richtlinienkonforme Verwendung erfolgt durch die Universitätsleitung. Antragsberechtigt ist die Verwaltung…“

Regensburg ganz innovativ: Die Verwaltung kann Anträge auf DFG Mittel stellen!

Erlangen:

„...die Verteilung der DFG-Programmpauschale ...:

70 % zentrale Mittel der Universität

20 % einwerbende Einrichtung

10 % Fakultät

...Die Hochschulleitung hat sich ... entschlossen, für die Verteilung ... der Programmpauschale der DFG ...eine Arbeitsgruppe aus DFG-erfahrenen Fakultätsmitgliedern einzurichten... Für die Anträge an die Arbeitsgruppe bzw. Hochschulleitung gelten in der Regel folgende Richtwerte: Anträge aus der Medizinischen, Naturwissenschaftlichen und Technischen Fakultät können ab einer Summe von 10.000 Euro gestellt werden, aus der Philosophischen Fakultät mit Fachbereich Theologie und aus der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät ab 3.000 Euro. Für Anträge, die eine geringere Förderung beinhalten, ist ein verwaltungsmäßiges vereinfachtes Antragsverfahren mit vierteljährlicher Berichtspflicht vorgesehen.“

„DFG-erfahren“, das klingt wie „dschungelerfahren“. Vielleicht hat man deswegen ein „verwaltungsmäßiges vereinfachtes Antragsverfahren“ eingeführt. Aber dann: „mit vierteljährlicher Berichtspflicht“ – wer denkt sich so was aus? Alle drei Monate einen Bericht schreiben? Über das Berichtschreiben?

Ulm:

„...Verwendung der Programmpauschale...:

  • 25 % der Programmpauschale werden direkt (ohne Antrag) an die einwerbende Einrichtung zurückfließen...
  • 25 % der Programmpauschale werden in einen hochschulinternen Pool für die gemäß Solidarpakt II festgelegte finanzielle Eigenbeteiligung der Hochschule an Bau- und Sanierungsmaßnahmen eingestellt.
  • 50 % der Programmpauschale werden in einen Strukturfonds des Präsidiums, insbesondere zur Anschubfinanzierung von Forschungsgruppen/Forscherverbünden, eingebracht... Voraussetzungen für die Gewährung von Mitteln aus dem Strukturfonds sind insbesondere
  • Beantragung eines größeren Verbundprojekts, wie bspw. Sonderforschungsbereiche, DFG-Forschergruppen etc.
  • Beteiligung von mindestens 5 Arbeitsgruppen aus mehreren Instituten
  • konkrete kurze Darstellung der Projektinhalte und der Struktur/ Organisation des Verbundprojekts
  • Darstellung der bisherigen Forschungsleistungen/bestehenden Aktivitäten als Grundlage für die Beantragung eines Forschungsverbunds; Originalität des wissenschaftlichen Programms.

Die Förderung erfolgt zunächst in Form der Bereitstellung einer Stelle des wissenschaftlichen Dienstes für die Dauer von 6 Monaten für die Antragsvorbereitung...“

Ein Stelleninhaber des wissenschaftlichen Dienstes (Hä?) soll in sechs Monaten mit DFG-Geld einen SFB-Antrag schreiben. Jene, die mit DFG-Einzelanträgen dieses Geld eingeworben haben, fördern also die großartigen Pläne anderer und haben selbst NICHTS davon: Wenn sie selbst einen SFB beantragen könnten, hätten sie das längst getan…

Bei diesen pseudojuristischen und „gerechten“ Worthülsen fällt auf: Alle Unis richten zentrale Fonds ein, über deren Verteilung Gremien und Verwaltungen auf Antrag der Wissenschaftler entscheiden. Die erfolgreichen Beantrager von DFG-Projekten dürfen also bei der Univerwaltung einen Teil ihres Geldes noch einmal beantragen.

Ein Verwaltungsbeamter wird das als Finesse bewundern, ein Forscher findet es unverschämt. Die Präsidenten der Unis lassen sich von den Ideen der Verwaltung einlullen, und die laufen immer aufs gleiche hinaus: Noch mehr Bürokratie. Wir sollen noch mehr „gut begründete“ (!!) Anträge schreiben und begutachten. Diesmal an und in Gremien der Uni. Erst wenn das letzte Minütchen des Forschers verbürokratisiert ist, werdet ihr merken, dass aus Formularen keine Ergebnisse sprießen...

„Die Forscher brauchen die Programmpauschale für die Nebenkosten des bewilligten Projektes und für Vorarbeiten für die nächsten Anträge“, sagt die DFG richtig. Wer kann neue Projekte besser vorbereiten als die erfolgreichen DFG-Antragsteller? Sie wissen auch am besten, welche Geräte unbedingt repariert oder gewartet werden müssen. Also sollte man ihnen auch das Geld überlassen – und zwar alles.

Nur eine einzige Uni nutzt die DFG-Vorgabe, erfolgreiche Antragsteller persönlich zu belohnen: Die Uni Frankfurt. Sie setzt 20 Prozent der Programmpauschale zur „Prämierung der Forscher“ und 75 Prozent „projektnah“ ein und behält nur 5 Prozent für die Verwaltung. Lobenswert! Doch bleibt abzuwarten, was in der Praxis daraus wird.

Es ist unverschämt, die über Einzelanträge eingeworbenen Programmpauschalen für Möchtegern-Anträge auf politische Großprojekte zu verwenden. Mit welcher Legitimation werden die Vorarbeiten für Einzelanträge ausgeschlossen? Mit welcher Begründung bauen die Unis neue interne Pseudo-Begutachtungsverfahren für die Vergabe der DFG-Mittel auf? Wie können die Unis den Forschern das Geld für die Infrastruktur ihres DFG-Projekts wegnehmen?

Das geht eindeutig gegen die Vorgaben der DFG! Und ist damit illegal.