Danebenberaten

Axel Brennicke


Editorial

(16.10.2008) Einmal mehr die Sitten und Gebräuche der USA imitierend übernahm kürzlich der beste deutsche Forschungsförderer, die DFG, die im amerikanischen Fördersystem üblichen Overheads (Zulagen für Verwaltung und Hilfsdienste). Hinter dieser überwältigend innovativen Idee stand wohl der Drang, dem BMBF ein bisschen mehr Geld für die Forschung abzumelken.

Studiengebühren kamen und gingen, kamen und blieben. Oder kamen nicht und blieben fort. Je nach Bundesland und Parteibuch. In Baden-Württemberg blieben und bleiben sie. Zu ihrem einjährigen Jubiläum erschien ein Bericht vom „Monitoring-Beirat Studiengebühren“ (siehe auch http://mwk.baden-wuerttemberg.de) Ja, so was gibt es! „Beiräte“ werden solange von der Politik eingerichtet werden, wie die Mitarbeiter der Unis bereit sind, kostenlos die Arbeit der Ministerien zu erledigen. Was tut man nicht alles für ein bisschen Bauchpinselei.

Aber lassen wir die Psychoanalyse.

Zu den Studiengebühren. Vor einem Jahr hatte ich berichtet (LJ 10/2007, S. 38)), wie dreist die Studiengebühren verheizt werden. Im wörtlichen Sinne: Wegen der gestiegenen Heizkosten wurden die Mittel für studentische Hilfskräfte um 300.000 Euro gekürzt und durch 280.000 Euro Studiengebühren ersetzt. Kein Wunder, dass die Lehre immer schlechter wird und das Betreuungsverhältnis sinkt. Zwar hat die Politik den Unis „Planungssicherheit“ versprochen, sie erhalten angeblich jedes Jahr die gleiche Summe, dennoch ist der Solidarpakt II eine Kürzung (LJ 10/2007). Zudem ist „Gleich bleibend“ bei steigenden Energiepreisen real weniger. Aber Inflation gibt es im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) von Baden-Württemberg nicht.

Editorial

Daran scheint auch der „Monitoring-Beirat Studiengebühren“ nichts ändern zu wollen. Er ist vom MWK fürs MWK installiert und benimmt sich entsprechend: „46. Nach den klaren Aussagen des MWK soll eine Absenkung der Hochschulhaushalte im Rahmen der Einführung der Studiengebühren ausgeschlossen sein. Der Solidarpakt II gewährleistet den Hochschulen und den Berufsakademien auf der Basis des Staatshaushaltsplans 2007 finanzielle Planungssicherheit für den Zeitraum bis zum 31.12.2014.“

So viel zur Objektivität des Beirats.

Was sagt er zum Verheizen der Studiengebühren?

„Überwiegend wurden die Mittel dazu verwendet, zusätzliche Lehrkräfte, Lehrbeauftragte und Tutoren zur Verbesserung und Erweiterung des Angebots einzusetzen [...] Ferner wurden [...] die Gruppengrößen verringert und dadurch die Betreuungsrelation (Verhältnis Studierende/Lehrkräfte) verbessert. [...] Der Beirat begrüßt es, dass nach einer groben vorläufigen Schätzung im landesweiten Durchschnitt ca. 50 % der Einnahmen für personelle Aufstockung in der Lehre verwendet werden.“

Richtig ist, dass „Lehrkräfte, Lehrbeauftragte und Tutoren“ eingestellt wurden, aber nicht als „zusätzliche“, sondern als Ersatz für die gestrichenen (LJ 10/2007). Also gab es keine „Verbesserung und Erweiterung des Angebots“. Außerdem scheint dem Rat ein Kopfrechner zu fehlen: wieso sind „ca. 50 % der Einnahmen“ gleich „überwiegend“?

Richtig erkannt hat der Beirat jedoch folgendes:

„In der Regel stellen die Betreuungsrelationen das größte Problem in der Lehre dar. Die Einnahmen sollten daher originär für Lehrpersonal bis hin zur Schaffung neuer Professuren eingesetzt werden.“

Das fänden auch die Studiengebührenzahler gut, die Studenten. Was hat der „Monitoring-Beirat“ über sie herausgefunden? „Die Zahl der in gebührenpflichtigen Studiengängen immatrikulierten Studierenden beläuft sich auf rund 212.000. Hiervon wurden rund 38.000 Studierende aufgrund von Ausnahmen, Befreiungen und Erlasse („Freistellungen“) von den Studiengebühren freigestellt; die Zahl der Gebührenzahler beträgt rund 174.000.“

Unter den Befreiten sind auch „3.624 von den Studiengebühren befreite Ausländer (9,57 %)“. Wenn Studenten aus Entwicklungsländern befreit werden, mag das eine gute Sache sein – jedenfalls für die Entwicklungsländer. Aber sollte dann nicht das Entwicklungshilfeministerium die Gebühren zahlen? So müssen die Studenten ihre ausländischen Kommilitonen finanzieren. Vielleicht wollen die das nicht? Und wenn man das schon privat organisiert, wie wäre es, den Etat des Entwicklungshilfeministeriums vollständig aus freiwilligen Spenden zu bestreiten? Aber ich schweife wieder ab.

Neben vielen Man-kann-noch-nix-sagen-Sprüchen, so zur Studierquote von Kindern aus Nichtakademikerhaushalten (sank von 62 Prozent auf 50 Prozent), bemängelt der Beirat die Darlehen der Landesbank (L-Bank). Daran tut er recht. Das MWK meint zwar: „Wer die Studiengebühren nicht selbst aufbringen kann, hat Anspruch auf ein zinsgünstiges Darlehen bei der landeseigenen L-Bank [...] Niemand wird aus finanziellen Gründen davon abgehalten, ein Studium zu beginnen.“

Doch der Beirat fragt, „ob das Darlehen der L-Bank passgenau ist. [...] Im Wintersemester 2007/2008 hat es 2.037 Anträge auf Bewilligung des Studiengebührenkredits gegeben. [...] Der Zinssatz stellt trotz der kürzlich erfolgten Senkung der Verwaltungsmarge ein Problem dar.“

Auf deutsch: 2.037 Anträge von 174.000 gebührenpflichtigen Studis ist dem Beirat zu wenig. Er stellt zudem fest: „61. In Bezug auf die Zinshöhe stellt sich ferner das Problem, dass viele Studierende hier möglicherweise die tatsächlichen Zusammenhänge nicht kennen. Zwar stellt das MWK diese Informationen zur Verfügung, doch scheinen viele Studierende diese Informationen noch nicht angemessen wahrzunehmen.“

Versuchen wir also, die Infos des MWK angemessen wahrzunehmen (siehe www.studieninfo-bw.de/):

„Sie haben gegenüber der landeseigenen L-Bank [...] Anspruch auf ein zinsgünstiges Darlehen zur Finanzierung der Studiengebühren. Der Höchstzinssatz beträgt seit Mai 2008 5,5 Prozent.“

Also zahlt der Studi höchstens 5,5 Prozent Zinsen – und in der Realität nicht viel weniger. Eher mehr, denn eine Webseite daneben liest man:

„So haben Sie etwa gegenüber der landeseigenen L-Bank [...] Anspruch auf ein Darlehen zur Finanzierung der Studiengebühren, dessen Zinssatz die L-Bank aus der aktuellen Höhe des „Euribor“ (European Interbank Offered Rate) zuzüglich eines reinen Verwaltungskostenzuschlags in Höhe von 3,5 Prozent errechnet. Der absolute Höchstzinssatz liegt bei 5,5 Prozent.“

Wie darf man das angemessen verstehen? Kommt zum absoluten Höchstzinssatz noch die 3,5 Prozent Verwaltungsgebühr dazu oder nicht? Die Recherche ergibt, dass die Webseiten des MWK nicht aktuell sind. Denn eine Meldung vom 22.4.2008 sagt: „Der Wissenschaftsminister verwies darauf, dass das Land vor kurzem bereits die im Zinssatz der L-Bank mit zunächst 3,5 Prozent einkalkulierten Verwaltungskosten auf 2,9 Prozent gesenkt habe, indem es einzelne Verwaltungsaufgaben von der L-Bank auf den Studienfonds übertragen habe. Wir haben, wie angekündigt, diesem ersten Schritt einen weiteren größeren Schritt folgen lassen.“

Diese Schritttechnik! Erst einer, dann ein weiterer, größerer. Wieso ein „weiterer größerer“? Der erste war doch nur klein. Egal. Vielleicht lernen wir Gehen mit dem MWK, aber ob wir die 2,9 Prozent den 5,5 Prozent zuschlagen müssen, das lernen wir nicht.“

Was ist dieser ominöse „Studienfonds“? Wer bezahlt den? Natürlich die Studis aus ihren Studiengebühren! Das MWK lässt dazu allerdings Widersprüchliches verlauten. So heißt es einerseits:

„[...] solle die Ausgleichspflicht auf den aus Haushaltsmitteln finanzierten Studienfonds übergehen.“

Aber in der Info für die Studis steht:

„ein Studienfonds [...], der von den Hochschulen finanziert wird.“

Was ist richtig? Aus Haushaltsmitteln des MWK oder von den Unis? Richtig ist immer das, was die Ministerien am wenigsten kostet. Schließlich brauchen sie unser Geld für Hubschrauberflüge zu Presseterminen. Richtig ist auch: Was in den Studienfonds fließt, kann nicht für die Lehre verwendet werden.

Bleiben wir lieber bei der Frage der Verwaltungskosten. Die Landes-Bank BW rechnet ein Beispiel der Zinsen und gesamten Kosten vor. Es ist laut Beirat erfolgreich, was wahrscheinlich bedeutet, dass es davon abschreckt, solch einen Kredit aufzunehmen:

Darlehensberechtigende Semester9
Darlehensbetrag je Semester500 E
Darlehenssumme4.500 E
Anfänglicher effektiver Jahreszins5,22 Prozent p. a.
Auszahlungsdauer9 Semester
Karenzzeitdauer2 Jahre
Tilgungsdauer bei Rate 100 E65 Monate
Gesamtbelastung6.432,48 E

Danach zahlen die Studis für einen Kredit von 4.500 Euro knapp 2.000 Euro Zinsen und Gebühren – laut MWK ein cooler Deal. In der Tat sagt mir mein Taschenrechner, dass die Gebühren eingeschlossen sind. Aber selbst die L-Bank fühlt sich bemüßigt, die Gebühren zu rechtfertigen.

„Warum ist die Verwaltungskostenmarge des Studiendarlehens höher als zum Beispiel die einer Baufinanzierung? Hierfür gibt es mehrere Gründe: Die reinen Bearbeitungskosten sind bei kleinen Krediten nicht unbedingt geringer als bei einem Darlehen über einen hohen Betrag.

Aufgrund des höheren Darlehensvolumens von oftmals über 100.000 Euro führt eine Verwaltungskostenmarge von 0,5 Prozent p. a. zu einem höheren zu zahlenden Betrag, als eine Verwaltungskostenmarge von 2,9 Prozent p. a. bei einem Darlehensvolumen von 1.000 oder 4.500 Euro. Die Verwaltungskostenmarge bei den Studienkrediten wirkt im Vergleich hoch, ist sie aber tatsächlich nicht.“

Ich liebe diesen letzten Satz! So klar, so unverschämt.

Die Bank behauptet, dass ein normaler Kredit über 100.000 Euro zwar bloß 0,5 Prozent Verwaltungsgebühren kostet, das aber mehr sei als die Studis zahlen. In absoluten Zahlen stimmt das: Es sind 500 Euro gegenüber 130 Euro. Doch bezahlt ein Studi 29 Euro Gebühren für 1000 Euro Kredit, während der normale Kreditnehmer 5 Euro bezahlt.

Man könnte auch behaupten, ein Hummer sei umweltfreundlich, weil er bei einem Verbrauch von 30 l pro 100 km 320-330 PS rausholt, während der VW Fox bei gut 6 l pro 100 km bloß 55 PS bringt. Die Marketingstrategen der L-Bank scheinen die deutschen Studenten für Idioten zu halten.

Weiter die L-Bank: „Der Verwaltungsaufwand bei den Studiendarlehen ist zudem höher als bei anderen Darlehen. Kredite dieser Größenordnung laufen sonst nicht über Laufzeiten von bis zu 20 Jahren und mehr...“ Bis zu 20 Jahren? Im Beispiel der L-Bank sind es gerade 12 Jahre. Allerdings: die Karenzzeit kann sich durch Kinder und Arbeitslosigkeit verlängern.

Tipps für Studis: Seien Sie nett zu Ihren Eltern, nehmen Sie einen „normalen“ Kredit auf und bitten Sie Ihre Eltern, zu bürgen. Auch könnten sich zehn Studis zusammentun und einen Kredit über 100.000 Euro aushandeln. Schließlich soll es Banken geben, die auf Verwaltungsgebühren verzichten.

Auf die Studiengebühren wird nicht verzichtet werden, nirgendwo. Dass die Landesregierungen sie festsetzen und nicht den Hochschulen überlassen, zeigt die Motivation: die Studiengebühren sollen Landesgelder einsparen. Sie sind eine verkappte Steuer.

Steuern kennen nur eine Richtung: Nach oben. „Dieser Betrag wird in Baden-Württemberg Bestand haben“, ist jedoch die kernige Antwort des MWK auf die Frage: Sind 500 Euro nur der Anfang? Dieser Kern dürfte bald faulig werden. Werden die Studiengebühren wirklich nicht erhöht (aber was juckt mich mein Geschwätz von gestern?), dann eben der „Verwaltungsbeitrag“ pro Semester. Der beträgt jetzt schon 40 Euro. Die 5,5 Prozent Höchstzinssatz gelten auch nur bis Ende nächsten Jahres.

Was also tun? Der Beirat rät den L-Bank-Kreditnehmern, ihre Familienplanung zu ändern: „62. Darüber hinaus sind die Rückzahlungsmodalitäten möglicherweise für Frauen ungünstig. Studiengebühren sind zu einem Zeitpunkt zurückzuzahlen, zu dem sich junge Akademikerinnen häufig mit der Familienplanung beschäftigen.“

Nicht nur wirtschaftlich, auch vom Standpunkt der Evolution aus gesehen marschiert der deutsche Akademiker in die Sackgasse.

Der Dodo lässt grüßen.