Zeitschriftenpreise

Axel Brennicke


Editorial

(10.03.2009) Alles wird teurer – ein alter Hut. Die Wissenschatsmagazine bilden keine Ausnahme. Manchmal zehn Prozent Preissteigerung pro Jahr und Heft – das können sich nur noch die wenigsten Unis leisten. Wird also ein spezielles Journal nur von einer Minderheit gelesen, bestellen die Verwalter es kurzerhand ab.

Die arbeitende Bevölkerung im Labor war fleißig und erfolgreich. Sie fasst ihre Ergebnisse in einem Bericht zusammen, der publiziert werden und für alle zugänglich sein soll. Überzeugt von seiner Wichtigkeit schickt man den Bericht an eine Top-Zeitschrift. Doch wie üblich erkennen die Herausgeber und Gutachter nicht den enormen Fortschritt, den diese Veröffentlichung der Wissenschaft bringen wird. Also werden die Ergebnisse in einem Journal für Spezialisten veröffentlicht, einer kleinen Zeitschrift, die aber einen messbaren, sogar soliden Impact-Faktor auf die Waage bringt.

Leider ist diese Zeitschrift so teuer, dass die Universität es sich nicht leisten kann, sie zu abonnieren: Die Zielgruppe, die Forscher eines Subfachgebietes, ist einfach zu klein. An jeder Universität gibt es manchmal nur einen einzigen Spezialisten, der sich für die Veröffentlichungen in diesem speziellen Journal interessieren könnte. Auch der findet darin nur gelegentlich einen Artikel, der interessant genug ist, um ihn durchzulesen oder sich das wenigstens vorzunehmen. Dafür lohnt es sich selbstverständlich nicht, die meist mindestens 1.000 € Steuergelder auszugeben, die für ein Jahresabo einer solchen Zeitschrift verlangt werden.

Editorial

Daher haben die Autoren unseres Berichtes das Problem, nicht einmal ihre eigene Veröffentlichung anschauen beziehungsweise eine PDF-Datei ihrer eigenen Arbeit herunterladen und ausdrucken zu können. Das ist nicht nur eine Sache der Eitelkeit: Beim Zusammenstellen einer kumulativen Dissertation und bei Bewerbungen muss oft je ein Exemplar der Veröffentlichungen beigelegt werden. Ein eklatantes Problem für Doktoranden.

Die einzig praktikable, wenn auch semi- legale Lösung ist es, jemanden in einem reichen Institut, das diese Zeitschrift abonniert, um die Übersendung eines PDF zu bitten. Falls Sie dort niemanden kennen, wenden Sie sich an die Bibliothekarin. Meistens sind die gutmütig genug, auch für so fernliegende und private Zwecke wie die Dissertation eines Außerhäusigen zu arbeiten.

Kommunikation ist eine essentielle Essenz von Wissenschaft und Grundlagenforschung und wird fast ausschließlich durch die Steuerzahler finanziert. Das verpflichtet jeden Wissenschaftler, seine Ergebnisse öffentlich mitzuteilen und so zu rechtfertigen, was er mit dem Geld der arbeitenden Bevölkerung angestellt hat. Auch muss jeder Wissenschaftler die Veröffentlichungen der Kollegen im In- und Ausland so schnell wie möglich lesen, um nicht ein Rädchen zum zweiten Mal zu erfinden. Der Zugang zu Veröffentlichungen ist für die Forschung unverzichtbar.

Weil es aber bei den Institutsabos keinen Wettbewerb gibt und die Verleger wissenschaftlicher Zeitschriften eine Monopolstellung haben, können sie ihre Preise in unendliche Höhen treiben. Das Lesen wissenschaftlicher Zeitschriften wird zu einem Privileg der reichen Forscher beziehungsweise derjenigen, die in reichen Instituten arbeiten.

Ein Beispiel ist die Familie der Trends-Journale. Fast jeder biologische Wissenschaftler hatte schon Kontakt mit einem dieser monatlich erscheinenden Heftchen von etwa der Stärke eines Micky-Maus- Heftes. Sie sind nicht auf Hochglanzpapier gedruckt, aber immerhin durchgehend farbig illustriert. Hier erscheinen ausschließlich Übersichtsartikel und Meinungen, daher der hohe Impact-Faktor von fast neun.

Es gibt Ausgaben für alle möglichen Fächer und Subdisziplinen, für Mikrobiologie, Ökologie, Biochemie, Genetik und sogar für Pflanzen. Manche Zusammenfassungen sind speziell und aktuell, andere gut für die Lehre; die Trends-Journale sind nicht schlecht. Deshalb hat sogar meine kleine Universität mit ihrem schmalen Zeitschriftenbudget ausgewählte Titel aus dieser Reihe abonniert.

Seit einiger Zeit kommen wir aber nicht mehr online an die bunten Heftchen für Genetik oder Biochemie. Zugriff verweigert, heißt es. Die Nachfrage bei der Bibliothek ergab, dass bisher der Abonnementspreis von 1.537 € pro Jahr für die Druckausgabe auch den Onlinezugang enthielt, jetzt aber nicht mehr. Die Bibliothek zahlt also für jede Ausgabe dieser geklammerten Papierchen 128 €, aber online dürfen wir uns die Artikel nicht anschauen.

Der institutionelle Web-Zugang wird auf der Internetseite der Trends-Zeitschriften beworben mit: „Same price as institutional print subscription“. Eine merkwürdig unklare Formulierung. Ist der Zugang im Preis eingeschlossen oder nicht? Er ist es nicht, wer Heft und Onlinedienste haben will, muss beides separat kaufen, also 3.074 € überweisen. Das aber sagt die Trends-Seite nirgends klar und deutlich – so als ob sie sich schämen würde.

Unsere Universität kann das jedenfalls nicht zahlen. Sie sollte es auch nicht: Die Inhalte dieser Zeitschriften werden umsonst von vom Steuerzahler entlohnten Leuten geliefert, und weder die Druckkosten noch die Pflege des Online-Auftritts rechtfertigen derart überzogene Abonnementspreise.

An meiner kleinen Universität arbeiten wenig Leute mit Pflanzen, die meisten schlachten Mäuse, operieren Ameisen oder helfen Menschen. Neben den Ökologen sind wir die einzigen, die mit blutleeren, aber grünen Organismen arbeiten.

Die Ökos lesen Trends in Ecology. Da sich also nur wir für Trends in Plant Sciences interessieren, habe ich ein persönliches Abonnement für mein Labor gekauft. Hier funktioniert der Markt noch. Das Privatabo kommt mich deutlich billiger (209,72 € für Online- und Print-Ausgabe) als die Universität ein Institutsabo mit einer Campuslizenz. Noch einmal für die, die es immer noch nicht glauben: Die Universität als Institution bezahlt für das gleiche 3.074 €!

Privat funktioniert der Markt sogar gut. Zum Ende jeden Jahres, wenn das Abonnement ausläuft, trudeln die Erinnerungen an die neue Überweisung per Brief oder Karte ein. Eine erste Erinnerung meint, dass ich doch schnell die 209,72 € überweisen soll.

Doch 209,72 € zahlen für zwölf Heftchen? Dafür bekäme man viel Donald Duck und damit Weisheiten für den harten Forscheralltag. Zudem steht im Internet statt der 209,72 € auf meiner Abokarte ein anderer persönlicher Bezugspreis, nämlich 204 €. Wo die 5,72 € Unterschied herkommen, ist unklar.

Ich zögerte deswegen mit der Überweisung und vergaß sie schließlich. Nach ein paar Wochen bekam ich eine neue Aufforderung: 25 Prozent Rabatt, wenn ich sofort wieder abonniere. Also irgendwas mit 150 €, so 12,50 € pro Heft. Ein Micky-Maus-Heft ist zwar immer noch eine Größenordnung billiger und hat auch mehr bunte Bilder, doch hört sich das schon besser an.

Übrigens, auch die Trends-Verleger scheinen Donald Duck zu lesen, handeln sie doch nach dem Spruch von Dagobert Duck „He! He! Wenn‘s ums Geschäftemachen geht, gehöre ich noch lange nicht zum alten Eisen!

Zeitgestaffelte Rabatte sind gang und gäbe bei persönlichen Zeitschriftenabos. Wer nicht sofort erneuert, bekommt Rabatt und zwar umso mehr, je länger er wartet. So hatte ich auch die Zeitschrift Science privat abonniert. Damit kann man sich am Sonntagnachmittag beschäftigen, wenn im Fernsehen ausnahmsweise mal nix Anständiges läuft.

Auch hier kam lange, bevor das Abo auslief, die Erinnerung ins Haus geflattert. Die erste war ein Schock, der nachdenklich machte. Statt der bisherigen um die 200 € sollte ich 795 € bezahlen, allerdings stand oben drüber „Institutional Subscription“. Das kann nur ein Versehen sein, dachte ich, und warf den Zettel in den Papierkorb. Ein paar Wochen später kam die nächste Erinnerung. Diesmal mit 614,78 € und dem Hinweis „Renew early“. Dann die nächste mit 600,13 € und „Renew today“, darauf eine mit „Avoid missing issues“ und 599,20 €, dann eine mit 594,76 € und „Urgent action required“, auf der nächsten steht 591,11 € und „Science will stop arriving“, die vorletzte verlangt 587,39 € und ist bereits die „Last chance to renew“, die letzte schließlich ist noch einmal die „Last chance to renew“, diesmal für 559,65 €. Da steckt wohl nicht nur der sinkende Dollarkurs dahinter, sondern auch der Versuch, kurz mal das Doppelte zu kassieren.

Ein Blick auf die Internetseite von Science zeigt, dass der normale Mitgliedsbeitrag für ein normales Mitglied der AAAS in Europa mit gleichzeitiger Auslieferung von Science für das Euro-Äquivalent von 229,00 US $ zu haben ist. Bei den FAQ sind allerdings 227,00 US $ angegeben. In jedem Fall kommt das auf deutlich weniger als die 200 €, die ich bisher jährlich investiert hatte.

Alles ziemlich merkwürdig.

Man muss sich wohl damit abfinden, dass alles teurer wird: Ein bisschen teurer, ein paar Prozent. Wer heizt, der kennt die Ausnahmen. Erstaunlich, eben weil nicht direkt EnBW-, RWE-, Vattenfall-, E.ON- oder OPEC-reguliert, sind aber die alljährlichen Preissteigerungen bei wissenschaftlichen Zeitschriften für die Bibliotheken: So kostete Molecular Genetics and Genomics in 2007 3.498 €, 2008 3.760 € und 2009 4.098 €; oder Current Genetics in 2007 2.198 €, 2008 2.363 €, 2009 2.576 €. Jedes Jahr knapp zehn Prozent mehr.

„Wenn man dauernd gewinnt, macht‘s viel mehr Spaß!“, wusste schon Donald.

Ein Wunder, dass Micky-Maus-Heftchen so billig sind; kein Wunder, dass die Bibliotheken jedes Jahr zehn Prozent weniger Zeitschriften abonnieren können. Es wäre zwar richtig, den Verlagsforderungen nicht nachzugeben und auf Open Access-Journale auszuweichen, aber die kosten eben bei der Publikation viel Geld, (zum Beispiel Nucleic Acids Research: gut 2.000 € pro Artikel, das Dreijahresbudget für Publikationskosten bei der DFG). Zumal die Gelder für die Unis jedes Jahr ab- statt zunehmen, und die verantwortliche Politik Bitten um Ausgleich von Preissteigerungen für unverschämt hält. Bei jedem Bau der öffentlichen Hand werden unvorhersehbare Kostensteigerungen nachgefordert, die Unis sind sich dafür zu fein oder zu kleinmütig. Aber auch bei unvorhersehbaren Naturereignissen wie den steigenden Studentenzahlen trauen sich die Unis nicht, Nachforderungen zu stellen (unvorhersehbar natürlich nur für Politiker).

Leider bleibt bei den jährlichen Preiszunahmen von zehn Prozent auch das Privatabo nur begrenzt bezahlbar, irgendwann nicht mehr: Es wäre schön, wenn sich wenigstens die Gehälter in Forschung und Lehre um zehn Prozent jährlich ändern würden – aber nach oben statt wie bisher nach unten.