Gentechnik bei Pflanzen

Axel Brennicke


Editorial

(10.05.2009) Neulich schaffte es eine Pressemeldung bis auf die ersten Seiten der Zeitungen und in die „Tagesschau“: „Ich komme zu dem Schluss, dass es berechtigten Grund zu der Annahme gibt, dass der genetisch veränderte Mais der Linie MON 810 eine Gefahr für die Umwelt darstellt.“ Die Meldung stammt von der Vizepräsidentin des Landesverbandes Oberbayern im Bund Deutscher Karneval.

Sie wundern sich, wieso die Ansicht einer Karnevalsvizepräsidentin solch ein Aufsehen erregt? Zufällig ist die Karnevalsvizepräsidentin auch Bundesministerin für Landwirtschaft. Und nicht nur das. Die hübsche Ilse Aigner ist unter anderem auch Elektrotechnikerin, Hubschrauberentwicklerin, Landesvorsitzende der Wasserwacht des Bayrischen Roten Kreuzes, Mitglied im Hagelforschungsverein, Vorsitzende der Arbeitsgruppe Bildung und Forschung der CDU/CSU-Fraktion und direkt gewählte Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis 224 (Oberbayern/Rosenheim). So jedenfalls steht es auf ihrer Netzseite. Letztere Angabe lässt allerdings vermuten, dass Frau Aigner ob ihrer vielen Funktionen die Bodenhaftung verloren hat: Anscheinend kann sie sich nicht mehr erinnern, welche Wähler sie gewählt haben. Denn direkt gewählt wurde Frau Aigner nicht im Wahlkreis 224, sondern im Wahlkreis 225 (Starnberg/Tölz). Nun ja, Kleinigkeiten. Sowieso schreibt sie in Fettdruck: „Berlin ist die Stadt der politischen Entscheidungen!“ Eben! Ist doch egal welche oberbayrischen Bauernlümmel ihr Kreuz beim richtigen Namen gemacht haben.

Editorial

Gehen wir also zur Pressemitteilung der schönen Karnevalsvizepräsidentin vom 14.4.2009. Es geht, wie gesagt, um das Verbot des Genmaises MON 810: „Meine Entscheidung ist entgegen anders lautender Behauptungen keine politische Entscheidung“, sagte Aigner. „Es ist eine fachliche Entscheidung und dies muss es aus rechtlichen Gründen auch sein.“ Damit will sie wohl andeuten, dass sie sich nicht dem Druck von Interessengruppen beugte oder auf Wählerstimmen schielte.

Als Elektrotechnikerin versteht Frau Aigner sicher mehr von Landwirtschaft als die katholische Gewissensbildungsexpertin, die als Bundesforschungsministerin fungiert. Deren Erkenntnisse „… die grüne Gentechnik ist eine Zukunftstechnologie…“ benennt sogar die zurückhaltende Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung am 19.4.2009 als „geradezu rührend hilflos.“ Zudem hat die Karnevalsvizepräsidentin laut Pressemitteilung bei Profis nachgefragt: „Die Bundesministerin hatte um eine umfassende Bewertung der von Monsanto Ende März vorgelegten Ergebnisse des Beobachtungsprogramms zum Anbau von MON 810 sowie um Prüfung möglicher neuer Aspekte hinsichtlich der Umweltauswirkungen von MON 810 gebeten. Die Bewertung durch die Bundesbehörden (Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Julius Kühn-Institut, Bundesamt für Naturschutz) ergab keine einheitliche Auffassung.“

Aha, „keine einheitliche Auffassung“. Mit anderen Worten: die Fachleute wissen es nicht. Dennoch versichert Aigner in der gleichen Pressemitteilung: „Ich komme zu dem Schluss, dass es berechtigten Grund zu der Annahme gibt, dass der genetisch veränderte Mais der Linie MON 810 eine Gefahr für die Umwelt darstellt.“

Wie um Gottes Willen kam Frau Aigner zu dem Schluss? Hat sie gewürfelt? Hat sie sich ein Stethoskop auf den Bauch gesetzt? Die einzige fachliche Entscheidung, die unsere Landwirtschaftsministerin hätte treffen können, ist die entsprechenden wissen- schaftlichen Studien sauber dokumentiert wiederholen zu lassen. So hängt die Aus- sage, dass Nutzinsekten wie die Larven des Zweipunkt-Marienkäfers von dem Toxin im Mais MON 810 vergiftet werden können, an der Frage, ob dessen Larven Blattläuse aussaugen oder fressen.

Aber vielleicht sehe ich das zu eng, vielleicht fehlt mir der Überblick über den die Bundeslandwirtschaftsministe- rin aus ihrem früheren Engagement als „Stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Tourismus“ verfügt. Vielleicht hat sie ja als Mitglied der Waldbesitzervereinigung doch „eine fachliche Entscheidung“ gefällt und ich bin zu beschränkt, dies zu erkennen.

Wohlgemerkt, es geht hier nicht um Wissenschaft, es geht nicht um die Statistik und Validierung der Experimente, die zeigen oder auch nicht zeigen, dass das Toxin aus dem Bodenbakterium Bacillus thuringiensis im Mais MON 810 Insekten schadet. Es geht um das Absaugen wissenschaftlicher Fragestellungen, Experimente und Ergebnisse in den medienpolitischen Sumpf.

Wissenschaft verträgt sich nicht mit politischer Opportunität. Doch wegen ihrer finanziellen Abhängigkeit von der Politik ist sie schwach. Daher kommt die Wissenschaft, sobald ihre Aussagen poli- tisch relevant werden, unter Druck und ins Straucheln.

Der Druck kommt mal von der und mal von einer anderen Seite. So gibt das Bundesministerium für Forschung Gelder fast ausschließlich für Projekte, die in Zusammenarbeit mit privaten Unternehmen wie Monsanto oder BASF durchgeführt werden. Ihr Erfolg wird in der Zahl der daraus beantragten und erteilten Patente gemessen. Gleichzeitig wirft das Bundesministerium für Landwirtschaft Monsanto vor, dass es diese Patente nutzt, um Geld zu verdienen. Schnell blubbert auch der Vorwurf hoch, Monsanto sei ein internationaler Multi. So wie Greenpeace.

Wenn die Firma kein internationaler Multi ist, hilft ihr das auch nicht. So wurde mit Geldern des Bundesministeriums für Forschung und der BASF in Deutschland die transgene Kartoffel Amflora entwickelt und schließlich von der BASF patentiert. Natürlich weiß man nicht, wem BASF letztendlich gehört, aber das weiß man bei Monsanto und bei der Daimler AG auch nicht. Amflora ist aber eindeutig ein deutsches Produkt. Dennoch wird dessen Anbau von der deutschen Politik ebenso hintertrieben wie der Anbau des fürchterlichen Monsanto-Bt-Maises. Dabei soll die Kartoffel ausschließlich industriellen Zwecken dienen, zum Beispiel als Klebstoff.

Bayerns Umweltminister Söder sagt dazu: „Es kann nicht sein, dass Tiere, Pflanzen oder sogar Menschen patentiert werden, nur dass einzelne profitieren…“.

Ja wie? Wofür gibt es denn Patente? Wer, wenn nicht die Patentnehmer, sollen davon profitieren? Plötzlich sind die Politiker gegen Patente, aber gleichzeitig soll Wissenschaft angewandt sein, soll Patente anmelden und Profit bringen. Jede Universität muss Patentbüros nachweisen, aber patentierte Maiskörner dürfen nicht verkauft werden. Die Universitäten dürfen nicht einmal die Patente, die sie laut Forderung der Politik anmelden sollen, auf dem Acker testen. Auch hier weiß die linke Hand nicht, was die rechte tut.

Wie können wir erwarten, dass ein Pri- vatunternehmen mit uns Forschern ein gemeinsames Projekt beim Bundesministerium für Forschung beantragt, wenn andere Ministerien die Nutzung der Ergebnisse verbieten? Aber das sehe ich wohl wieder zu eng: Offensichtlich sind gesicherte experimentelle Daten für unsere politischen Tausendsassas verzichtbar. Ein Politiker kann eben „fachliche Entscheidungen“ auch ohne Daten fällen und begründen, vorausgesetzt er ist Mitglied im Kolping-Verein Holzkirchen.

Wenn die Politiker ehrlich sagen, dass sie nur daran denken, bei der nächsten Wahl mehr Stimmen zu bekommen, dann dürften selbst die Oberbayern ins Grübeln kommen, egal ob in Starnberg oder Rosenheim. Also werden ihre Vertreter weiter die Ängste ihrer (vermeintlichen?) Klientel bedienen. In diesem Fall: Horrorszenarien einer sich ändernden Welt malen und sich als Bewahrer des Alten profilieren. Wie CSU-Generalsekretär Dobrindt sagte, als Bayern im April zur Gentechnik-freien Zone erklärt wurde: „Uns ist die Bewahrung der Schöpfung wichtig.“ Und Bayern wird zum Paradies.