Erdnüsse für die Universitäten

Axel Brennicke


Editorial

(30.07.2009) Eigentlich wollte ich das Signal vom 4. Juni 2009 nicht heruntermachen. Die zusätzlichen 18 Milliarden Euro für die (Aus-)Bildung der Studenten und die Wissenschaft zwischen 2011 und 2019 sind ein Schritt in die richtige Richtung.

Aber dann musste ich mich über das Editorial der guten Zeitschrift BIOspektrum (Band 15, Seite 359) ärgern. Geschrieben hat es der „Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft“. Er fängt so an: „Bis zuletzt blieb es spannend. Doch schließlich ging es gut aus – gut für die Wissenschaft und gut für Deutschland. Nicht zuletzt auch, weil Wissenschaftsministerin Prof. Dr. Annette Schavan vehement für das Paket der Paktege kämpft hat:...“ Olala!

Ehrfürchtig erwähnt der Präsident die 18 Mrd. gleich zweimal: Beim ersten Mal sagt er immerhin, dass diese über mehrere Jahre verteilt werden: „Damit werden zwischen 2011 und 2019 zusätzlich 18 Milliarden in Forschung und Lehre investiert.“ Bei der Aufwärmung der 18 Mrd. lässt er das weg und kommt ins Beten: „Mit rund 18 Milliarden werden zusätzlich 275.000 Studienplätze geschaffen, die Exzellenzinitiative stärkt die Spitzenforschung an Hochschulen und gibt dem wissenschaftlichen Nachwuchs neue Perspektiven.

Nicht nur da betet er. Der ganze Aufsatz klingt, als wäre er von Frau Schavans Pressereferenten geschrieben worden: Phrasen führen zu Gemeinplätzen, von denen wiederum andere Phrasen zu anderen Gemeinplätzen führen, und am Ende steht der Stadtplan von Krähwinkel. Das Gebet „Mit rund 18 Mrd. % werden zusätzlich 275.000 Studienplätze geschaffen...“ klingt in meinen Ohren wie „Maria voll der Gnade, bitte für uns“, und wird auch dann keine Wirkung haben, wenn man die Litanei noch so oft wiederholt. Mit den 2 Mrd. Euro pro Jahr sollen eben nicht nur „zusätzlich 275.000 Studienplätze geschaffen“ werden, davon gehen noch die „Exzellenz“ und Sonstiges ab. In Wahrheit wird sich für die Unis die Lage laufend verschlechtern.

Editorial

Auf der BMBF-Seite (http://www.bmbf. de/de/6142.php) wird dieser Sachverhalt im BMBF-typischen Nebelstil kleinkariert abgedröselt: „Um die Leistungsfähigkeit der Hochschulen zu sichern und die Hochschulen offen zu halten für eine erhöhte Zahl von Studienanfängern, haben Bund und Länder die Fortsetzung des Hochschulpakts 2020 beschlossen. Für die 2. Programmphase inklusive deren Ausfinanzierung stellt allein der Bund über fünf Mrd. Euro bereit. Die für die Jahre 2011 bis 2015 zu erwartenden 275.000 zusätzlichen Studienanfänger sollen die Chance für die Aufnahme eines hochwertigen Studiums erhalten.

Hier sind es nur noch 5 Mrd. € für die Studienplätze. Die restlichen 13 Mrd. € haben nichts mit Studenten oder Forschung oder Finanzierung der Unis allgemein zu tun. Über welchen Zeitraum diese 5 Mrd. € gestreckt werden sollen, bleibt unklar.

Eine Nachfrage bei der Pressestelle des BMBF ergab, dass die 2. Programmphase von 2011 bis 2018 dauere, also acht Jahre gemeint seien. Zwar steht da noch: „Der bis zum Jahr 2020 konzipierte Pakt wird gem. Vereinbarungsentwurf für eine zweite Phase bis Ende 2015 fortgeschrieben“, was auf fünf Jahre hindeutet, doch die Presse-Dame, damit konfrontiert, bestand auf acht.

Immerhin enthält der Vereinbarungsentwurf: „... die Finanzierung von Programmpauschalen für von der DFG geförderte Forschungsvorhaben (Overhead).“ Overheads sind gut! Auch wenn die Unis sie oft für dubiose Zwecke verwenden (LJ 9/2008, Seite 32). Wieviel Geld gibt‘s? „Hierdurch erhalten die Hochschulen rund 1,7 Mrd. Euro zusätzlich.“ Ziehen wir diese von den 5 Mrd. € für die 275.000 neuen Studienplätze ab, bleiben noch 3,3 Mrd. ` für 8 Jahre, also 413 Mio. € pro Jahr. Bringt 1.500 ` pro Studentenkopf und Jahr.

Andererseits rechnet das BMBF: „Für die zweite Programmphase steigt der Preis pro zusätzlichen Studienanfänger von 22.000 auf 26.000 Euro, wovon der Bund 13.000 Euro zur Verfügung stellt. Die Länder stellen die Gesamtfinanzierung sicher.“ Das ist, erklärt die Pressestelle, ein Kopfgeld für den BSc beziehungsweise MSc/ MA (der Begriff Kopfgeld ist von mir, der Presse-Dame missfiel er). Es beziehe sich auf ein Stichjahr und sei, ähnlich wie eine Heizkostenpauschale, eine Vorauszahlung. Bei der späteren Abrechnung würden Abbrecher/Wechsler wieder abgezogen. Der Effekt: Unsere Verwaltung wird uns bitten, möglichst wenige durchfallen zu lassen, sonst kriegt die Uni weniger Geld. Das nennt man dann Niveausteigerung.

Setzen wir daher mal voraus, alle, aber auch alle schaffen ihr Studium in fünf Jahren. Dann verspricht das BMBF, 2.600 € pro Jahr pro Studi zu zahlen. Falls die Länder 2.600 € zulegen, kämen 5.200 € zusammen. Wie sich die 2.600 € mit den obigen 1.500 € vertragen, bleibt das Geheimnis des BMBF. Ich jedenfalls glaube, was Staatsgaben anbetrifft, immer an die kleinere Zahl.

Die Gretchen-Frage aber ist, was kostet ein Studienplatz wirklich? Pro Jahr. Pro Studi. Das einfachste ist, das Gesamtgeld ohne Drittmittel, das eine Uni pro Jahr zur Verfügung hat, durch die Zahl der Studenten zu teilen. Zugegeben, da ist auch die Uni-Forschung drin. Aber Studienplätze brauchen Forschung. Für fünf herausgegriffene Unis ergibt sich ein Schnitt von 9.000 bis 10.000 ` pro Jahr pro Studi. Es gibt keinen großen Unterschied zwischen kleinen Unis wie Konstanz in einem reichen Bundesland oder großen Unis wie die FU Berlin in ärmeren Bundesländern. Daher kann keiner behaupten, die zusätzlichen Studenten kosteten weniger, weil alles schon da sei, Bibliotheken, Labors und Profs. Denn wenn die Zusatzkosten geringer wären als die Durchschnittskosten, bräuchte eine große Uni pro Studi-Kopf weniger Geld als eine kleine.

Wohlgemerkt: die 9 bis 10.000 € pro Jahr und Studi gelten im Moment. Selbst der Helmholtz-Präsident hat gemerkt: „Die Hochschulen waren seit Jahren unterfinanziert, die Studienbedingungen hatten sich verschlechtert.“ Merkwürdig der Plusquamperfekt: „waren seit Jahren unterfinanziert“ – sind sie es heute etwa nicht? Das erklärt sich wohl aus argumentativen Zwängen, denn der Präsident hatte zuvor geschrieben: „In Deutschland ist in den letzten Jahren neuer Schwung in das Wissenschaftssystem gekommen, gerade noch rechtzeitig.

Für die Universitäten kann ich das nicht bestätigen. Denn fassen wir zusammen: Der Bund schafft 275.000 Plätze für die zusätzlichen Studienanfänger. Er gibt dafür 1.500 € pro Jahr pro Studi aus. Die Länder tun vielleicht noch mal so viel dazu. Das wären dann 3.000 € pro Jahr pro Studi. Die echten Kosten liegen aber bei mindestens 9.000 € pro Jahr. Die 275.000 neuen Studienplätze für 3,3 Mrd. € stellen also eine Kürzung dar!

Warum pinselt dann der Helmholtz-Präsident Frau Schavan den Bauch?

Weil die Helmholtzler, ebenso wie die MPGler, pro Jahr wirklich mehr Geld bekommen: „Ihre Zuschüsse sollen in den Jahren 2011 bis 2015 jährlich um 5 % steigen, hinzu erhalten sie durch zusätzliche Mittel für Neugründungen und Änderungen in der Förderform den Spielraum, um trotz steigender Kosten dynamische Entwicklungen voranzutreiben.

Deswegen auch die weit herausgestreckte Krawattennadel des Präsidenten: „Genauso wichtig ist der Pakt für Forschung und Innovation, der den außeruniversitären Forschungseinrichtungen einen jährlichen Aufwuchs von fünf Prozent zusichert.“ Fünf Prozent Zuwachs pro Jahr fänden die Universitäten auch besser als von Jahr zu Jahr zusammengekürzt zu werden!

Nicht, dass ich denen das Geld neide, im Gegenteil: Helmholtz-Gemeinschaft und MPG machen gute Forschung. Aber sollten nicht auch die Unis etwas abbekommen? Ich meine: nicht nur scheinbar. (Unter-) Schreibt doch selbst der Präsident: „Beide Maßnahmen sind unverzichtbar, damit die nächste Generation eine hervorragende Ausbildung erhält und die Universitäten starke Partner in der Forschung bleiben.“ Er ängstigt sich wohl, dass die Unis der Helmholtz-Gemeinschaft keine gut ausgebildeten Studenten mehr liefern.

Aber da sind ja noch die 1,7 Mrd. € Überkopfgelder für acht Jahre für die Unis, schreit da einer. Ist das etwa nichts?

Doch, das ist was. Aber wieviel? Wieviel Geld bekommen die deutschen Unis insgesamt? Die FU Berlin kostet pro Jahr an Landesmitteln (ohne Drittmittel) 290 Mio. €, die Uni Kiel 144, Ulm 80, Würzburg 190 (diese Zahl stammt aus 2006), die Uni Konstanz 73 (2004, vermutlich hat man an der Eliteuni Wichtigeres zu tun, als Webseiten zu aktualisieren).

Langer Zahlen kurzes Fazit: Ich habe keine Zahl für ganz Deutschland gefunden. Rechnen wir also anders: Es gibt 2 Mio. Studenten, davon 1,2 Mio. an den Unis und 800.000 an den FHs (http://de.wikipedia. org/wiki/Student). Die 1,2 Mio. Uni-Studis kosten je 10.000 € pro Jahr, macht 12 Mrd. pro Jahr. Zu diesen 12 Mrd. € bekommen die Unis jetzt vom BMBF 212 Mio. € für Infrastruktur und Forschung. Das ist ein jährlicher Zuwachs von 1,8 Prozent, der zudem von den Wissenschaftlern bei der DFG eingeworben werden muss. Helmholtz & Co. bekommen 5 Prozent.

Ein Nebeneffekt dieser Förderungsstrategie: Die Forschungskonkurrenz der Unis wird ausgeblutet. Kein Wunder, dass der Helmholtz-Präsident das BMBF und dessen Vorsitzende über den transgenen Klee lobt: „Nun kann diese positive Entwicklung noch an Fahrt gewinnen [...] Diese Investition ist nachhaltig und wird sich positiv auswirken: Sie [...] gibt der kommenden Generation das Signal, dass es sich lohnt, ein Studium aufzunehmen [...] und hilft so, unseren Wohlstand zu erhalten.

Welch eine Phrasensammlung! Maria hilf! Hilf positiv. Apropos positiv: Nein, der Präsident ist kein Elektriker, sondern Quantenoptiker. Aber soviel sollte auch ein Quantenoptiker von Elektrik verstehen: Wenn etwas Positives Fahrt aufnimmt, kann die nur zum Negativen gehen.