Was Frauen wolle(r)n

Axel Brennicke


Editorial

(12.02.2010) Um eines klarzustellen: ich bin für Frauen. Meine besten Freundinnen sind Frauen. Ich bin dafür, dass nicht alles an den Männern hängen bleibt. Frauen sollen dem gleichen Karrierestress ausgesetzt werden wie Männer, und dann auch zehn Jahre früher sterben. Mit dieser Meinung stehe ich nicht alleine da. Die Behörden helfen mit, die bisherigen Ungleichheiten abzuhobeln. Hier einige exzellente Initiativen aus Baden-Württemberg.

Die bekannteste läuft unter der Überschrift „Starke Frauen braucht das Land“. Sie kommt weder aus dem Landwirtschaftsministerium noch aus der Sendung „Bauer sucht Frau“, sondern aus dem Wirtschaftsministerium, einer 490-Personen- Behörde. Eifrig den Zeichen der Zeit folgend wirft sie stapelweise frauenbewegte Traktätchen unters Volk. Darunter „Frauen auf dem Weg in Führungspositionen“, „Zukunft durch Qualifizierung“ und „Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Wirtschaftsministerium B-W“.

Da wurde viel geistige Arbeit investiert: die Formulierungen wurden „kompetent entwickelt“, gegengelesen, auf politische Korrektheit und Linientreue kontrolliert, und schließlich auf „hochrangig besetzten“ Konferenzen freigegeben. Offensichtlich ist das wichtig!

Editorial

Gucken wir also, was im Wirtschaftsministerium frauenmäßig abgeht. Erst mal ein Mittel gegen Übelkeit eingeworfen, dann die Broschüre „Starke Frauen braucht das Land“ aufgeschlagen. Unter „Weiterführende Maßnahmen und Ziele seit 2008“ steht dort: „Um eine kontinuierliche Weiterentwicklung der familienbewussten Personalpolitik zu gewährleisten, wurden anlässlich der ReAuditierung im Jahr 2008 neue bzw. weiterführende Ziele und Maßnahmen vereinbart.“

Dass es im Wirtschaftsministerium auch Ziele gibt, die nicht weiter führen, wundert mich nicht, aber was bedeutet ReAuditierung? Der Begriff wird oft erwähnt aber nie erklärt. Zu den weiterführenden Zielen und Maßnahmen gehören unter anderem:

  • „Die Akzeptanz von Teilzeitbeschäftigung erhöhen“;
  • „Die Sensibilisierung der Führungskräfte fortführen“;
  • „Die Sozialkompetenz der Führungskräfte stärken“;
  • „Die Vorgesetzteneinschätzung weiter entwickeln und fortführen“;
  • „Die für den Arbeitsplatz erforderlichen Kompetenzen im Mitarbeitergespräch feststellen und die Fortbildung entsprechend ausrichten“.

Das klingt wie das Programm einer Esoterikgruppe. Doch zu Laufbahnrodlern, die Formulare für Hartz IV entwerfen, passt dies Sozialpädagogengesülze nicht. Wahrscheinlich müssen die Beamten später psychologisch betreut werden.

Für einen Realitätsverlust des Ministeriums spricht auch die unerträgliche Selbstbeweihräucherung. Es besitze „Unternehmenskultur mit Vorbildcharakter“ und „mit den vorteilhaften Rahmenbedingungen möchte es zudem seiner Vorbildfunktion für die Wirtschaft gerecht werden.“ Eine Behörde als ein Unternehmen mit Vorbildcharakter? Das Ministerium behauptet das bar jeder Ironie. Die Versicherung, „mit einer Personalpolitik, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützt, wenn sie ihre Berufstätigkeit mit familiären Verpflichtungen vereinbaren wollen, positioniert sich das Wirtschaftsministerium als moderner, attraktiver Arbeitgeber“, weckt den Verdacht, dass es darum geht, dem Steuerzahler weitere Bürokraten zu den schon vorhandenen 490 aufzuhalsen. Dies scheint auch notwendig, weil sich die Behörde zusätzlichen Aufgaben widmet, zum Beispiel der Kultur: „Es hat sich außerdem gezeigt, dass [...] die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein Teil der Kultur in der Dienststelle geworden ist: Von den (Re)Auditierungen und dem kontinuierlichen Umsetzungsprozess sind im Wirtschaftsministerium deutliche Impulse ausgegangen.“ Ebenfalls Teil der Dienststellenkultur wurde der Schwallsprech von Werbeama teuren.

Jetzt ist mir doch schlecht geworden. Greifen wir zu einem anderen Pamphlet:

„Das Audit ‚berufundfamilie‘, entwickelt auf Initiative und im Auftrag der Hertie-Stiftung, ist ein in allen Branchen einsetzbares strategisches Managementinstrument zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie.“

Warum erinnert mich „Managementinstrument“ so fatal an „Förderinstrument“? Vielleicht weil beides von Bürokraten ersonnen und in ihrer Wirksamkeit nie überprüft wurde. Weiter: „Das Audit erfasst im Rahmen einer ersten Auditierung zunächst den Status quo bereits angebotener Maßnahmen“, und „dann werden aufeinander abgestimmte konkrete Ziele und Maßnahmen zu einer umfassenden und erfolgreichen Gesamtstrategie entwickelt.“ Das Wirtschaftsministerium weiß also nicht, was es gerade macht, aber wenigstens, was später erfolgreich sein wird. Die Einbildung, Entwicklungen voraus sehen zu können, ist die psychische Grunderkrankung aller beamteten Planwirtschaftler. Sie generiert Unternehmen, die keiner braucht. So die berufundfamilie GmbH, die als privatwirtschaftlich verpacktes Planwirtschaftsunternehmen die praktische Umsetzung prüft, also ebenfalls beweihräuchernde Hochglanzbroschüren produziert.

Ein weiteres Glanzlicht aus dem Wirtschaftsministerium ist die „Initiative Frauen in Naturwissenschaft und Technik“. Sie „hat die Förderung technischer und naturwissenschaftlicher Berufslaufbahnen von Mädchen und Frauen zum Ziel“. Der Minister stellt fest: „Das Potenzial gut ausgebildeter Frauen ist – insbesondere in Zeiten des demografischen Wandels sowie eines drohenden Fachkräftemangels – für die nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit […] von entscheidender Bedeutung.“ Ob das „Frauenpotenzial“ und die Erwartung von Berufslaufbahnen mit der Geburtenrate zusammenhängen, bleibt unbefragt.

„Es gilt daher, vielfältige Maßnahmen anzuregen, die zu einer effizienten Begleitung und Unterstützung der Frauen auf ihren Berufswegen beitragen.“ Ist es effizient, wenn man für jede Frau eine effiziente Begleitung beisteuert? Oder glaubt der Minister, die Frauen würden auf ihrem Berufsweg überfallen?

Besonders gefährlich scheint der Weg zur Universität zu sein, denn er fehlt in den ministeriellen Broschüren. So heißt es: „Adressaten des Projektes sind zum Beispiel Ausbilder/-innen, Personalentwickler/-innen, Berufsverbände, Kammern, Wirtschaftsorganisatio nen, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen sowie Multiplikator/-innen.“ Die Aussage ist indirekt, aber klar: Frauen haben an einer Universität nichts zu suchen! Wahrscheinlich wollen die Ministerialdirektoren die Studentinnenzahlen reduzieren und uns Universitätslehrern die Arbeit erleichtern. Danke, liebes Wirtschaftsministerium!

Wie aber soll man solche Broschüren, effiziente Begleiter, Managementinstrumente bezahlen? Durch Steuertricks! Die Initiative ‚Frauen in Naturwissenschaft und Technik’ wird von der Landesstiftung Baden-Württemberg gefördert. Die wiederum hat Milliarden Euro aus dem Verkauf eines Energiekonzerns am Finanzamt vorbeigeschummelt. Sie musste nur die Auflage akzeptieren, dass ausschließlich besondere Aufgaben des Landes daraus finanziert werden dürfen. Die Förderung von Frauen in Naturwissenschaft und Technik ist also keine normale Aufgabe, sondern eine Kür. Normalerweise gibt sich die Landesregierung mit Frauen nicht ab. Gekürt werden: „Modellprojekte und Konzepte initiieren und durchführen, die […] Frauen in der außeruniversitären Forschung sowie Mädchen in einer technischgewerblichen Ausbildung unterstützen.“

Da ist es wieder: Nur Frauen außerhalb der Universitäten werden unterstützt. Recht so! Aber womit? In der vielseitigen Broschüre „Frauen in Führungspositionen“ empfiehlt das Wirtschaftsministerium die Veranstaltungen „Frauen entwickeln Führungsqualitäten“ der Kontaktstelle „Frau und Beruf Neckar-Alb“. Dort wird Frau für nur 98 Euro vier Stunden lang „das besondere Tanzseminar“ angeboten: „Mit dem Medium Tanz können Sie neue Erfahrungen über Ihre Führungsqualitäten machen. Am Beispiel eines Paartanzes […] werden Sie auf der Tanzebene Ihre persönlichen Führungsqualitäten bewusst wahrnehmen, erweitern und reflektieren.“

Bei allen Paartänzen führt der Mann und mancher Mann führt ins Verderben. Aber macht nichts: die Kontaktstelle hat auch eine Veranstaltung zu bieten, die männlicher und damit für führende Frauen interessanter erscheint:

„coach dogs / Tierische Impulse für Ihren Auftritt als Führungskraft!“ Bei diesem „1-Tages-Intensiv-Traning“ geht es nach Auszügen aus dem „mehrfach ausgezeichnete(n) Trainings- und Coachingkonzept“ um folgendes: „Hunde sind echte […] Kommunikationsprofis. Im Umgang mit ihnen ist unsere Kommunikationskompetenz gefragt […] Denn der Hund […] durchschaut uns in allen Facetten. In unserem Training werden Sie aktiv! […] Seien Sie mutig! Gerade Frauen verstecken sich oft hinter selbst gesteckten Grenzen! Verlassen Sie Ihre Komfortzonen.“ Dies zum Schnäppchenpreis von 422 Euro für acht Stunden von 10-18 Uhr und inklusive „Bewirtung“ (außer Tiernahrung). Für mich wäre das gut angelegtes Geld, denn ich weiß nie, was Frauen denken. Gut, dass wenigstens der Hund Frau in allen Facetten durchschaut.

Ein letztes Problem: In der Broschüre zu „Frau, Wirtschaft und Technik“ steht, die Gleichstellung von Frauen und Männern im Berufsleben sei ein Hauptanliegen des Wirtschaftsministeriums. Hauptanliegen dürfen aber, siehe oben, nicht von der Landesstiftung finanziert werden.

Dennoch finden vom 21. - 23. Oktober 2010 die Frauenwirtschaftstage statt. Nix wie hin! Oder zum „Fachtag ‚Zukunftsfaktor Mädchen – Win-Win-Situationen für Mädchen und Betriebe‘…“ ! Dort allerdings ist das Ministerium in seiner Einstellung zum Frauenstudium nicht konsequent geblieben.