Das Land schießt zu und daneben

Axel Brennicke


Editorial

(21.02.2011) Es gibt Menschen, die sind lernfähig. Ich gehöre wohl nicht dazu. Ich hatte Sie ja schonmal gewarnt, dass der zentrale Einkauf auf Universitätsebene oder Bundeslandsniveau niemals billiger ist als Ihre eigenen Verhandlungen. Ich selbst habe nicht auf mich gehört. Wieder bin ich darauf hereingefallen.

Meine Entschuldigung ist, dass ein Kollege, der Schwabe aber nicht nur deshalb sparsam ist, das Angebot des Landes Baden- Württemberg angenommen und dort einen Computer bestellt hat. Dieser Computer wurde zentral für das ganze Bundesland verhandelt und müsste deshalb deutlich billiger sein als einer, der auf dem freien Markt erhältlich ist. Theoretisch. Vielleicht wird er sogar noch mit Steuergeld vom Land der Badener und Schwaben subventioniert, das ist nicht herauszufinden, wird dezent verschwiegen, ist aber nicht unwahrscheinlich.

Und ich bin doch blöd. Und mein Kollege auch. Denn er hat einen Computer bestellt und ich auch.

Exzellent ist das Werbeblatt mit dem Wappen des Landes Baden-Württemberg. Es verspricht den „BW-PC III“. „Für ALLE Hochschulen in Baden-Württemberg!“ Das sei eine Kooperation dieses Bundeslandes mit der „Bechtle AG“. Wer weiß, was da für obskure Verhandlungen mit wem abgelaufen sind, auf allen späteren Schreiben fungiert der Händler nicht als Aktiengesellschaft, sondern als GmbH.

Editorial

Auf dem Werbeblättchen sind zwei angebliche Studenten zu sehen, die sich anscheinend über das Treiben auf dem Bildschirm vor sich freuen. Ferner ist der Computer abgebildet, um den es geht, ein Tower mit Maus, Tastatur und Bildschirm. Darunter steht: 395 € Gesamtpreis inklusive MwSt. Mit diesem Trick hat sich das Land (und damit ich) schon das erste Mal übers Ohr hauen lassen. Denn daneben steht klein gedruckt, worum es sich bei dem BW-PC wirklich handelt: das ist lediglich der Tower, eine Tastatur und eine Maus. Der Bildschirm, obwohl abgebildet, ist nicht dabei. Was sollen Studenten und Mitarbeiter wohl mit einem Computer ohne Bildschirm? Also muss der noch dazu gekauft werden. Der billigste LG Flatron mit 22’’ kostet auf dem Flyer zusätzlich lockere 145 €, der etwas größere mit 24’’ dann auch schon schlappe 196 €. Wenn man dann weiter im Kleingedruckten liest, stellt man fest, dass die Kiste ohne Betriebssystem verkauft wird. Was sollen die Mitarbeiter ohne Betriebssystem? Also muss man Windows 7 dazu kaufen, macht noch einmal müde 122,50 €.

Damit sind wir plötzlich 652,50 € für ein durchschnittliches Arbeitsgerät los, einen Computer ohne besondere Feinheiten in einem wie abgebildet hässlichen und altmodischen Gehäuse aus der Ramschabteilung mit ganz sicher unergonomischer Tastatur und unhandlicher Maus. Laut Bild mit Schnüren an den Tower anzuschließen, wahrscheinlich damit sie nicht geklaut werden.

Gleichzeitig bietet ein einschlägiges Technikhaus ein Gerät mit vergleichbarer Leistung inklusive Monitor, inklusive aufgeladenem Windows 7-Betriebssystem und dazu noch mit einem Drucker für 499 € an. Allerdings fehlen bei diesem ehrlich kommerziellen Angebot die Tastatur und die Maus. Einmal Umblättern im Prospekt zeigt, dass diese dann doch immerhin mit 15 bis 40 € zu Buche schlagen. Dafür haben die aber auch keine Schnüre. Obwohl ein Drucker dabei ist, kostet das Ganze immer noch lässige 100 € weniger als das vom Land Baden-Württemberg ausgehandelte Spezial-Super-Sonderangebot.

Versandhaus Otto bot bis zum 31.12.2010 für 0,99 € mehr ein schickes Ensemble in elegantem Schwarz inklusive Tastatur inklusive Drucker und inklusive Monitor und inklusive Windows 7 bei gleicher Leistung unter dem Titel „Einsteiger- PC-Set“ an. Die Leistungen bei diesem Einsteiger entsprechen ziemlich genau dem, was der BW-PC III für die Nachwuchselite im Musterländle als tolle Sache anpreist.

Der Laden, der von sich behauptet, er sei nicht blöd, muss noch teure Fernsehwerbung und Postwurfsendungen finanzieren. Dieser Mediamarkt zeigt auf, was für ein echter Geniestreich dieser BW-PC III für das fortschrittliche Musterländle wirklich ist. Die haben nämlich so primitive Einsteigergeräte gar nicht in ihren Broschüren, sondern bieten für 150 € mehr einen Allin- one-Computer an, mit einem doppelt so schnellen Arbeitsspeicher, zwar mit einer nur halb so großen Festplatte, dafür aber mit Windows und Office 2010 und einem Multitouch Display.

So etwas haben die Verhandler im Land Baden-Württemberg wahrscheinlich noch nie gesehen. Die „Ich-Bin-doch-Blöd“en haben auch einen Minitower mit einem dreifach so schnellen Arbeitsspeicher und einer fünfmal so großen Festplatte für 599 €.

Direkt vergleichbar fündig werden wir dagegen bei Saturn. Dieses Haus bietet ein Einsteigermodell an, das einen 50 Prozent schnelleren Arbeitsspeicher und eine 25 Prozent größere Festplatte sowie das Windows 7-Programm installiert hat, mit Tastatur, Maus und Minitower für 399 €, das sind 118 € weniger als der BW-PC III, den das Land so günstig verhandelt hat, dass man die Kisten „…nur für Hochschulen zu dienstlichen Zwecken…“ abgeben will. „Privatbestellungen sind zwingend ausgeschlossen!“ Da müsste ich aber auch privat genauso dämlich sein wie dienstlich, wenn ich 118 € mehr für ein schlechteres System bezahle. Ach ja, die Zusammenschrauber der Vergleichsangebote sind ähnlich renommiert wie das Logo des BW-PCs.

Die Entscheidung ist nicht schwer, wir geben dieses Gerät selbstverständlich wieder zurück und stornieren unsere Bestellung. Das Problem ist nur mit der Rückgabe, dass wir das Gerät noch gar nicht haben. Das kam so:

„Meine Bestellung ging am 28.10.2010 auf die Reise, unter dem Decknamen eines obskuren Projektes per E-Mail an das Rechenzentrum der Universität Freiburg und von dort an die Bechtle GmbH. Dabei weiß man nie genau, wie lange Elektronen aus dem Lande der Schwaben in das Land der Badener brauchen. Und wenn das Rechenzentrum der Uni Freiburg ein ähnlicher Laden ist wie das an der Uni Ulm, braucht man sich nicht zu wundern, wenn gar nichts ankommt. Immerhin, es kam an und dauerte lediglich schlappe drei Wochen, bis die Bestellbestätigung von der renommierten Computerfirma datiert auf den 18.11.2010 bei uns einging.“

Die Computerklitsche nennt sich ITSystemhaus. Was immer das nun ist. Muss viel los sein dort, unsere neue Kundennummer hat die unglaubliche Zahl 9000903108. Dort scheint sogar so viel los zu sein, dass sämtliche Computer ausverkauft sind. Zu Weihnachten ist eigentlich Bescherung, aber unser Computer ist immer noch nicht vollständig.

Auf unser Drängen kamen immerhin eine Kiste und eine Rechnung am 21.12.2010 – wir hätten die noch in 2010 bezahlen müssen, da das Geld für die Ersatzbeschaffung des kaputten, zwölf Jahre alten Rechners in diesem Jahr reserviert war. Aber die Rechnung kam zwei Tage zu spät, nach dem Kassenschluss. Und es fehlte auch noch der Bildschirm. Der kam erst im Jahr drauf. Mit einem Lieferschein vom 7.1.2011 stand diese Kiste am 10.1.2011 bei uns in der Poststelle.

Der Chef der Bechtle AG Deutschland, Thomas Olemotz, sagte in einem Interview mit Patrick Bernau (FAS, 16.1.2011) dazu: „Im Handel sind wir zwar nicht der günstigste Anbieter, aber wir liefern verlässlich“, und „mit Sicherheit schaffen wir einen Rekordumsatz“. Es wundert uns nicht, wenn er auf die Frage „Die Krise lief bei Ihnen so gut, weil Sie Aufträge von der öffentlichen Hand hatten. Kann man damit in Zukunft wachsen?“ locker zugibt „Ja.“

Auf der Netzseite des Freiburger Rechenzentrums sieht man dann auch die Maus und Tastatur deutlicher – selbstverständlich altmodisch passend zu dem wirklich altmodischen Gehäuse haben Maus und Tastatur tatsächlich noch Kabel. Ich wusste gar nicht, dass so etwas noch hergestellt wird. Wird es vielleicht auch nicht mehr und dieses sind einfach übrig gebliebene Teile, die nicht mal in der vierten Welt mehr abzusetzen waren.

Und dann steht da noch: „Dieses Angebot richtet sich ausschließlich an die bezugsberechtigten Hochschulen des Landes Baden-Württemberg. Studenten sind ausgeschlossen. Es gilt sowohl für Neu- als auch Ersatzbeschaffungen, wobei ein Ersatz in der Regel erst nach mindestens vier bis fünf Jahren in Betracht kommt.“ Wenn man sich nun konservativ überlegt, dass das Gerät 2010 sicher schon drei Jahre veraltet ist, dann wundert man sich, dass die Hochschulen in Baden-Württemberg alle zur Exzellenz-Spitzen-Cluster-Super-Elite gehören.

Auf den Werbeblättchen wurde fernerhin angekündigt, dass man über die Webseite: bios.bechtle.com/alliance/hs-bw Zubehör und Erweiterungen mit Sonderkonditionen bestellen kann. Klickt machen diese aber an, so verlangt die Firma Kundennummer und Postleitzahl. Gibt man diese ein, so wird man dennoch nicht auf das Angebot zugelassen und hat keine Chance, irgendwelche Erweiterungen oder Zubehör zu bestellen. Offensichtlich scheut sich das Unternehmen Bechtle, die unverschämten Sonder-Preise für Computer an die Universitäten offen zugänglich ins Netz zu stellen. Und traut nicht einmal dem einge-/beschränkt privilegierten Käuferkreis wie mir.

Immerhin bietet die Firma Bechtle kulanterweise die Rücknahme der Mottenkisten an, besteht aber drauf, dass dies freundlich ist und weiß nichts von Deutschland- oder EU-Gesetzen über die Rücknahmepflichten von per Internet bestellten Waren. Bechtle behauptet, wir hätten diese Computer nicht per Internet bestellt, bloß per E-Mail und dann noch über die Uni Freiburg – das sei ganz was anderes.

Zwar dürfen wir die Klapperkiste zurückschicken, müssen aber deshalb die Versandkosen fürs Zurückschicken bezahlen. Und Strafgebühren von 25 Euro an die Post weil Bechtle einen „Retourenschein“ geschickt hatte, von dem ich annahm, es sei die Rücksendefreimachung. Aber Bechtle verweigerte die Annahme und der Computer war wieder hier.

Bechtle besteht darauf, dass es kein Umtauschrecht gibt – weder in der EU noch in Deutschland. Zwar nimmt jeder miese Modeversand Klamotten sogar nach einer Anprobe versandkostenfrei zurück, aber das sei freiwillig. Bechtle lässt uns die Computer nicht einmal angucken, Rückgabe nur originalverpackt, wenn überhaupt.

Wie ist das nun eigentlich mit der Beteiligung des Landes? Gibt das Land womöglich wirklich noch Zuschüsse für diesen Computer? Oder hat es nur diese exzellenten Preise mit Super-Sonder-Rabatten ausgehandelt? Gar nicht auszuschließen ist, dass das Land sogar noch eine Gebühr an die Firma bezahlt. Was passiert dann eigentlich mit so einem Landeszuschuss? Geht der direkt an Vorstand und Aktienausschüttungen dieses Unternehmens? Ist das nun eine GmbH oder eine AG?

Im öffentlichen Dienst und an den Universitäten im Besonderen gilt: Traue niemanden, nicht einmal Dir selbst.