Teure Tiere

Axel Brennicke


Editorial

(15.09.2011) „Mit rund 1,5 Millionen Euro sollen in fünf Schreiadlerlebensräumen modellhaft Maßnahmen zum Schutz des Schreiadlers erprobt und die Vorkommen so langfristig gesichert werden“, lese ich neulich in einem Biologenblättchen. „Die Deutsche Wildtier Stiftung hat deshalb ein neues Schutzprojekt für den „Pommernadler“ gestartet.“

Und dann weiter: „Weniger als 100 Paare des vom Aussterben bedrohten Schreiadlers (Aquila pomarina) brüten mittlerweile in Deutschland.“ Nehmen wir mal an, es seien doch noch 100 Paare, dann sind das 200 Tiere, dann kostet jeder Adler 7.500 Euro. Nicht wirklich billig.

Apropos, kennen Sie den Schreiadler? Ich auch nicht. Aber man kann immer noch dazu lernen: Der Schreiadler sei der kleinste Adler in Deutschland und lebt, wie der Name sagt, in Mecklenburg-Vorpommern, und vermutlich auch im polnischen Pommern. Wie viele von diesen Tieren außerhalb Deutschlands leben, konnte ich leider nicht herausfinden. Vielleicht deshalb, weil es in den Masuren davon ungefähr so viele gibt wie bei uns Spatzen? Solche Zahlen würden natürlich den Mitleidsfaktor deutlich beeinträchtigen. Und ließen auch keine Dringlichkeit mehr zu, keine Last Minute-Geldgaben für fast schon ausgestorbene wunderbare Vögel.

Editorial

Also, cool sind diese Adler schon. Ich weiß nicht, wie sie schreien, aber angeblich fliegen sie jeden Winter von Mecklenburg- Vorpommern bis nach Südafrika, überwintern dort, was ja sehr vernünftig ist und von einer gewissen Intelligenz zeugt, und fliegen dann zum Frühjahr wieder in das schöne Seengebiet in Deutschland zurück. Nicht schlecht.

Damit Sie mich nicht missverstehen, ich habe nichts gegen Vögel und andere wilde Tiere. Im Gegenteil: So beschweren sich ständig meine Nachbarn, dass das Grünzeug aus meinem kleinen Garten über den Zaun wuchert, was nicht nur aus Bequemlichkeit und aus Freude am Grünen ausufert, sondern auch Vögel versorgt. Der Vogellärm aus meinem Garten belästigt die gesamte Umgebung. Die Nachbarn setzen schon extra Katzen zum Streunen und Vögelfressen aus. Wenn dann eine solche kuschelige Katze einen 7.500 Euro teuren Schreiadler verputzt, wäre das ganz schön teures Kittykatzy.

Ach ja, neben dem Schreiadler gibt es ja auch noch den Juchtenkäfer. Wie, den kennen Sie auch nicht? Der kostet ähnlich viel Geld, weil dieser Schädling im Schlossgarten von Stuttgart Bäume bewohnt, die eigentlich für den Bahnhof hätten gefällt werden sollen. Weil dann möglicherweise dieser seltene, durch die Berner Konvention aus dem Jahr 1979 und die Fauna-Flora- Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) von 1992 geschützte Käfer verhungert, müssen die Bäume jetzt mitsamt den Käfern irgendwo anders hin geschleppt werden.

„Er ist knapp drei Zentimeter groß, riecht ein bisschen merkwürdig und lebt in modrigen, feuchten Baumhöhlen, die er nur selten verlässt: Der Eremit (Osmoderma eremita) ist wohl der seltenste Großkäfer Deutschlands.“ Steht in der Zeitung.

Zu den ständig steigenden Schulden von Stadt, Land und Bund und den damit verbundenen höheren Steuern, die wir zahlen müssen, tragen auch andere tierfreundliche Maßnahmen bei, die richtig viel Geld kosten. Über die „Brücken für Wildtiere“ freuen sich besonders die Zementfabriken und die Jäger.

Im letzten Jahr wurde mit dem Bau einer neuen Brücke über die A3 bei Königshorst begonnen, die in ein paar Jahren fertig sein und nach Planung 4,5 oder 5 Millionen Euro kosten soll. Dass bei Bauten der öffentlichen Hand die Kosten schneller wachsen als die Tiere, ist hinlänglich bekannt und statistisch abgesichert bewiesen. Dort sollen „wilde Tiere, wie Rehe, Hirsche, Füchse sowie Dachse oder andere Wildkatzen“ über die Grünbrücke über die Autobahn kommen können (Zitat von Tierschutz News am 1.3.2011).

Bei Wikipedia findet man unter dem Stichwort Grünbrücke unter anderem diese, nehmen wir mal an, glaubwürdige Information: „Nach einer Untersuchung [...] passierten fast 2.300 Wildtiere eine Grünbrücke über die A11 in Brandenburg.“ Jetzt denken Sie sicher, die haben dabei jeden müden Käfer und jede Mücke mitgezählt, aber mitnichten. In dieser beeindruckenden Unmenge sind nur Tiere von der Größe einer Katze und mehr.

2.300 Tiere pro Jahr sind eine ganze Menge, das sind bei 365 Tagen (Tiere haben kein Wochenende) fast acht Tiere am Tag. Allerdings muss man jetzt überlegen, dass manche Tiere über die Brücke gehen, sich drüben umgucken, es aber auf der bisherigen Seite doch schöner finden, da sich dort besseres Gras, hübschere Paarungspartner und weniger Jäger tummeln. Also gehen sie wieder zurück und die Tierzählmaschine registriert ein weiteres Tier.

Sind wir großzügig, und denken, dass vielleicht 500 verschiedene Individuen unter diesen 2.300 die Autobahn kreuzenden Tieren sind. Bei angenommenen 5 Millionen Euro Baukosten (vom Bauunterhalt ganz zu schweigen, den planen Behörden wie Landesregierungen und Universitäten sowieso nicht ein) kostet jede Autobahnüberquerung eines Tier-Individuums 5.000 Euro. Warum haben wir hier verschiedene Tiere betont? Nun, Wiki sagt auch noch lakonisch: „Der Landesjagdverband NRW befürwortet die Brücken, weil er hofft, dass sie die Inzucht bei einigen Wildarten verringern.“

Es ist doch schön, dass wir Steuerzahler so kostengünstig den Genpool der Zielscheiben für die Jäger auffrischen können. Die verarmten, Not leidenden Besitzer von deutschen Jagdlizenzen müssen unterstützt werden. Besonders die Anzucht von leichten Zielscheiben wie Rotwild muss gefördert werden, die Überhandnahmen von schwieriger zu treffenden Tieren wie den Wildschweinen brauchen weniger Unterstützung von uns Steuerzahlern. Die Wildschweine subventionieren wir lieber von schräg außen über die Entschädigung der Bauern mit den Mais-Monokulturen und Kartoffelfeldern.

Leider entschädigt niemand unsere geschützten Singvögel, die von den streunenden Hauskatzen heimtückisch überfallen und niedergemetzelt werden. Die Jagdgebiete der Jäger liegen eigentlich direkt vor dem Küchenfenster, jede streunende Katze weniger bedeutet viele Singvögel mehr. Ebenso vermehren sich in einigen Städten die Dohlen oder Nebelkrähen, in anderen die normalen Krähen und in wieder anderen die verlausten und vermilbten Tauben bis zur akuten Gefahr für Mensch und Getier. Der Aufschrei der „Tierschützer“ verhindert dennoch, die Tauben zu dezimieren oder sie auch nur von Falken vertreiben zu lassen.

Erfreulich mahnend und vorsichtig äußert sich dagegen der BUND zu den Grünbrücken. Differenziert, selbstkritisch und wach hat seine Stellungnahme großes Lob verdient (http://vorort.bund. net/suedlicher-oberrhein/gruenbrueckenfehlplanung. html). Dort wird gewarnt, nicht Tierschutz um des Aktionismus willen zu betreiben, sich nicht von den Jägern und den Zementfabrikanten, auch nicht von den Automatismen der Regierungsbürokratie vorführen zu lassen, sondern überlegten, funktional und rational optimalen Naturschutz mit minimalen Mitteln zu erreichen.

Zum Glück leben wir nicht in Rumänien. Von dort meldete Sonntag aktuell am 26.6.2011, dass aufgegriffene streunende Hunde im Tierheim dreimal soviel Geld für die Verpflegung bekommen wie die (menschlichen) Gefängnisinsassen. Um die 40.000 frei streunenden Hunde dezimieren zu dürfen, muss die Verwaltung von Bukarest sich mit dem Schutz der menschlichen Bevölkerung entschuldigen.

In unserem Land leben acht Millionen Katzen, davon sind mindestens zwei Millionen frei streunend. Alle ermorden Vögel, besonders die freien, aber auch die anderen Kuscheltiere sind nicht vom Vogelschutz überzeugt.