Drittmittel (un)willkommen

Axel Brennicke


Editorial

(10.10.2012) Schulterklopfen, große Freude im Labor. Das Heisenberg-Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) wurde genehmigt. Der Arbeitsgruppenleiter und nun geehrte Heisenberg-Stipendiat hat glänzende Augen – die nächsten drei Jahre sind finanziell abgesichert. Außerdem muss er offiziell nicht mehr so viel Lehre machen (inoffiziell sorgt der Institutsleiter natürlich dafür, dass sich nichts ändert).

Wieviel Geld wird der habilitierte Wissenschaftler nun mehr auf dem Konto haben? Nicht viel. Mit dem Heisenberg-Stipendium ist es wie mit den Doktoranden-Stipendien, mit denen die Max-Planck-Gesellschaft nun endlich ins Zwielicht gekommen ist. Leider nur die MPG, viel schlimmer sind noch die landeseigenen Stipendien in den verschiedenen Bundesländern sowie die willkürliche, in jedem Fall aber zu niedrige finanzielle Unterstützung in den diversen politischen Organisationen für Studenten mit Parteibuch. Vom Heisenberg-Stipendium bleiben nach Abzug von 100 Prozent der Krankenkassenversicherung, 100 Prozent der Rentenversicherung und dem vollen Beitrag der Arbeitslosenversicherung noch ungefähr 12 € mehr in der Tasche. Damit diese nicht zu einer großen Belastung werden, hat sich die Universität spezielle Maßnahmen ausgedacht, um die Heisenberg-Stipendiaten für ihre Ehrung zu bestrafen und ihnen gleichzeitig die finanzielle Bürde zu nehmen.

Editorial

Die Universität und ihr Aushängeschild, ihre Präsidial-Regierung, sind scharf auf Drittmittel. Keine Gelegenheit wird von den Führern unserer Unis ausgelassen, sich bei DFG-Vertretern mit bohrenden Nachfragen nach den zur Verfügung stehenden Summen in einzelnen Projekten lächerlich zu machen.

Meiner Universität muss man zugute halten, dass sie das Eintreffen von Drittmitteln an der Uni mit Forschungs-Euros belohnt. Immerhin 3 Cent für jeden Drittmitteleuro bekommt der DFG-Projekt-beglückte Wissenschaftler zusätzlich auf sein Etatkonto überwiesen. Bitte atmen Sie weiter – dieses Almosen ist kein wirkliches Opfer von der Uni, diese für den Forscher Riesen-Erdnüsse sind von der Universität einkassierte Overhead-Mittel, die eben dieser Antragsteller selbst mit seinem erfolgreichen Projekt von der DFG zusätzlich für die Universität eingeworben hat. Aber das ist eine andere Geschichte.

Hier kommt die erste Strafe der Universität für den mit dem Ritterschlag des Heisenberg-Stipendiums von der DFG belohnten Wissenschaftler: Für die DFG-Gelder im Heisenberg-Programm gibt die Universität keine drei Prozent Belohnung in die Verbrauchswerteschatulle des betroffenen Instituts. Diese Drittmittel existieren für die Uni nicht, da die Heisenberg-Gelder direkt an den hervorragenden Nachwuchswissenschaftler überwiesen werden und nicht über Konten der Universität laufen.

Die zweite Abstrafung durch die Uni für die erfolgreiche Einwerbung einer Wissenschaftlerstelle in diesem Exzellenzprogramm ist noch persönlicher und extremer: Mit dem ersten Tag des Heisenberg- Stipendiums fliegt der erfolgreiche Wissenschaftler von der Universität. Auf meine Nachfrage teilt mir die Uni-Regierung schriftlich mit: „...leider sind diese als Stipendiaten nicht Mitglieder der Universität.“ Das ist als solches erst einmal nicht so schlimm, Mitglied einer derart von der Leitung der Verwaltung menschenverachtend organisierten Universität zu sein, darauf kann man gern verzichten. Das Problem für den Heisenberg-Stipendiaten ist aber, dass dieser nicht nur gern in der Forschung weiterarbeiten möchte, sondern dass er sich mit der Annahme des Stipendiums auch rechtlich verpflichtet hat, Forschung zu betreiben. Und zwar Forschung an der Universität, die bei seiner Bewerbung um das Stipendium bestätigt hat, dass sie ihn gern aufnimmt.

So steht der hervorragende Wissenschaftler als Heisenberg-Stipendiat vor dem anregenden Dilemma, jeden Tag zur Arbeit an die Universität zu gehen, die ihn zur Belohnung hinausgeworfen hat. Da freut er sich doch jeden Morgen schon beim Aufwachen auf den Arbeitsplatz. Durchströmen den jungen Wissenschaftler für seine Universität, die ihn nicht haben will, für die er aber arbeiten soll und muss, warme Gefühle von Corporate Identity, was meinen Sie?

Die Missachtung der Universität hat weitreichende Folgen, die dem exzellenten Wissenschaftler jeden Tag mehrmals bewusst machen, dass er an der Universität nicht willkommen ist und als Heisenberg-Stipendiat auf die Stufe eines Parias rutscht. Es beginnt auf dem Parkplatz. Noch bevor er die Universität betreten kann, streckt dem unerwünschten Heisenberg-Stipendiat die Schranke ihre rot-weiße Zunge entgegen und macht ihm klar, dass er auf dem Parkplatz der Universität nicht einmal gegen Bezahlung parken darf. Gestern, als Angestellter, war das kein Problem, da hatte er noch einen Ausweis als Mitglied der Uni. Heisenberg-Stipendiaten hingegen existieren für die Uni nicht. „Schließlich bekommt er sein Geld direkt von der DFG“, sagt die Uni Verwaltung. Irgendwie eine komische Logik: Professoren und ‚normale’ Mitarbeiter werden auch nicht von der Uni bezahlt, sondern bekommen ihr Geld vom LBV in Stuttgart überwiesen... so gesehen wären wir alle keine Mitglieder der Uni. Und die Studenten, die bekommen von niemandem Geld, sind aber ordentliche Mitglieder der Uni und können überall parken.

Übrigens auch in der Mensa speisen, was – wen überrascht‘s? – dem Heisenberg-Stipendiaten ebenfalls nicht vergönnt ist. Es sei denn, wir verschaffen ihm einen Gastausweis, mit welchem er sich dann zum Mitarbeiterpreis an den Gaumenfreuden dieses Gourmettempels laben kann. Alles, was wir tun müssen, ist viel herum zu telefonieren sowie einen Ozean von Formularen zu verstehen, auszufüllen und abzuschicken.

Ein derartiger Gastausweis findet sich schließlich auch für den Parkplatz, wir mussten unseren Heisenberg-Stipendiaten dafür lediglich zum „Postpostdoc“ erklären, was ihn in die Gruppe der „Externen“ erhob, für die eine solche Parkkarte vorgesehen ist. Großes Staunen: Der Heisenberg-Stipendiat darf die Karte schließlich in einem speziellen Büro abholen!

Der Härtetest – Einfahrt auf den Parkplatz der Universität – holt uns in die kalte Wirklichkeit zurück. Die Parkkarte für Aussätzige, äh Auswärtige, gilt nicht für den Parkplatz der Universität, sondern nur für die allgemeinen Parkplätze für Besucher. Eine Reihe von Kniefällen und Fürbitten meinerseits gegenüber der Verwaltung, die mir nach diversen Anweisungen beschied, ich solle die Codenummer der Karte suchen (die, wie er gnädigerweise hinzufügte, auf dem Bon stehen müsste, den der Heisenbergler am Parkgeldautomaten ausdrucken kann, wenn er seine Karte auflädt). Das alles in einem Ton, der sonst wohl dem Loswerden von Straßenkötern vorbehalten ist. Eine kooperative Verwaltung würde kurz bei der TSU (das sind die Parkplatz-Kapitalisten) anrufen und denen sagen, ändert mal die Karte, die ihr für Mr. X ausgestellt habt. Dort liegen ja die Stapel DIN-A4-Formulare, die Mr. X schon ausgefüllt hat! Die Akte hat dann auch die Codenummer – aber nein, dieses Heraussuchen, die fieselige Drecksarbeit, die sollen wir Wissenschaftler und Bürger machen, dazu ist die Verwaltung – wie heißt es immer so persönlich: „nicht zuständig“.

Wir bleiben ohnmächtig vor der Allmacht der Verwaltung. Logische Überlegung, Vernunft, Menschlichkeit? Niemand in der Verwaltung und die Organisation als Ganze sowieso nicht hat Interesse an den Aufgaben, für die wir sie bezahlen, wir Menschen interessieren sie nicht. Das hat sich seit Kafka nicht geändert. Wozu auch, funktioniert doch alles toll.

Inzwischen beneide ich unseren Heisenberg-Stipendiaten. Als Belohnung für seine erfolgreiche Drittmitteleinwerbung hat er nämlich eine Chipkarte zum Parken, die er einfach im Auto liegen lassen kann und an der Schranke griffbereit hat, und eine andere, mit der er in die Mensa geht. Wir, die registrierten Insassen der Uni, haben nur eine Karte für beides. An der Schranke stauen sich die Fummler, die ihre kostbare Karte aus dem Versteck im Portemonnaie pulen. In der Mensa kühlt die lauwarme Suppe weiter ab, während der Kopf der Kassenschlange erklärt, er habe die Karte leider im Auto vergessen.

Ich möchte auch zwei Karten. Aber die für diese Karten zuständige Stelle im hypermodernen Rechenzentrum der Uni winkt ab. Keine Zweitkarte. Warum? Misstrauen ist die Antwort, Misstrauen gegenüber den Mitarbeitern der Uni. Die zuständige Regierung hat tieftraumatische Angst vor einem Missbrauch zweier vollgültiger Karten, da könnte ich ja eine an Personen in der Klinik verkaufen, die dann illegal den Uni-Parkplatz bevölkern. Nun gut, dieser kleine Vorzug sei dem gebeutelten Heisenberg- Stipendiaten vergönnt, muss er doch so viel ertragen und stillhalten. Wie die Sache mit den Overhead-Mitteln: Die Uni kassiert gern die Hälfte der Overhead-Mittel von dem zusätzlich erfolgreich eingeworbenen DFG-Projekt des Heisenberg-Stipendiaten. Sie führt auch die Konten und verwaltet die Gelder seines DFG-Projektes. Und das, obwohl der Heisenberg-Stipendiat nicht mehr Mitglied der Uni ist? Ja, das geht! Der Clou: Die von dem DFG-Projekt des hinausgeworfenen Heisenberg-Stipendiaten bezahlten Doktoranden sind nach wie vor echte Mitglieder der Universität...

Dazu kann ich nichts mehr sagen.