Q-Chips – Unser Geld versackt im Pakt

Axel Brennicke


Editorial

(12.03.2014) Ist die Überschrift überspitzt? Ach, Sie wissen gar nicht (mehr) genau, was der „Qualitätspakt Lehre“ ist? Macht nichts, war an mir auch fast vorübergegangen.

Eigentlich hätte das nicht sein dürfen, denn es geht um richtig viel Geld. Zwei Milliarden Euro! Für die deutschen Universitäten ist das eine unvorstellbare Summe. Auch wenn es verteilt auf zehn Jahre und fast alle Unis nicht mehr so beeindruckend klingt. Schließlich kostet allein die LMU München locker so viel in einem Jahr.

Lassen Sie uns also zur Auffrischung kurz nachsehen, was der Qualitätspakt Lehre eigentlich ist. 2011 schrieb das BMBF dazu auf seiner Webseite:

„in zwei Förderrunden sichert der Qualitätspakt Lehre von Bund und Ländern eine breit wirksame und regional ausgewogene Unterstützung für gute Studienbedingungen an den deutschen Hochschulen. Der Bund stellt hierfür im zeitr aum von 2011 bis 2020 insgesamt rund 2 Milliarden eur o zur Verfügung – ein in der Geschichte der deutschen Hochschulpolitik beispielloses engagement für die Hochschullehre.“

Editorial

Der Stand der Dinge 2013 laut BMBF-Webseite:

„insgesamt erreicht die Förderung aus dem Qualitätspakt Lehre 186 Hochschulen in allen 16 Bundesländern, von der forschungsstarken Volluniversität bis zur regional orientierten Fachhochschule. Das sind 77 Prozent der staatlichen Hochschulen in Deutschland. Unter den geförderten Hochschulen sind 78 Universitäten, 78 Fachhochschulen sowie 30 Kunst- und Musikhochschulen.“

Im Qualitätspakt Lehre lassen sich also die Bundesländer Geld vom Bund der Länder unserer Republik für die hoheitlichen Aufgaben geben, die sie so vehement wie Kleinkinder verteidigen („Meins, meins, meins – Finger weg!...“). Und eben weil die Länder sich entsprechend nicht in die Unis reinreden lassen wollen, darf der Bund den hungernden Unis nicht einfach so Geld geben. Der Bund würde zwar gern, aber die Länder bleiben bockig.

Daher die Idee mit dem Qualitätspakt Lehre. Der Bund gibt Geld befristet. Zudem nicht für die normale Lehre an den Unis, sondern nur für besondere Maßnahmen. Und damit kein Land mault, gießen die bestellten Gutachten mit der großen Kanne – siehe BMBF: „...von der forschungsstarken Volluniversität bis zur regional orientierten Fachhochschule“. Wer da keine Kohle bekommen hat, muss das Ganze schlichtweg verschlafen haben.

Was aber passiert mit dem Geld? Um gleich klar zu stellen: Die Milliarden gehen NICHT in die Lehre an den Unis. Die Unis dürfen davon KEINE Profs einstellen. Sie dürfen NICHT das immer schlechter werdende Zahlenverhältnis zwischen Studis und Profs verbessern. Das alles dürfen sie nicht, denn das ist Ländersache. Können sie auch nicht, denn das Geld im Qualitätspakt Lehre ist auf maximal zehn Jahre befristet. Das überlebt jeder Prof.

Zu Beginn der zwei Milliarden Euro hatten das wohl nicht alle verstanden. So schrieb die Zeit am 20.10.2011, dass die Schauspielschule Ernst Busch in Berlin endlich einen „Professor für Puppenspielkunst“ einstellen könne und dass die RWTH Aachen „vier neue Professuren“ von dem Qualitätspakt Lehre bezahlen wolle. Davon ist natürlich heute keine Rede mehr. Aber immerhin, die RWTH wollte Profs bestellen, dazu später mehr.

Professuren können und dürfen nicht vom Qualitätspakt Lehre bezahlt werden. Lassen Sie uns daher kurz theoretisch überlegen, was sich die verantwortlichen Politiker und Politik-affinen Hochschulfunktionäre sicher auch gedacht haben (oder hätten müssen). Mehr Personal für die Lehre, wie Profs, geht also nicht. Wissenschaftliche Mitarbeiter ginge vielleicht – die neun bis zehn Jahre Qualitätspakt sind noch innerhalb der auf zwölf Jahre befristeten Ausbeutung, nach der ein solcher von jeder Uni ohne Dank rausgeschmissen werden muss. Aber im Qualitätspakt Lehre dürfte ein solcher Mitarbeiter keine Wissenschaft machen, nur Lehre...

Hand aufs Herz: Wen könnten wir für einen solchen Job begeistern? Jemanden, die/der einfach gern unterrichtet? Solche Leute werden richtige Lehrer an einer Schule mit Perspektive. Und diejenigen, die der Wissenschaft verfallen sind, kommen unter diesen Bedinungen sowieso nicht. Wen also können wir erwarten? Eben – nur Leute, die Lehre oder Wissenschaft nicht wirklich machen wollen oder können. Leute, die nicht genug Elan oder Know-how haben, um sich für andere Wege zu begeistern und dort Fuß zu fassen. Leute, die hoffen, über die neun bis zehn Jahre in einem lauen Job auf Staatsknete in irgendeine Schiene zu rutschen, an deren Ende der Prellbock nicht so deutlich sichtbar ist.

Soweit die theoretischen Erwartungen. Wie sieht die Realität aus? Schauen wir uns die Projekte für zwei Milliarden Euro Qualitätspakt Lehre an. Vielleicht fangen die Unis ja doch etwas Positives mit der Kohle an...

Zum Glück hatten an meiner Uni weniger verschlafene Kollegen rechtzeitig von den zwei Milliarden Euro Qualitätspakt Lehre Wind bekommen – und eine Scheibe davon eingeworben. Mir selbst wurde der Geldregen erst nach diesem Brief (hier in Ausschnitten) und ein bisschen Nachblättern bewusst:

„[...] wie auf der Sitzung der Studienkommission vom 7.5.13 beschlossen, planen wir im kommenden Wintersemester für die Drittsemester im Bachelor Biologie Institutsführungen durchzuführen. Diese Führungen sollen den Studierenden die Wahl des Studienschwerpunktes (Molekulare Biowissenschaften, Physiologie oder Biodiversität und Ökologie) erleichtern. Um die Institute nicht mit zusätzlichen Aufgaben zu belasten, sollen diese Führungen von Bachelor- und Masterabsolventen durchgeführt werden, die ihre Abschlussarbeiten an den jeweiligen Instituten durchführen. [...] Insbesondere können sie auch über Erfahrungen aus ihren eigenen Abschlussarbeiten berichten und können die Studierenden für den jeweiligen Schwerpunkt motivieren.

Bisher ist geplant, dass 2 Absolventen pro Institut je ca. 3 Führungen à 30-60 Minuten übernehmen. Als Z eitpunkt ist Mitte N ovember 2013 vorgesehen. Die Absolventen können für diese Aufgabe als Hilfskräfte aus dem Projekt UULM PRO MINT & ME D entlohnt werden. Die Führungen werden in Kooperation mit der Fachschaft Biowissenschaften durchgeführt werden. [...]

Mit freundlichen Grüßen

Akademischer Studienlotse im Fachbereich Biologie“

Was der Lotse da vorschlägt ist nichts Neues. Diese Führungen organisieren seit vielen Jahren die Fachschaften. Studis höherer Semester führen Jüngere herum. Freiwillig. Ohne Geld. Soll jetzt mit der Staatsknete die Solidarität unter den Studis unterwandert werden? Ist das der politische Hintergrund hinter dem Q-Geld?

Ist ja wirklich äußerst rücksichtsvoll, dass dieser ominöse „Akademische Studienlotse“ die Institute nicht mit zusätzlichen Aufgaben belasten will. Herzlichen Dank! Auch ist Extra-Geld für Studenten immer gut. Auf Nachfrage meinten die MSc-Studenten, also die vom akademischen Studienlotsen mit „Bachelorabsolventen“ bezeichneten, allerdings, dass sie lieber weiter Pizza ausfahren – das bringe mehr Geld und koste deutlich weniger Aufwand an Bürokratie für die paar bezahlten Stunden.

Überhaupt: Was ist das eigentlich, ein „Akademischer Studienlotse“? Offensichtlich jemand, der versucht, Arbeit zu verteilen – oder? Wir haben in der Biologie sieben Profs mit Leitungsfunktion (früher: Lehrstühle) und noch mal so viele „o. L.“. Unsere Lehre koordiniert eine Person mit Sekretariat. Dort werden auch die Studenten beraten, und von einigen der „o. L.“ oder der Sonstigen wird den Studis auch geholfen. Natürlich gibt es auch noch das normale Studentensekretariat. Für Nicht-Schwaben dazu noch das Ausländeramt der UULM. Und nun ein Studienlotse? Nicht spekulieren, Fakten nachsehen – beispielsweise bei UULM PRO MINT & MED auf der UULM -Webseite:

„Die Lehre in den nächsten Jahren weiter nachhaltig zu verbessern, ist das Z iel des Projektes UULM PRO MINT & ME D. Die Studienbedingungen sollen verbessert und insbesondere der Studieneinstieg soll erleichtert werden. Hierzu werden Studierenden und Lehrenden aller Fachbereiche zahlreiche Maßnahmen angeboten, welche der Verbesserung der Lehre und der Studienbedingungen dienen.

In allen Fachbereichen werden die Maßnahmen des zLeMM umgesetzt, wofür in den einzelnen Fachbereichen Studienlotsinnen und Studienlotsen eingestellt wurden.

Die Studienlotsinnen und Studienlotsen sind Ihre Fürsprecher im Unialltag und Ansprechpartner für Anregungen, Fragen und Lösungen von Problemen. So wählen die Studienlotsinnen und Studienlotsen Projekte für Ihr Studienfach aus, passen die Projekte an den jeweiligen Fachbereich an und sind Schnittstelle zwischen Lehrenden und Lernenden.

Insgesamt sind an der Universität Ulm 16 Studienlotsinnen und Studienlotsen tätig.“

Also, Verbesserung der Lehre! Lobenswert! War doch die Lehre bisher eine einzige Katastrophe. Glauben Sie mir ruhig, ich weiß das. Zumindest von meiner eigenen. Leider machen die Studienlotsinnen offensichtlich keine Lehre, das hatten wir ja schon theoretisch befürchtet. Dafür wählen sie Projekte für das Studienfach der Studis aus? Merkwürdig. Warum haben wir eigentlich jahrelang Studiengänge gebastelt? Haben Millionen von Wahlmöglichkeiten mit Verzweigungen zu verschiedenen BSc- und MSc-Projekten eingebaut und ermöglicht? Offensichtlich alles Mist und es braucht Fachleutinnen wie Studienlotsinnen, um die Studis da optimal durchzulocken.

Was machen die promovierten oder diplomierten Lotsinnen sonst noch auf ihren vollen Stellen? Was ist das „ZLEMM“ und was „UULM PRO MINT & MED“?

Das schauen wir uns in der Fortsetzung an, die Seite ist voll ...