ZLEMM, IDA, ExAct und andere Obszönitäten

Axel Brennicke


Editorial

(09.04.2014) Lassen Sie uns heute exemplarisch drei Beispiele betrachten, in welchen Projekten die zwei Milliarden Euro des BMBFQualitätspakts Lehre an deutschen Unis verbraten werden. Hatte ich Ihnen schon gesagt, wer diese zwei Milliarden verteilt? Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Hoffentlich ist nicht alles heiße Luft – und verglüht im All.

Unsere Frage war, ob die Lehre an den Universitäten unserer Republik dadurch verbessert wird. Urteilen Sie selbst:

1) UULM (Das soll Universität Ulm heißen)

„Um die genannten Ziele zu erreichen, wurde das Zentrum für Lehrentwicklung in den MINT-Fächern und der Medizin (ZLEMM), eingerichtet. Ziel des ZLEMM ist es bereits vorhandene Maßnahmen zur Verbesserung der Lehre zu vernetzen, neue Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen.“

Notabene: Es wird mit den Milliarden Euro im Qualitätspakt Lehre KEINE Lehre gemacht. Es wird auch keine Lehre verbessert (schade, das hätte ich brauchen können). Im ZLEMM wird nur mit Maßnahmen zur Verbesserung der Lehre herumgehampelt.

Editorial

Damit die Projektmaßnahmen langfristig eingesetzt werden und nachhaltig wirksam sind, werden sie wissenschaftlich begleitet. Hierfür wurde von der Universität Ulm die Stelle einer Juniorprofessur eingerichtet.

Notabene: Die Juniorprofessur für „Lehr-Lernforschung“ wird „eingerichtet“ – damit von der Universität Ulm bezahlt, nicht aus dem Qualitätspakt Lehre. Aber: Gibt es die überhaupt? Der Link der Webseiten im Qualitätspakt der UULM zur Juniorprofessur geht ins Nirwana: „Error 404: Seite existiert nicht.“

Am Zentrum für Lehrentwicklung in den MINT-Fächern und der Medizin (ZLEMM) beteiligen sich verschiedene universitäre Einrichtungen inhaltlich und personell. Das ZLEMM setzt sich aus einem Vorstand, einer Studiengruppe und einem Beirat zusammen.

Notabene: Hauptsache, es gibt einen Vorstand.

Die Studiengruppe setzt die Maßnahmen des ZLEMM in den Fakultäten um und unterstützt den Vorstand bei der Erfüllung seiner Aufgaben.

Notabene: Und damit gibt es jemanden, der die Arbeit macht. Oder?

Die anderen Unis gehen mindestens ebenso kreativ mit ihren jeweiligen Milliönchen um. Keine macht mehr Lehre oder verbessert das Verhältnis Lehrer zu Studis.

2) Die Uni Freiburg beispielsweise macht stattdessen Maßnahmen:

Maßnahme 1: „Bereits seit 2009 vergibt die Universität Freiburg jährlich bis zu drei mit je 70.000 € dotierte Instructional Development Awards (IDA). Mit Hilfe dieser Lehrentwicklungspreise können sich die Priesträger/innen Freiräume schaffen indem sie sich in ihren Aufgaben teilweise vertreten lassen.

Notabene: Ein Rechtschreibekurs wäre nicht schlecht. IDAs gab es also schon ohne die Milliarden des Qualitätspakts Lehre.

Maßnahme 3: „Mit dem Werkzeugkasten Lehrevaluation sollen die primär für die Durchführung und Weiterentwicklung von Lehre verantwortlichen dezentralen Einheiten, die Fakultäten, bei der Einführung von Qualitätsmanagementprozessen und kompetenzorientierter Lehrevaluation unterstützt werden. Über den eigentlichen Werkzeugkasten hinaus werden Strukturen und Prozesse zur Einbindung von hochschulweiten Befragungen in zentrale und dezentrale Lehrentwicklungsmaßnahmen entwickelt.

Notabene: Herrliches Geschwafel! So was muss man sich erst mal aus dem Bauch formulieren! Kompetenzorientierte Lehrevaluation! Armes, rückständiges Freiburg: Bewertung der Lehre gibt es an meiner Uni seit Jahren.

Maßnahme 4: „Ziel der Maßnahme Business Intelligence-System Lehre ist die Unterstützung der für die Planung und Durchführung der Lehre zuständigen dezentralen Einheiten (Studiendekanante) bei der effektiven Steuerung von Prozessen zur Steigerung des Studienerfolgs sowie zur Verbesserung der Studienqualität. Hierfür werden passgenaue Information bezüglich des Status Quo zur Lehre, einschließlich Zeitreihen- und Fachvergleiche identifiziert und elektronisch bereitgestellt.

Und? Haben Sie verstanden, was da abgehen soll? Bei der effektiven Steuerung von Prozessen zur Steigerung des Studienerfolgs? Wurden die Prozesse zur Steigerung des Studienerfolgs bisher ineffektiv gesteuert?

Maßnahme 5 (Achtung, Rechtschreibung!): „Der Übrlast-Ausgleichs-Fonds „Money Follows Students“ soll zu einem dauerhaften Werkzeug eines stärker nachfrageorientierten Lehrangebots an der Universität Freiburg werden und die Phase bis zu einem ggf. sinnvollen strukturellen Ausbau von Studienplätzen in bestimmten Bereichen abfedern.

Notabene: Wie war das denn bisher? Bekamen bisher etwa nicht diejenigen Fächer mehr Geld für die Lehre, die mehr brauchten? Weil sie etwa mehr Studis hatten? Wurde nichts abgefedert und geteert?

Maßnahme 7 (Achtung, Rechtschreibung!): „Die Ziele und Perspektiven des Kompetenzzentrums English-medium Instruction in higher Education sind die Überprüfung und Verbeserung des Englischen als Lehr- und Kommunikationssprache, verbunden mit dem Abbau von Unsicherheiten und dem Ausbau kommunikativer Sicherheit in der Hochschullehre sowie das Ermöglichen von Selbsthilfe und Weiterentwicklung durch angeleitetes und begleitetes Selbstlernen. Außerdem soll eine solide fachliche Grundlage (inkl. Lehr- und Analysematerialien) für die Weiterbildung der Dozierenden geschaffen werden.

Ja, geht’s noch? Abbau von Unsicherheiten und Ausbau kommunikativer Sicherheit in der Hochschullehre sowie das Ermöglichen von Selbsthilfe und Weiterentwicklung durch angeleitetes und begleitetes Selbstlernen? Angeleitetes Selbstlernen! Was nun, selbst oder nicht selbst? Aber vielleicht sollten die Verfasser doch erst deutsche und englische Rechtschreibung lernen...

3) RWTH Aachen

Zum Abschluss dieser Depri-Reise endlich mal was Positives. Die RWTH nimmt das Geld für die wirkliche Lehre!!! (Sagt sie.)

„Arbeitspakete nach Programmzielen

Die Aktivitäten im geförderten Antrag umfassen Maßnahmen zur Verbesserung der Personalausstattung, zur Qualifizierung beziehungsweise Weiterqualifizierung des Personal sowie zur weiteren Optimierung der Studienbedingungen, die passgenau die Strategie für Lehre der RWTH Aachen unterstützen.[...]“

Vorgezogene beziehungsweise zusätzliche Berufungen mit hohem Lehrbezug sollen in den stark ausgelasteten Fächern das Betreuungsverhältnis verbessern. Dazu werden zwei Professuren in den Wirtschaftswissenschaften, speziell für Wirtschaftsingenieurwesen, eine Professur in der Mathematik als Dienstleister für die Ingenieurwissenschaften sowie eine Professur im Maschinenbau im Bereich der Grundlagen eingerichtet...!“

Notabene: Immerhin die gute Absicht! Die einzige Uni! Ob dies allerdings in die Tat umgesetzt wurde, habe ich nicht herausgefunden.

Hoffentlich, denn jetzt kommt auch hier das Übliche:

„Die Einstellung von nichtwissenschaftlichem Personal soll den Übergang von der Schule zur Hochschule verbessern. Für den Aufbau, die Koordination und die Leitung des Schulservice der RWTH Aachen wird eine Schulprojektstelle eingerichtet [...] Des weiteren wird eine Stelle geschaffen für die Koordination und Kommunikation des EDULAB, ein integriertes Zentrum von Schülerlaboren mit besonderem Fokus auf der Gewinnung von Schülerinnen für MINT-Fächer [...] Zur Entwicklung und Evaluation studienfachbezogener SelfAssessments in ausgewählten Studienfächern zur gezielten Unterstützung bei der Wahl des Wunschstudiengangs in Verbindung mit Empfehlungen für Beratungsangebote wird eine Mitarbeiterin beziehungsweise ein Mitarbeiter eingestellt.“

Hoffen wir, dass die so vom Bund unterstützten Schülerlabore in NRW durch den Fokus auf Schülerinnen überleben und nicht wie in Niedersachsen ausradiert werden. „SelfAssessments, kurz SAM ...“ ist so was wie der Wahlomat, wenn man der Webseite glaubt. Der letzte Satz ist rekordverdächtig für die sinnlose Reihung möglichst vieler Substantive ...

„Insbesondere auf Wunsch der Studierenden der RWTH Aachen wird eine Person zur Unterstützung der Lehr- und Prüfungsorganisation gebraucht, die die Veranstaltungsund Prüfungsplanung inklusive Organisation der Hörsaalbelegung optimiert.“

Nur Organisation und Planung, keine Lehre, wie üblich. Aber wer weiß, wie das bisher ablief. Wenn schon die Studis das fordern. Andererseits mal etwas, was Studis (vielleicht tatsächlich) brauchen.

„Im Rahmen des Aachener Mentoringsystems wird hochqualifiziertes wissenschaftliches Personal zur Durchführung flächendeckender Mentoringgespräche in den einzelnen Fakultäten und Fachgruppen zur Betreuung von Studierenden mit besonderem Beratungsbedarf benötigt. [...]“

Das hochqualifizierte wissenschaftliche Personal wird sich bedanken, mit den absoluten Losern reden zu müssen – oder soll es erst eingestellt werden? Aber wen bekommt man da? Hochqualifizierte Ingenieure? Die stehen bestimmt schon Schlange vor dem Arbeitsamt – Pardon, Jobcenter. Und lasst die besten zehn Prozent in Ruhe arbeiten! Die wollen nicht zugetextet werden.

„Center of Excellence in Academic Teaching, kurz ExAcT

Mit ExAct Service wird ein fachkulturell zugeschnittenes Qualifizierungsprogramm zur regelmäßigen und systematischen Qualifikation des gesamten Lehrpersonals, insbesondere für die Natur- und Ingenieurwissenschaften mit den oft hochspeziellen medienund fachdidaktischen Anforderungen und sehr großen Studierendenzahlen entwickelt. Das Weiterbildungsprogramm besteht neben den interdisziplinär ausgerichteten Lehrtrainings für neue Lehrkräfte, dem Basismodul, aus zielgruppenadaptiven Angeboten, sogenannten Vertiefungsmodulen, sowie intensivem professionellen Coaching mit Hospitationen und Videoaufnahmen, dem individuellen Lehrcoaching. Die Kurse werden als Wahlpflichtmodul für alle Lehrenden, also 2500 wissenschaftliche Mitarbeitende und 400 Professuren, angeboten.“

Die RWTH fiebert sicher den zielgruppenadaptiven Angeboten entgegen. Und die Profs müssen jetzt auch in Wahlpflichtmodule reinhocken – dann sehen sie einmal selbst, was sie für die Studis geschaffen haben.

„Mit ExAct Research wird ein virtuelles Netzwerk zur Koordination, Systematisierung und strukturellen Konsolidierung aller Weiterbildungsaktivitäten in der Lehre geschaffen. Das ExAcT Research fungiert als individueller Ansprechpartner für Fragen des Lehrpersonals und als Vermittler zur Entwicklung wie auch Anwendung moderner, fachspezifisch differenzierter Lehrmethoden und Prüfungsformen, um die beteiligten Partnerinnen und Partner in der Hochschule zielund bedarfsgerecht zu unterstützen und zu beraten.“

Hatte gar nicht gewusst, dass es „das Research“ heißt. Und apropos fachspezifisch differenzierte Lehrmethoden – machen an der RWTH bisher auch die Anglisten und Romanisten Laborpraktika? Und die Chemiker gehen ins Sprachlabor?

„Im Rahmen von ExAct sollen nachfolgende Arbeitspakete realisiert werden: Transparente Vernetzung aller Anbieter wissenschaftlicher Dienstleistungen und Weiterbildungsangebote (WP1), Forschung zu fach- und mediendidaktischen Themenfeldern (WP2) und integrierte (Weiter-) Entwicklung und Umsetzung von Lehr- und Lernangeboten für die jeweiligen Zielgruppen auf Basis aktueller interner Forschungserkenntnisse und/oder externer Ansätze (WP3). Eine Stelle ist im ExAct für die wissenschaftliche Begleitung, das Management und die Koordination vorgesehen.

Transparenz ist auch gerade in – vor allem, wenn bisher nur undurchsichtig im Trüben gefischt wurde. WP heißt bestimmt Arbeitspaket, oder? Aktuelle interne Forschungserkenntnisse – wo sollen die wohl herkommen, wenn keine Forschung gemacht wird? Externe Ansätze? Da meldet sich dann einer, der hat neulich in BILD oder Bunte gelesen, dass, wenn man... Schöne Welt der Exzellenz an der RWTH!

Und so geht der Schwachsinn weiter und weiter. Ich will das nicht mehr lesen. Und kann es Ihnen nicht mehr zumuten. Mir schwirrt der Kopf...

Schade um das viele Geld. Was hätte die DFG damit Gutes tun können...