Uns geht’s gut – wir haben die DFG! (Teil 1)

Axel Brennicke


Editorial

(02.09.2014) Oft habe ich an dieser Stelle – meist im Rahmen trauernden Kopfschüttelns ob einer neuen sinnlosen Geldverschwendung von Bund, Ländern oder Uni – schon gesagt, was die DFG mit dem Geld alles Gutes hätte tun können. Aber: Ist die DFG überhaupt so supertoll? Gedanken dazu in drei Teilen – nachfolgend Teil 1: Anträge.

Wie wird die DFG mit dem politischen Druck von oben (das heißt, den Geldgebern – ergo der Politik) fertig? Kann sie deren modisch wechselnde Umhängemäntelchen in sinnvolle Kanäle ableiten?

Vor etwa fünfzig Jahren haben die politischen „Cluster Times“ begonnen – nach dem Motto: Geld verschafft nur dann Presse, wenn es um viel auf einen Schlag geht. Daher sind die althergebrachten Bottom- Up-Einzelanträge bei der DFG für die Politikerwerbung ein Verlust, sind geradezu ein No-Go. Seit den 1970ern muss die DFG daher viel Geld in Sonderforschungsbereichen (SFBs) ver-clustern, von Anfang an krampfartige lokale Zusammenschlüsse zu einem Über-Thema. Gezwungenermaßen beantragen unverbündete Arbeitsgruppen gemeinsam solche SFBs – und machen dann nebeneinander weiter, was sie schon immer machten. Was sowieso nur an großen Unis ging.

Editorial

Seit den 1990ern ist diese gezwungene Kooperation out, der Begriff „Interdisziplinarität“ ist plattgelutscht. Im Jubiläumsheft „20 Jahre Laborjournal“ stellte Wolfgang Nellen gerade ganz richtig klar, dass die Biologie in so viele Disziplinen und komplexe Methoden zerfallen ist, dass Interdisziplinarität in der Biologie gang und gäbe ist (LJ 7-8/2014, S. 6-11). Heute, 2014, sind auch die Cluster erschöpft und langweilig, waren sie doch auch nur eine von oben verordnete Massenhysterie unter Wissenschaftlern um Geld.

Übrigens nicht um Gehalt, sondern nur um Arbeitsmittel. Wo außer an den Unis muss ein Arbeiter eigentlich seine Arbeitsmittel erst noch beantragen? Der Straßenfeger den Besen, die Verwaltungsangestellte Papier, der Lokführer die Lok, der Ober die Teller, die Kassiererin die Kasse? Doch dies nur am Rande.

Eigentlich sollte eingesehen sein und sich herumgesprochen haben, dass nicht Cluster, Gruppen oder SFBs Forschung machen – sondern Individuen. Ein Wissenschaftler, der eine raffinierte Methode braucht oder eine dicke Maschine, der wird sich schon umgucken und einen finden, der die Methode kann oder die Maschine hat. Für die nächsten fünf Jahre gemeinsame Kaffeerunden und Stammtische zu verordnen, ist dagegen Quatsch.

Na ja, noch gibt es ja etwas Geld für Anträge einzelner Forscher – es müsste nur viel mehr sein.

Apropos „Der Antrag“. Hierzu ein Szenario: Sie sind eine junge Wissenschaftlerin. Sie haben Ihre Doktorarbeit fertig. Nicht kopiert, sondern erarbeitet. Jahrelang haben Sie im Labor Mikroliter zu Mikroliter klarer wässriger Flüssigkeiten gekippt – und am Ende etwas Neues herausgefunden. Sie sind neugierig. Sie wollen wissen, was die Natur macht. Sie wollen lernen, wie die Natur funktioniert. Nicht nur für sich selbst, sondern auch für alle anderen. Sie wollen die Welt besser verstehen. Sie haben eine gute Mentorin oder einen Chef, die/der sagt: „Machen Sie mal.“ Jetzt sind Sie erwachsen, jetzt machen Sie Wissenschaft. Was immer Sie am spannendsten finden.

Sie brauchen Geld für die klaren wässrigen Flüssigkeiten. Die kosten immer ein paar hundert Euro. Für jeweils 20 bis 100 μl. Wen fragen Sie? Wohin gehen Sie? Wo können Sie um Geld betteln? Beim Steuerzahler? Ja – aber nur indirekt. Die Regierung kassiert das Geld der Steuerzahler. Und mit den Steuern steuert die Regierung – das heißt, sie gibt das Steuergeld aus. Für Regeln, Soziales, Schirme und anderes. Die Ministerien verteilen all dieses Geld. Das Forschungsministerium? Vergessen Sie es. Die geben nur Geld für plakatierbare Anwendung. Für das, wovon die Politik denkt, dass es Wählerstimmen einbringt. Also für veraltete Cluster.

Ihnen bleibt folglich nur die DFG.

Die DFG finanziert Grundlagenforschung. Grund legen für die Zukunft. Ohne Grundlagen gibt es nichts, was anzuwenden wäre. Erst kommt die DFG, dann die Anwendung (vielleicht) – und dann das Forschungsministerium.

Was schreiben sie der DFG in Ihrem Antrag? Ihre coolste Idee natürlich nicht. Es könnte ja sein, dass ein Konkurrent Ihren Antrag sieht. Und dieser hat im Zweifelsfall mehr Geld als wir an der Universität; wir sind ja schließlich auf die wenigen Mittel der DFG angewiesen. Der normale DFG-Antrag bringt eine halbe Stelle und 13.000 €. Oder aber der konkurrierende Gutachter darbt ebenfalls an einer Universität und lehnt Ihren Antrag ab, mäkelt herum, um Sie auszugrenzen. Es ist also viel zu gefährlich, Ihre grandiose Idee im Antrag auszubreiten. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Konkurrenz Ihren Antrag beurteilen soll, ist etwa 100 Prozent. Seit die DFG die Anträge nur auf Englisch nimmt, auch die im Ausland.

Ist Ihre Idee wirklich super, dann ist sie so „High Risk“, dass Sie sie kaum laut aussprechen, geschweige denn schriftlich niederlegen wollen. Einen detaillierten Plan mit obskuren, aber wie gemeißelt unveränderlichen Meilensteinen können Sie schon gar nicht präsentieren. Was Sie schreiben, sieht also etwa so aus: Wenn dies nicht geht, probiere ich jenes. Funktioniert jenes auch nicht, dann probiere ich was anderes. Wenn das nicht funktioniert ... dann gebe ich … Magnesium hinzu… und einen Schluck Whisky für mich … und gucke mal…

Würden Sie mir dafür einen Euro geben? Die DFG auch nicht.

Dennoch muss ein weissagender Arbeitsplan her. Die DFG steckt im Bürokratiedilemma. Wie alle. Sie ist angehalten, Planwirtschaft zu etablieren. Sie verlangt daher von Ihnen als Antragsteller einen Drei-Jahres-Plan, Formblätter und genormte Meilensteine – alles immer mehr nach dem Vorbild der höchstbezahlten Bürokraten, der EU. Noch wehrt sich die DFG erfolgreich gegen die überbordende Formalisierung. Zwar hat sie unter dem Druck der Bürokraten in dem noch jungen Online-Antrags- System schon ähnliche Formalis men einrichten müssen wie die EU, aber die sind harmlos gegen das, was Brüssel so veranstaltet. Noch ist der DFG-Antrag ziemlich wissenschaftlich, aber neben der EU-isierung hat auch die BMBF-isierung eingesetzt.

So gern im Marketing Zukunftsprojektionen per Powerpoint nach Internet-Vorlagen erstellt werden, so dümmlich wäre das in der Forschung. Forschung, in der sich ein Zeitplan aufstellen lässt, der nicht erfunden und erlogen ist, ist keine Forschung. Dafür brauchen und dürfen wir keine Steuergelder ausgeben. So etwas kann vielleicht noch bei einer technischen Umsetzung angehen, aber auch da scheint es zweifelhaft, die Zukunft vorhersagen zu wollen. Ein Wissenschaftler kann nicht guten Gewissens aus der Kristallkugel lesen. Wer die Zukunft kennt, braucht keine Forschung. Und kein Geld von der DFG.

Sinnvoller wäre es, Geld für die bisherige Effizienz im Einsatz erhaltener Mittel sowie für sich gut entwickelnde Ideen zu geben. Und nach drei Jahren für den nächsten Antrag nachzuschauen, wie effizient dieses wiederum eingesetzt wurde. Das geht nicht auf Heller, Pfennig und Cent – das brauchen nur Bürokraten. Nach drei Jahren könnte man vergleichen: Wie war die „Performance“? Euro pro bisherigem Fortschritt, pro Erkenntnisschritt. Dieser kann eine Publikation sein, aber auch etwas anderes. Gerade große Fortschritte brauchen manchmal länger.

Beim BMBF-Antrag ist hingegen die Wortwahl das Kennzeichen. Lügen sind erwünscht und notwendig. Verbesserung der Welt bringt Pluspunkte, wir machen im Land alles exzellenzig, international ganz „high-ranking“. Schlagzeilenträchtig. Modewörter entscheiden darüber, ob es Geld gibt oder nicht. „Systeme“ müssen her, „Omics“ machen das Geld locker. Egal was Sie beackern wollen, egal, ob Sie an Ihrem Herzblutthema weiterforschen – die Verpackung macht es. „Bio-“ vorn und irgendetwas hinten; Informatik ist zum Beispiel in. Sie arbeiten natürlich nicht an einem Protein, sondern machen „Proteomics“. Ihr Lieblings-Lignin-Verzweigungsenzym muss mit großen Sprüchen die Umwelt retten. Sie analysieren das System der Holzwerdung. Und wenn es dazu noch CO2-neutrale Energie liefert, haben sie das Geld vom BMBF schon in der Tasche. Solch inhaltsleere Worthülsen der Scheinheiligkeit erfreuen das Ministerium.

Bei der DFG gibt es wenigstens noch richtige Gutachter. Diese werfen Ihnen etwa Detail armut vor und holen Sie zuweilen auf den Boden zurück.

Wie aber könnten die Anträge noch besser beurteilt werden als bisher? Tobias Erb hat im Jubiläumsheft „20 Jahre Laborjournal“ einige wichtige Vorschläge gemacht (LJ 7-8/2014, S. 34-37) – hier noch einige mehr. Sie dürfen Ihren ersten Antrag als solchen kennzeichnen, das ist gut, denn Ihre Publikationsliste kann nicht weiter als drei oder fünf Jahre zurück reichen. Das ist sogar entscheidend für junge Nachwuchsmenschen, die unabhängig werden wollen. Dazu sollten die jeweiligen Chefs der Abteilung, in der die frischbackende Antragstellerin arbeitet, darlegen, wie und wie vielen jungen Menschen sie bisher zur Selbstständigkeit verholfen haben. Oder wie viele sie haben selbstständig arbeiten lassen, ohne sich selbst in jeder Publikation aus allen Arbeitsgruppen des Institutes oder Gebäudes zu verewigen. Keine Absichtserklärungen, nur Fakten zählen.

Die rigorose Beschränkung der Publikationslisten auf fünf Publikationen der letzten Jahre hat die DFG gelockert. Gut so, vielleicht haben Sie in den ersten fünf Jahren Ihrer Wissenschaft ja mehr als diese fünf. Und die Gutachter sehen besser als in der bisherigen Praxis, ob in verschiedenen Anträgen immer wieder die gleichen Publikationen auftauchen. Natürlich immer nur die Wichtigsten zum Thema, wie eine Veröffentlichung im Journal of Lummerland zu dem Thema „On the skin colour of the train driver“ oder im Kaleidoskop der Elektrophorese den Aufsatz „Movement and degradation of RNA in raspberry flavoured jelly material from Dr. Oetker, Bielefeld“.

Soviel zum Beantragen selbst. Wie es nach dem Antrag weitergeht, folgt in Teil 2.