Uns geht’s gut – wir haben die DFG! (Teil 2)

Axel Brennicke


Editorial

(09.10.2014) Oft habe ich an dieser Stelle – meist im Rahmen trauernden Kopfschüttelns ob einer neuen sinnlosen Geldverschwendung von Bund, Ländern oder Uni – schon gesagt, was die DFG mit dem Geld alles Gutes hätte tun können. Aber: Ist die DFG wirklich so supertoll? Gedanken dazu in drei Teilen – hier Teil 2: Nach dem Antrag

Sie beantragen eine halbe Wissenschaftlerstelle. Für eine Doktorandin – hatten Sie ja vor einiger Zeit auch schon. Sind eben nur halbe Menschen. Die ganztags arbeiten. Halbtags-Forschung – No-Go, das gibt es nicht. Halbtags-Verwaltung – ja, das geht. In der Forschung kann mit halber Kraft nur miese Qualität herauskommen.

Die DFG bewilligt also das Geld für eine halbe Stelle und das Standardkleingeld. Nun wollen Sie die halbe Stelle auch besetzen. Start zum Hürdenlauf durch die Universität. Zwar hat die DFG Ihnen das Geld gegeben, fördert Ihre Idee, bezahlt Ihre Doktorandin – aber die Verwaltung Ihrer Universität hat Ihr Geld an sich gerissen. Und diese fordert eine Aufgabenbeschreibung für alle Angestellten der Universität. Da das Ihnen zur Verfügung gestellte DFGGeld jetzt der Universität gehört, verlangt diese also auch in diesem Fall, dass Sie gefälligst ihre Fragen beantworten und darlegen, was die Person machen soll, die mit der halben Stelle von der DFG bezahlt in Ihrem Projekt arbeiten soll. Das jedoch haben Sie der DFG bereits im Detail erläutert. Die Aufgaben, die diese Person erfüllen soll, haben Sie in dem Projektantrag für die DFG mit allen Einzelheiten und Meilensteinen ausgeführt und niedergelegt. Das interessiert die Verwaltung der Universität aber nicht; sie hat auch keine Lust, Ihren DFG Antrag anzuschauen.

Editorial

Einer Ihrer Kollegen aus der Wissenschaft traut sich, die doppelte Arbeit, die von der Verwaltung der Universität verlangt wird, zu verweigern. Lehnen Sie ab, diese Aufgabenbeschreibung nach den Uni-Formalia zu verfassen und abzuliefern, so wird Ihre Doktorandin von Ihrem eigenen DFGGeld nicht eingestellt. Also tun Sie es, sie füllen die Formulare der Verwaltung brav aus. Doch fragen Sie tatsächlich bei den Einforderern dieser Formblätter nach, so verweisen diese wie immer auf obskure Vorgaben.

Und niemand traut sich, herauszufinden, wer der oberfaule Narr ist, der die von der Verwaltung dirigierten und entsprechend obrigkeitshörigen Wissenschaftler wieder einmal mit diesen zusätzlichen Aufgaben betraut hat. Die Wissenschaftler müssen Wissenschaft machen, sonst gibt es keine DFG-Gelder mehr. Sie haben nicht die Zeit, zu recherchieren, da ist es einfacher, die sinnlosen Formulare zweckgebunden auszufüllen und die Doktorandin möglichst bald auf der halben Stelle forschen zu lassen.

Sinnlos ist vielleicht nicht ganz richtig, absurd wäre passender.

Wir sind sowieso machtlos gegenüber den Vorgaben der Uni. Vor vielen Jahren kam ich beispielsweise aus den USA zurück auf eine erste Anstellung als Angestellter der Wissenschaft. Ich hatte nur ein Sparbuch, da war nicht viel drauf. Die Verwaltung der Universität sagte, sie kann mein Gehalt nur auf ein Girokonto überweisen. Ich meinte, dass ich sonst kein Girokonto brauche und dass die Universität dann die Gebühren zahlen müsse. Das Sparbuch war kostenlos. Nach drei Monaten Arbeit ohne Bezahlung habe ich auf eigene Kosten ein Girokonto eröffnet.

Apropos Ausland: Ein Teil der Stipendien der DFG (und anderer Förderer) sollte vielleicht (auch) nach anderen Kriterien als bisher überlegt und überdacht werden. Denn Auslandsstipendien der DFG sind eine zweischneidige Sache. Zum einen lernt der Stipendiat natürlich ein anderes Labor kennen und mit neuen schlauen Kollegen zusammenzuarbeiten. Das ist zweifellos gut. Zum anderen aber fördert die DFG auf diese Weise die direkten Wettbewerber deutscher Labors im Ausland. Der Stipendiat ist in seinem besten Forschungsalter, erfahren in den meisten wichtigen modernen Techniken, aber noch nicht verbraucht und verdorben durch Vorgaben der Chefs. In diesem Alter, frisch nach der Promotion, hat der Wissenschaftler noch Mut, etwas ganz Neues anzufangen. Nur dann hat er die Ideen, die die Wissenschaft nicht in kleinen Schritten auf einem ausgeleuchteten Weg der Meilensteine weiterführen, sondern mit einem Sprung darüber hinaus Großes entdecken und verstehen lässt.

Dem Stipendiaten kann man es nicht verdenken, sich nette Gegenden auszusuchen – so dass am Ende Labors in Kalifornien und Australien nicht nur klimatisch, sondern auch von deutschen Steuergeldern bevorzugt sind. Dem Stipendiaten ist es nur zu gönnen, und er sollte sich dort auch ruhig außerhalb des Labors umsehen. Von daher habe ich selbst keine Skrupel, für ein paar Monate oder Jahre die Konkurrenz mit deutschen Steuergeldern und den fähigsten jungen deutschen Köpfen zu unterstützen. Aber fair gegenüber den deutschen Labors im verregneten Münster, im grauen Frankfurt oder im unbezahlbaren München ist das nicht.

Dieses Problem wird seit Jahren in der DFG diskutiert, aber eine Lösung ohne Zwangsjacke ist wirklich schwierig. Das Wetter können wir nicht ändern. Wir können nur versuchen, unsere Arbeit besser und interessanter zu machen, damit auch deutsche Postdocs einen eigenen Antrag für die Mitarbeit in unseren Labors stellen. Trotz Wetter. Und trotz „Hindernisparcours Verwaltung“.

Damit ist das DFG-Geld nicht nur für die Forschung wichtig, sondern auch für andere Hilfestellungen. Vor allem für die Erleichterung der Bürokratie. Aber auch für die Entlastung von der Lehre und der Organisation an der Uni. Das könnten die Länder und Unis besser organisieren – aber natürlich nur auf Druck der DFG.

Doch gehen wir noch mal einen Schritt zurück. Wer sind überhaupt die Gutachter, die sich nach dem Abschicken und Weiterleiten des Antrags damit beschäftigen? Das sind natürlich die, die auf dem gleichen Forschungsgebiet arbeiten und sich mit der Materie, mit dem Thema am besten auskennen. Mit anderen Worten, es ist die direkte Konkurrenz des Antragstellers.

Natürlich schreiben die konkurrierenden Gutachter, dass der Antrag zu wenige Details enthält. Schließlich möchten sie genau wissen, woran ihre Konkurrenz – nämlich Sie als Antragsteller! – im Moment arbeiten und was Sie planen. Ihr Arbeitsplan ist schließlich deutlich aktueller als Ihr Vortrag auf dem Symposium.

Sicher, die Gutachter sind zur Neutralität, zur Verschwiegenheit und was sonst noch allem verpflichtet. Aber Wissen lässt sich nicht mehr aus der Welt schaffen. Gutachter haben gelesen, was die konkurrierende Antragstellerin in den nächsten Jahren vorhat und können sich entsprechend in aller Ruhe darauf einstellen. Am besten geht das, wenn sie Kritik üben, den Antrag hinauszögern oder gleich ganz scheitern lassen. Dann haben die Ex-Gutachter das alleinige Anrecht auf eine gute Idee.

Natürlich sind die Gutachter aber nicht so fies und mies.

Es gibt auch Gutachter, die sich diese Aufgabe wirklich zu Herzen nehmen. Zum Beispiel der, der die Verantwortung über Leben und Tod eines jungen Wissenschaftlers nicht so einfach auf sich nehmen kann. Hier stellvertretend ein Zitat aus einem Brief von Alexander Hüttenhofer, eines Wissenschaftlers, der trotz modernster Exzellenz Deutschland für eine Professur verlassen musste, an die DFG:

Als Direktor dieser Abteilung weigere ich mich dezidiert für die DFG Gutachten auszustellen, die nicht nur wissenschaftliche, sondern viel weitreichendere Folgen für die AntragstellerInnen haben könnten. Schaffen Sie erst vernünftige wirtschaftliche Rahmenbedingungen für über vierzigjährige WissenschaftlerInnen, die Forschung machen wollen und interessiert sind, in der Forschung zu arbeiten. Setzen Sie sich für die Möglichkeit ein, unbefristete Stellen für qualifizierte und gute ForscherInnen vergeben zu können. Üben sie politischen Druck auf ihre Wissenschaftsministerin aus, sich um die „Lost Generation“ von PrivatdozentInnen zu kümmern. Vergeuden Sie nicht das wissenschaftliche Potential, für das Millionen/ Milliarden Euro an Steuermitteln investiert wurden.

Vor diesem Hintergrund verlangen Sie de facto nicht weniger von mir, als mit meinem Gutachten über das Karriereende oder die Karrierefortsetzung [...] zu entscheiden. [... ] Wäre dies ein Einzelfall, so könnte man darüber hinweggehen. Aus meiner wissenschaftlichen Tätigkeit in Deutschland weiß ich aber [... ], dass dies ein durchaus typischer Fall ist.

Ich habe es damals als promovierter Wissenschaftler und später als Privatdozent erlebt, wie völlig unverantwortlich die deutsche Wissenschaftslandschaft (einschließlich der DFG) mit WissenschaftlerInnen umgeht: diese wurden bis in ihre späten Dreißiger oder gar bis Anfang vierzig mit Stipendien und Drittmittelstellen gefördert, um ihnen dann zu diesem Zeitpunkt mitzuteilen, dass leider keine weitere Verwendung für sie besteht (weil es eben nicht annähernd genügend ProfessorInnen-Stellen für alle PrivatdozentInnen gibt). [... ]

Dies ist nicht nur volkswirtschaftlich ein unglaublicher Unfug. Dies ist ein typisches Kennzeichen für eine wissenschaftliche Bankrotterklärung, liebe DFG, für eine völlig verfehlte Wissenschaftspolitik, an der Sie – zugegebenermaßen – nicht allein-, aber doch mitverantwortlich sind. Und Sie verlangen nun allen Ernstes von mir, [... ] ein Gutachten abzugeben, das möglicherweise [eine] Karriere terminieren könnte? Ich denke nicht.“

Chapeau! Ich kann es nicht besser ausdrücken.

Aber jetzt sind wir schon mitten in den Gutachten. Dazu wollte ich eigentlich erst im dritten Teil kommen...