Uns geht’s gut – wir haben die DFG! (Teil 3)

Axel Brennicke


Editorial

(04.11.2014) Oft habe ich an dieser Stelle schon gesagt, was die DFG mit dem Geld, das an unseren Unis verschwendet wird, alles Gutes hätte tun können. Aber: Ist die DFG überhaupt so supertoll? Gedanken dazu in drei Teilen – Teil 3: Gutachten und Gutachter.

Gutachter arbeiten umsonst, für ein Gutachten gibt es keine Bezahlung. Das ist auch okay. Das ist so Usus in der Gemeinschaft der Biowissenschaften, das gehört zu unserer Arbeit. Ein Mediziner, Jurist oder Ingenieur würde nur den Kopf schütteln: Ein Gutachten umsonst? Bei uns ist es eben üblich, damit Elsevier und Wiley mit 30 Prozent Rendite nicht verhungern und die DFG ihr Geld auf exzellente Cluster konzentrieren kann. Aber was ist, wenn unsere Arbeit stetig mehr wird? Wenn wir immer mehr Bürokratie befriedigen müssen, die auf uns abgewälzt wird? Und wenn unser Gehalt alle paar Jahre gekürzt wird? W3 ist deutlich weniger als C4, und C4 war schon deutlich weniger als H4. Und dafür müssen wir deutlich mehr Studenten ausbilden.

Gehört nach den Gehaltskürzungen die gesamte Arbeit, die wir umsonst zu machen haben, immer noch schlichtweg dazu? Reicht es, für die Ehre allein viel Zeit in ein Gutachten zu investieren? Reicht es, womöglich frühzeitig zu erfahren, was die Konkurrenz machen möchte? Reicht das Gefühl der Macht, über Gedeih und Verderb eines Antrages zu entscheiden? Will man als Gutachter die Allmacht, über das wissenschaftliche Leben und Sterben von Milchschnitte Meyer und Haribo Schulze zu entscheiden? Ohne Bezahlung? Ohne Anerkennung?

Editorial

Die guten Gutachter können das nicht. Diejenigen mit einem Gewissen.

Natürlich sind Sie genauso sauer wie ich, Sie sind stinkig, wenn die DFG Ihren Vorschlag für Ihr Forschungsprojekt ablehnt. Das beste Projekt aller Zeiten – sonst hätten Sie sich ja nicht die Mühe gemacht, es aufzuschreiben. Ich hadere und schimpfe auf die DFG, wenn sie mir schreibt: „Nein, leider können wir Ihnen keine Unterstützung geben. In Ihrem Alter lassen wir Sie mal liegen, die Jungen müssen jetzt ran…“

Nein, das sagt die DFG natürlich nie. Die DFG diskriminiert nicht nach Alter. Formal pensionierte Forscher arbeiten mit DFG-Unterstützung weiter – sind oftmals noch fit, bekommen aber nichts mehr von der Universität, von Bund und Land. Da sind die Regeln starr.

Die DFG diskriminiert eher positiv: Der Erstantrag einer jungen Forscherin wird anders (milder?) angesehen als der Antrag von mir. Fühle ich mich deswegen diskriminiert? Nein! Im Gegenteil – „Gut so!“, sage ich.

Leider versteckt aber auch die DFG zunehmend ihre chronische Überforderung durch Antragsfluten und stetig eskalierenden Geldmangel hinter unvollständigen Formalien. „Ihr Antrag auf Förderung wird abgelehnt, weil Forschungspläne und Zeitpläne nicht ausführlich genug sind.“ In Ihren Ablehnungsschreiben begründen fehlende Details für die geplanten Experimente und andere bürokratische Floskeln die sachliche Ablehnung? Das darf nicht sein.

Das fördert am Ende doch wieder die Lügerei, wie es die Ministerien tun.

So hatte ich vor ein paar Wochen zu meinem neuesten DFG-Antrag zwei – zumindest in den kopierten Teilen – sehr positive Gutachten erhalten (natürlich zu Recht, finde ich!). Als Resümee jedoch: die Ablehnung! Mit der Begründung, dass die Gutachter einiges bemängelt hätten. Diese haben auch tatsächlich konstruktive Vorschläge gemacht, schreiben aber ausdrücklich dazu, dass ihre Hinweise und Empfehlungen nur als solche zu verstehen sind:

1. „Questions and mild criticism in this review should not be considered negative.“

2. „Although I have raised a few (minor) points of criticism, I strongly suggest to provide funding …“

Und ein Gutachter betont noch explizit, dass der Antrag sehr bescheiden sei.

Die Ablehnung „zerbürokratisiert“ schließlich auch, dass die Gutachter eine Überschneidung mit einem beantragten deutsch-französischen Projekt kritisch sähen. Keiner der beiden erwähnt jedoch dieses Projekt. Und überhaupt ist am Ende auch dieser „Konkurrenz-Antrag“ abgelehnt worden. Zwar war eine Methode tatsächlich ähnlich – aber Thema, Vorgehen und Ziel natürlich ganz anders gelagert.

Nein, ich kann nicht jammern – die DFG hat ja auch kaum Geld. Besser, dass junge Mutige die Kohle bekommen. Dennoch: Etwas mehr Ehrlichkeit und Offenheit, vielleicht auch ein Ranking statt flacher Allgemeinplätze, wären der hohen Investition in einen Antrag wie auch der Achtung der Wissenschaftler als Menschen angemessener. Missachtung und Egozentrik sind letztlich Symptome der Bürokratie.

Solche Bürokratie-getriebene Missachtung durch die DFG trifft aber nicht nur die Antragsteller, sondern noch viel mehr die Gutachter: Wozu haben die Gutachter sich denn die Mühe gemacht, mein Projekt zu lesen, darüber nachzudenken, sich eine verantwortungsbewusste Meinung zu bilden und zu formulieren, eine Zusammenfassung zu exzerpieren,...? Wozu, wenn das Auswahlgremium am Ende doch nicht reinguckt und der DFG vielmehr in den Brief diktiert, dass die Gutachter keine Ahnung hätten? Wozu, wenn zudem die DFG dem Gremium dankbar zustimmt, weil ja sowieso kein Geld da sei?

Bin ich sauer auf die Gutachter? Nein – denn wenn ich ehrlich bin, ist etwas dran an ihren Kommentaren, sie haben irgendwie Recht. Vor allem, weil sie dies als freundliche Hilfestellung und guten Rat sehen. Und dies schließlich auch so ist. Natürlich ist mein Vorhaben verbesserungsfähig – ist das nicht immer so?

Will ich wissen, wer die Gutachterinnen und Gutachter sind? Nein. Es ist besser, sie bleiben anonym. Wenn ich ein Gutachten schreibe, will ich auch nicht, dass nach ein paar Tagen der Kollege bei mir anruft und mich am Telefon beschimpft, was ich mir dabei gedacht hätte. Ich will auch nicht, dass der Kollege, der dann meinen nächsten Antrag begutachtet, vor lauter Wut über meine Vorschläge zur Verbesserung seines Antrages wiederum den meinen herunterputzt – und sich womöglich auf eine polemische Ebene, auf persönliche Angriffe herablässt. Das möchte ich dem Kollegen nicht zumuten. Und mir ersparen.

Gutachter der DFG müssen anonym bleiben. Ebenso wie die Gutachter der Zeitschriften. Aber die Gutachter müssen den Namen des Antragstellers kennen. Nur dann können Sie Hintergrundinformationen von den entsprechenden Webseiten einholen und mit solch erweitertem Wissen den Antrag und die Antragstellerin besser beurteilen.

So ist es beispielsweise oft wichtig festzustellen, ob die junge Antragstellerin tatsächlich ein eigenes, unabhängiges Projekt durchführt, oder ob sie nur im Auftrag ihres Chefs zusätzliches Geld in das gesamte Labor holen soll. Wobei das gar nicht pauschal zu verurteilen ist, da ein Uni-Labor, das Forschung machen will, zu 100% auf diese zusätzlichen Mittel angewiesen ist. Auf diese Geldmittel von der DFG.

Dabei geht es oft um Alles. Um Schicksal, Leben und Arbeiten der antragstellenden Wissenschaftlerin. Und es geht um noch mehr. Es geht um die Wissenschaft. Es geht um die Freiheit der Wissenschaft. Und es geht um den korrekten Einsatz der Steuergelder. Schlaue Unternehmen dürfen nicht heimlich subventioniert werden, indem verlangt wird, dass die Hälfte des Forschungsgeldes von dort kommt – nur damit im Erfolgsfall anschließend die Antragstellerin und Wissenschaftlerin verunglimpft werden kann, im Dienste der Industrie zu stehen (siehe LJ 7-8/2014, S. 12-15). Und es geht um echten Fortschritt, echte Grundlagenforschung, die die Zukunft der nächsten Generationen sichern und verbessern sollen. Die deren Verständnis unserer Welt erweitern soll.

Durch den Zwang der Politik, insbesondere BMBF und EU, derangiert die Forschung an den Universitäten zur bloßen Technologieentwicklung. Diese ist aber viel zu kurzfristig, ist vielleicht ein paar Jahre erfolgreich – aber dann gibt es keine neuen Einsichten mehr. Es gibt keine Grundlage mehr für irgendwelche Anwendung. Woher sollen die prinzipiellen Erkenntnisse kommen? Wer soll die in der Zukunft machen? Die muss die Uni liefern, Technische Unis (TUs) sind nachgeschaltet.

Und dazu kann das Geld nur von der DFG kommen. Transparenz – wollen wir das wirklich? Nein, das ist primitiv. Der Philosoph Byung-Chul Han schreibt: „Transparent ist nur das Tote“ (Die Zeit, 12.1.2012). Und die DFG lebt, wie auch ich als Begutachteter und Begutachter lebe. Der Philosoph sieht Transparenz als Gleichschaltung. Genau das soll und darf Forschungsförderung nicht sein. Es gibt Projekte und Vorschläge von unten an die DFG, die nicht so förderungswürdig sind wie andere. Ob die vergleichende literaturwissenschaftliche Analyse der Perzeption der Sprache von BILD oder FAZ in Nord- und Süddeutschland oder die Verbreitung von Leberzirrhosen in Maulwürfen in Abhängigkeit von der Bodenfeuchte ebenso wichtig sind wie die Untersuchung von potentiellen Prion-Vektoren für das ß-Amyloid bei Alzheimer – das muss die DFG mit ihren Gutachtern entscheiden. Da muss bisweilen manchem Antragsteller (wie auch mir) sein Verständnis der Welt zurechtgerückt werden – und er kann dazu lernen.

Der Philosoph weiter: „Transparenz schafft Vertrauen ab.“ (Na ja, das ist ja gerade Philosophie – das Offensichtliche erst einmal zu formulieren und damit klar zu machen. Und das mit der Transparenz verkauft dieser Philosoph auch schon eine Weile).

Wer vertraut, braucht keine Transparenz. Wer misstraut, der will Transparenz. Vertraut ruhig der DFG. Und wenn sie sagt, mein Projekt und Antrag sind Mist, dann glaube ich ihr. Und leider hat sie ja auch (oft) recht...