Das große Misstrauen

Axel Brennicke


Editorial

(09.12.2014) Die Abwicklung von DAADDrittmitteln zeigt besonders krass, wie wenig die Uni ihren forschenden und lehrenden Mitarbeitern traut.

Die Uni will wie jeder Betrieb ein gutes Klima schaffen. Corporate identity. Von rechts innen aber dräut das Misstrauen. Von der Seite, die die eigentliche Arbeit der Universität unterstützt – vom verwaltenden Teil also. Dort herrscht Misstrauen – untereinander, in der Hierarchie. Das Unvertrauen wird weitergereicht. Von dort ausgehend misstraut jeder jedem – jedem in Forschung und Lehre. Korrektheit ist eine Sache – Misstrauen eine andere. Misstrauen ist eine Lunte, die langsam schwelt und glimmt. Am besten wäre, wenn sie möglichst bald die Explosion auslöst.

Die Probleme eskalieren, wenn die Universität die Verwaltung der Gelder, die Drittmittelgeber zur verantwortlichen Verwendung freigegeben haben, an sich reißt und denkt, sie müsse diese nun selbst kontrollieren. Fast immer eskaliert die Kontrolle dabei zum Selbstzweck – das perverse Misstrauen der Verwaltung lässt sich nicht verklären. Was dann unter anderem herauskommt: Wir als Einwerber der Drittmittel müssen diese vom eigenen, privaten Konto vorstrecken – um anschließend darum zu betteln, dass die Verwaltung der Universität uns unser Geld irgendwann huldvoll zurückgibt. Unsere Viertmittel also. Was waren noch mal Zweitmittel?

Editorial

Ein aktuelles Beispiel.

Wir hatten gute Nachricht vom DAAD. Unsere Zusammenarbeit mit den Kollegen in Argentinien im virtuellen Mail-Raum können wir jetzt in der physischen Realität fortsetzen. Für zwei Jahre haben wir Reisemittel bekommen – die Argentinier vom MINCyT, wir vom DAAD. So können wir uns gegenseitig aufsuchen und die Projekte direkt bearbeiten und besprechen. Studenten aus Argentinien können Pumpernickel und Maultaschen probieren, unsere Doktoranden können sich endlich einmal an Asado und Dulce de leche satt essen.

Die Regeln beim DAAD sind in den letzten Jahren richtig Geldnehmer-freundlich geworden: eine Pauschale deckt die Reise aus Deutschland nach Argentinien, Argentinien gibt den deutschen Studenten eine Pauschale für Bett und Grill; umgekehrt finanziert Argentinien das Flugticket für die argentinischen Kollegen und vom DAAD bekommen sie ein pauschales Tages- und Kopfgeld für Zimmer, Waschsalon und Mensa in Deutschland. Das ist sehr vernünftig und menschlich organisiert, denn wer weiß, wie im nächsten Jahr der Wechselkurs des argentinischen Peso steht und ob die Argentinier noch genügend Euro kaufen können, um hier Bett und Bier zahlen zu können.

Die deutsche Universität gibt das Geld an den argentinischen Gast jedoch nur per Überweisung oder Scheck aus. Die Überweisung muss auf ein Konto des Geldempfängers, also des Argentiniers gehen. Da dieser in Deutschland kein Konto hat, bleibt der Scheck. Die Verwaltung der Universität stellt aber den Scheck erst aus, nachdem irgendjemand Verantwortung übernimmt – was konkret heißt, dass ich schriftlich mit Originalunterschrift auf Originalpapier bestätige, dass der Argentinier tatsächlich eingetroffen ist. Dann dauert es ungefähr eine Woche, bis der Scheck ausgestellt ist.

Da der argentinische Kollege einen maximalen Aufenthalt von 14 Tagen Deutschland hat, kann er froh sein, wenn er das Geld für seinen Aufenthalt noch rechtzeitig vor der Abreise bekommt. Wie er die erste Woche überlebt, wie er seine Unterkunft bezahlt, das interessiert die Verwaltung einer deutschen Universität doch nicht. Also strecke ich ihm dieses vor und hoffe, dass er den Scheck tatsächlich rechtzeitig bekommt und mir das Geld zurückgeben kann. Doch wie erwartet verzögern sich sein Scheck und damit die Rückzahlung auf mein Konto nochmals. Angeblich ist der Strich in demjenigen Kästchen zu klein ausgefallen, mit dem im Antragsformular markiert wird, dass die Auszahlung der Aufenthaltspauschale via Scheck geschehen soll, da der Gast kein deutsches Konto hat. Die abwesende Kontonummer und der handgeschriebene Zusatz mit der Bitte um Ausstellung eines Schecks werden schlichtweg übersehen. Leider gibt es in dem vorgegebenen Formular nur die eine Möglichkeit, eben diesen Strich zu setzen – ein „X“ funktioniert nicht und online lässt sich darin mit einem dicken Edding nichts verbessern.

Warum die Universität hier einen originalen Anwesenheitbestätigungs-Brief nach physikalischer Ankunft des Kollegen braucht, statt eine E-Mail zu akzeptieren, ist unklar. Und warum die Universität der weitergeleiteten Original-Mail nicht traut, mit der Fluglinie die Flugbuchung aus Argentinien bestätigt und ich zugleich versichere, dass der Kollege tatsächlich kommen wird, ist mir sowieso nicht klar. Wahrscheinlich hat sich in der Verwaltung noch nicht herumgesprochen, dass Flugtickets heute kaum mehr physisch ausgestellt werden, sondern dass Buchung, Bestätigung, Reservierung und Bezahlung komplett online funktionieren – und akzeptiert werden.

Immerhin stellt die Univerwaltung ein eigenes Bestätigungsformular zur Verfügung. Leider lässt sich das aber online nicht ausfüllen – egal welchen Buchstaben man eingibt, es erscheinen nur schwarze Kugeln auf dem Bildschirm. Wenigstens funktioniert aber der Ausdruck des leeren Formulars zum Ausfüllen per Hand.

Dann kommt der Tag, an dem ich meinen Flug nach Argentinien buche und die Verwaltung der Universität bitte, mir die zugehörige Pauschale inklusive der sonstigen Reisegelder zu überweisen. Das lehnt die Verwaltung rigoros ab. Sie verfährt einfach nicht so, wie der DAAD es vorsieht, und überweist die Pauschale vorab – obwohl jeder weiß, dass Fluggesellschaften ihre Tickets bezahlt haben wollen, bevor man losfliegt. Und ein Flug nach Argentinien ist nicht billig. Immerhin lässt sich die Verwaltung darauf ein, mir nach Vorlage des online bezahlten Tickets via E-Mail wenigstens die Ticketkosten von der Pauschale zurück zu erstatten. Den Rest der Reisekostenpauschale für die Fahrt zum und vom Flughafen hier und dort werde ich natürlich erst sehen, nachdem ich wieder alles im Voraus ausgelegt habe und hinterher bestätige, dass ich tatsächlich gefahren sei. Der DAAD hat alles einfacher gemacht und Bürokratie abgebaut – die nachgeschaltete Uni führt dies noch viel aufgeblasener wieder ein.

Das Misstrauensprinzip ist ja nicht unüblich. Wenn ich beispielsweise der Einladung zu einem Vortrag an egal welcher anderen deutschen Uni habe – die Reisekosten werden immer erst hinterher abgerechnet. Und zwar exakt, bis auf die letzte Stelle hinter dem Busticket. Das ist ja auch in Ordnung, da man immer erst hinterher genau weiß, was die Fahrt gekostet hat. Und man will ja nicht plötzlich exorbitante zehn Euro Überschuss in der eigenen Tasche finden und verschwinden lassen. Bei Pauschalen allerdings, die unabänderlich festgesetzt sind, ändert sich nichts – die kann man auch gleich voll auszahlen.

Problematisch wird das identische Verfahren nämlich bei den Doktoranden, die nicht so locker 1.000 Euro für ein Flugticket nach Buenos Aires vorstrecken können. Also bleibt nichts anderes übrig, als dass ich den Doktoranden diese Kleinigkeit auslege. Ebenso wie die weiteren Reisekosten- Kleinigkeiten, die erst während Reise entstehen – die diversen Züge und Busse, inklusive der Übernachtung in Buenos Aires, bis am nächsten Tag endlich ein Bus an das Silbermeer Mar-del-Plata abfährt.

Ist das nun pervasiver oder subversiver Umgang der Uni-Verwaltung mit unseren Drittmitteln? Dabei könnte sich die Univerwaltung das Leben vereinfachen. Statt für jeden Gast jeden Teilbetrag an Reise-, Aufenthalts- und sonstige Kosten extra beim DAAD anzufordern und damit diesem wie sich selbst das Leben schwer zu machen, könnte die Univerwaltung auch in einem Wisch die Summe für das ganze Jahr abrufen und dann von ihrem eigenen Konto Unter punkt für Zwischenpunkt ausgeben. Aber vielleicht wäre das für eine Verwaltung zu verantwortungsvoll. Da ist es doch einfacher, irgendjemand anderem mehr Arbeit zu machen. Und sich selbst auch.

Allerdings: Wenn die Verwaltung mir gegenüber so misstrauisch ist, wie kann ich der Verwaltung dann vertrauen, dass sie mir tatsächlich irgendwann meine Unkosten von dem DAAD-bewilligten Geld zurückzahlt? Und wozu verschlankt denn der DAAD die Bürokratie durch Pauschalen, wenn hintendran die Universität für ebendieses pauschalierte Geld wiederum einen extrem komplizierten und misstrauischen Bürokratismus einführt? Traut die Universität ihren eigenen Mitarbeitern so wenig, dass sie erstmal unterstellt, dass der Gast aus Argentinien gar nicht kommt und ich auch nicht dorthin fliege? Was denkt die Universitätsverwaltung eigentlich, warum wir – der argentinische Kollege und ich – ein Projekt entwerfen und in einen langen Antrag packen, der wiederum von kompetenten Kollegen für lau begutachtet wird?

Dafür, dass wir dann doch nicht fahren? Unterstellt die Univerwaltung, dass wir das Geld in eine schwarze, graue oder gar die eigene Kasse abzapfen wollen? Ist die Verwaltung etwa bei Reisen besonders misstrauisch, weil sie im Fernsehen zu viel von Politikern hört, die mit Bundeswehr- Diensthubschraubern in den Urlaub fliegen? Wir sind aber leider nicht in der Politik – die Dienstwagen der Uni bleiben der Verwaltung vorbehalten, und die Wissenschaftler machen vermeintlich doch nur Schrott. Und überhaupt: Der Heli bleibt ziemlich schwierig bei den 0,22 Euro pro km, die die Univerwaltung ansetzt. Sogar das Finanzamt berechnet 0,30 Euro – und das ist wirklich nicht für seine Großzügigkeit bekannt.

Und dann wundert sich die Uni, wenn wir Forscher und Lehrer unseren Verwaltungen misstrauen? Bei solchem Misstrauen der Verwaltung uns gegenüber? Irgendwie tut man sich als Mitarbeiter der Universität schwer, eine Verwaltung mit in die Corporate Identity einzubeziehen, die sich derart offensichtlich nicht mit den Mitarbeitern der eigenen Uni identifiziert.