Uni abgefahren

Axel Brennicke


Editorial

(05.04.2015) Die wahre Erleuchtung holen sich Studenten im Studium Generale. Oder?

Kommen Sie an die Uni, bei uns sind Sie richtig! Egal wie abgefahren – wir haben es, wir geben es Ihnen. Und was wir im normalen Studium nicht haben, holen Sie sich eben im generalen Studium. Da gibt es alles für jeden, egal was Sie glauben. Glauben Sie an den großen blau-weiß karierten Guru, den grünrot gestreiften Meister, an das schwarz-ocker lackierte Absolute, an die gelb-lila changierende Spirale? Wenn Sie unsicher sind, kommen Sie zu uns – hier an der Universität lernen Sie, was wichtig ist und worum es geht. Gleichzeitig entwickeln wir Sie weiter – so weit, bis Sie nicht mehr mit können.

Und wenn Sie gar nichts glauben, können Sie hier lernen, was Sie alles glauben können. Machen Sie sich keine Sorgen, machen wir ja auch nicht – wir lehren Sie alles. Egal, was es ist: Ob Wissen, Wissenschaft, Glauben, Humbug, Einbildung, Fantasie, abgehoben oder ausgegraben – gemeinsam schaffen wir das schon.

Wir haben qualifizierte, sehr gut ausgebildete Lehrkräfte, die Ihnen auf den Weg helfen. Egal, wohin er geht, ob richtig oder falsch, Sackgasse oder Einbahnstraße – unsere finanziell hoch motivierten Lehrkräfte werden Sie schon schieben.

Editorial

Wir sind bei jeder Mode dabei, ob Dschungelcamp oder Mädchentag. In dieser Tradition bei uns jetzt ganz neu im Angebot: „Familien- und Systemaufstellungen mit Heilarbeit“, durchgeführt von unserer Uni-akkreditierten Fachkraft B.P. (nicht B.C.), die in Broschüre und im Netz angepriesen wird als „Mediale Heilering/ Heilertrainerin, Dipl. Lebensberaterin, Sysgtemische Aufstellungen, Geistige Chirurgie“ [Rechtschreibung weder hier noch in weiteren Zitaten korrigiert!]. Unakademisch aus- und eingebildet ist sie als „Pädagogin, Dipl.Lebensberaterin, Systemische Familien-Aufstellungen, Mediale Heilerin nach natara®, Mediale Heilertrainerin nach natara®, Geistige Chirurgin nach natara®, Lichtkörperprozess-trainerin nach natara®, Lichtnahrungsprozess- trainerin nach natara®“. Sowie hinund fortgebildet durch „Hospitation und Assistenz systemisches Familienstellen bei verschiedenen therapeuten, Ausbildung Hawaiian Bodywork, Bio-energetische Massagetherapeutin, Lichtkörperprozess Chakren 1-36 mit Lichtnahrungsprozess, Meditation, Prana-Heilung, Symbole-und Mantren-Seminarleiterin, Basenfasten- Kursleiterin, Matrix-transformation®. inspiration und intensive Schulung durch verschiedene spirituelle Meister, insbesondere natara, Oronos, Jesus.

Dagegen ist ein naturwissenschaftliches Studium Pipifax, macht echt nichts her. Nur gut, dass die Universität endlich wirklich qualifizierte Leute holt.

Sie wissen nicht, wer Natara ist? Ich auch nicht. Die Suchmaschine ist klüger und findet ihn: „natara ist ein Heiler und spiritueller Lehrer der neuen Zeit. Seitdem er 2001 im Auftrag von Erzengel Michael das Kamasha Projekt gründete, hat er mit seiner Arbeit zehntausende Menschen erreicht. Der Begriff „Kamasha“ stammt aus dem Sanskrit und bedeutet „Quelle des Seins“ – dorthin möchte natara die Menschen, die zu ihm kommen, zurückführen. Durch natara wirken geistige Kräfte, die umfangreiches Wissen aus verschiedenen Dimensionen mitbringen und den Heilungsprozess eines Klienten auf vielfältige Weise unterstützen.

Und nun Vorhang weiter auf für Meister Oronos: „Seit 2009 channelt natara einen „Meister aus dem Quantenfeld“ namens Oronos. Kraftvoll und direkt leitet Oronos die Menschen an, sich einer neuen Weltsicht zu öffnen. er hat eine neue Dimension des Wirkens für natara eröffnet und lässt in tiefen nächten, Seminar- und Ausbildungstagen große Heilung geschehen. Das Channeling geschieht in Volltrance.

Quantenfeld – hat das was zu tun mit Quantenphysik? An unserer Uni? In tiefen Nächten? Ich glaube, ich falle in Volltrance.

Und was lernen wir im Besprechungsraum Zi. 12 unserer Uni? Zitiert aus der Broschüre „Studium Generale“ zu Kurs Nr.: 14/15-005-eg: „Aufstellungen sind mittlerweile sehr bekannt und weit verbreitet, manchmal auch umstritten. Was sie für uns so wertvoll macht ist, dass sie eine der effektivsten Methoden sind, um Ursachen von Konflikten und behindernde Dynamiken ans Licht zu bringen. Somit wird die Basis für Veränderung und Heilung aus dem inneren heraus geschaffen. Häufig spielen belastende Situationen aus der Kindheit und unerkannte Verstrickungen mit Mitgliedern aus der Ahnenreihe – manchmal bis in die 7. Generation – eine Rolle. in einem geschützten Rahmen können Sie wahrnehmen, was sich hinter psychischen und körperlichen Symptomen, Konflikten und belastenden Lebenssituationen verbirgt und Sie können Selbstheilungskräfte aktivieren. Die Methode ist effizient, berührend und immer überraschend. Lösen statt leiden.

Hier einige Beispiele, was man aufstellen kann: Familie – Disharmonien, belastende Prägungen aus der Herkunft… Beziehungen – Partnerprobleme, Partnerwunsch, Patchworkfamilie… Körper – Symptome, Krankheiten, Organe… Situationen – Beruf, Berufung, Ortswechsel, Unfälle, Geldmangel… Ängste, Depressionen, Wut, seelische Verletzungen… Kinder – Schulprobleme, Verhaltensauffälligkeiten, Krankheiten… Seele – Lebensaufgabe, Sinnfindung, Potenzial leben…“

Wenn das nur die Beispiele sind – was können wir noch alles lernen an dieser Universität? Irgendwie komme ich mir mit meinen Genen, den Regelkreisläufen zur Induktion von Blütenbildung und der Endosymbiontentheorie ziemlich altmodisch vor. Will das überhaupt jemand hier noch lernen? So ein Biologiestudium ist offensichtlich überholt...

… Mediale Heiltechniken fließen in das Geschehen mit ein und erhöhen die Wirksamkeit. Sie können sowohl eine eigene Aufstellung machen, als auch als Stellvertreter(in) dabei sein. Beides sind tiefgreifende Erfahrungen und bringen Ihnen einen großen Schatz an Mitgefühl und Verständnis für Sie selbst und den Umgang mit anderen. … Meine Seminare sind geprägt von einer Atmosphäre der Offenheit, Achtung und liebevollen Akzeptanz.

Meine Seminare und Vorlesungen sind nicht immer von einer Atmosphäre der liebevollen Akzeptanz geprägt, spätestens bei den Klausuren ist damit Feierabend. Im Labor geht es dagegen ähnlich zu wie in diesen modernen universitären Lehrveranstaltungen – zumindest hoffe ich das: „Die gesammelte und ernsthafte Arbeit an sich selbst darf Freude bereiten und so ertönt auch oft Lachen in meinen Seminaren, wenn die Anspannung vorüber ist und gute Lösungen gefunden worden sind.

Irgendwie verkaufe ich meine Vorlesungen und Seminare nicht richtig. Beim nächsten Mal werde ich als Einführungssatz aus der Broschüre für das Studium Generale meiner Universität zitieren: „Ich heiße Sie willkommen zu einem Tag, der Ihr Leben bereichert!“ Kann ja nicht schaden oder?

Aber vielleicht kommen die Studenten auch gar nicht mehr, wenn sie an diesem Seminar teilgenommen haben. Das Finanzielle kann kein Hindernis sein, denn die Universität bietet dieses Lebensseminar zu einem unschlagbaren Vorzugspreis an, der um 90 Prozent gegenüber dem regulären Preis ermäßigt ist. So zahlen Studierende der Uni für das siebenstündige Seminar nur neun Euro, ich als Beschäftigter der Universität läppische 19 €, und normale Menschen auch nur 38 €. Auf der Webseite des Veranstalters beläuft sich der Normalpreis auf etwa 144 €. Unklar ist, ob die Differenz aus Universitätsmitteln bezahlt wird, ob Bundesmittel zur qualitätsgesteuerten Sicherung der Lehre an der Universität hier sinnvoll eingesetzt werden oder ob die Seminarleiterin bereit ist, für die Akkolade einer Universitätsveranstaltung auf Einnahmen zu verzichten.

Für solche Studenten-gestaltende Veranstaltungen könnten doch die Gelder von Land und Bund endlich zielorientiert sinnvoll eingesetzt werden, um den Durchfall von Studienabbrechern zu heilen (siehe LJ 3/2015: 20-21). Denn wie gesagt: „Aufstellungen bringen Ursachen von Konflikten und behindernde Dynamiken ans Licht – auf eine veränderbare Ebene. Häufig spielen unerkannte Verstrickungen mit Mitgliedern aus der Ahnenreihe – manchmal bis in die 7.Generation – eine Rolle.“ Für neun Euro pro Student ein echtes Schnäppchen, pro Generation gerade mal etwa 1,20 €, fast ein Geschenk: „Dies ist ein Geschenk der Geistigen Welt, damit wir noch leichter mit den Herausforderungen des Lebens umgehen können. Ursprünglich ist unser Emotionalkörper 40 cm von uns entfernt, unser Mentalkörper 20 cm. Die Geistige Welt weitet die beiden Körper in einer Sitzung, den Emotionalkörper auf 3 m, den Mentalkörper auf 1,5 m. Dies bewirkt, dass viele gespeicherte Emotionen und behindernde Gedankenmuster sich nach und nach sanft lösen können, das geweitete Feld füllt sich mit Liebesenergie.

Da sind Physik und Quantenphysik und Experimentalphysik gefragt, die die Biologie unterstützen müssen, um in hochauflösenden Mikroskopen nach entsprechender Fluoreszenzanfärbung den Emotional- und Mentalkörper noch genauer vermessen zu können. Leider hat bisher die PCR nichts gebracht, wahrscheinlich haben wir die falschen Primer eingesetzt.

Ganz sicher steht jetzt in der Medizin eine große Entlassungswelle von Ärzten an, Studenten sollten sich genau überlegen, ob sie noch Zukunftschancen haben: „Auch sitzen Krankheiten immer zuerst auf dem Emotionalkörper und auf dem Mentalkörper, bevor sie sich im Körper festsetzen. Somit kann vieles vermieden werden und muss sich gar nicht erst auf den Körper projizieren.

Dem Fazit von der Webseite der Veranstalterin kann man gar nicht widersprechen: „Ein großartiger Schritt zu mehr Freude, Freiheit, Gelassenheit und Gesundheit!“ Es stimmt einfach auch an unserer Universität: „Du hast das Glück gebucht“. Und es kommt immer besser, Jubel brandet auf: „Dein Jackpot: Aktivierung der göttlichen Matrix/Blaupause“.

Wie gesagt, ich muss lernen, meine Vorlesungen und Seminare besser zu verkaufen. Und für die Klausuren muss ich den Studenten einfach besser Hilfestellung geben: „Ein Heilfeld - Schutzfeld – Bewusstseinsbeschleuniger“.

Aber nicht nur die Biologen, sondern auch die Physiker, insbesondere die Quantenphysiker, werden bestimmt von diesem Seminar profitieren und Quantensprünge sowie Freudensprünge im Turbo machen: „Die Blaupause ist die Verbindung zwischen dem Quantenfeld – dem Feld der intelligenten Liebesschwingung aus dem wir alle kommen – und dem Körper. Sie ist ein großes Heilund Schutzfeld und ein Bewusstseinsbeschleuniger. Die Blaupause stellt wieder die Verbindung zu Deiner vollkommenen Seelenkraft her und kann der Turbo in Deinem Leben sein – wenn Du dazu bereit bist. [...] Die Aktivierung Deiner göttlichen Blaupause kann einen Quantensprung in Deinem Leben bewirken. Sie ist ein unbeschreiblich großes Geschenk der Geistigen Welt an uns Menschen.

Hoffentlich wird bald eine Stelle frei, natürlich eine unbefristete Professur. Selbst eine unbefristete wissenschaftliche Mitarbeiterstelle wäre sicherlich nicht würdig der Qualifizierung als Meister des Quantenfelds – und eine Anstellung auf Zeit schon gar nicht für:

ORONOS®, ein Meister des Quantenfelds, möchte in Dir Dein großes Seelenpotenzial wieder aktivieren. Er benutzt uns Teilnehmer an der Ausbildung in Geistiger Chirurgie nach NATARA® dazu als Kanal. ORONOS®: „Alle, die die Blaupause bekommen, haben das Glück gebucht.“ Die Blaupause ist die reinste, höchste Energie, das göttliche Abbild Deiner Seele. Sie ist die Verbindung zum Quantenfeld, dem göttlichen Feld, aus dem wir alle kommen.

Wie weitsichtig, dass der große Meister des Quantenfeldes, aus dem alle Kindlein kommen, seinen Namen registriert und geschützt hat. Sonst könnte ja jeder daherkommen. Wir könnten unsere Universität umbenennen, ohne Lizenzgebühren für den Namen abzudrücken; und möglicherweise würden wir Biologen, Physiker, Chemiker, Mediziner und alle anderen altmodischen Wissenschaftler an unserer Universität diesen Namen falsch gebrauchen – auch wenn es nur unabsichtlich sein sollte.

Zu unserem und der anderen Glück kann in unserem Land ein jeder glauben, was er will und was ihn selig macht. Und jeder kann sein Geld ausgeben, wofür er möchte – seien es Kügelchen, ehrlich beschriftete Placebos, Blaupausen oder emotionale Körper, ein Haustier oder eine Kuscheldecke. Von einer Universität hatte ich bisher eine etwas andere Vorstellung, was Inhalte, Forschung, Lehre und Zweck angeht. Offensichtlich war mein Bild ziemlich schräg daneben – die Universität hat es mir eindeutig gezeigt und sich im Studium Generale modern und fortschrittlich positioniert.