Wunschpunsch von der Uni

Axel Brennicke


Editorial

(05.05.2015) Was Studenten sich im Studium generale alles holen können – Teil 2.

Träume werden wahr – meine Uni kümmert sich darum. Und um mich und mein Leben. Neben dem Zurechtrücken meiner Chakren und sonstiger Quantensprünge (siehe LJ 4/2015: 28-9) denkt sie auch weise daran, wie andere Menschen mit mir zurechtkommen können. Und das nicht nur im öffentlichen Leben der Uni selbst – nein, sie erklärt mir auch, wie ich mich um Träume und Partnerschaften sorgen soll. „Wunschtraum Partnerschaft – Illusion oder Möglichkeit?“ lautet die Ankündigung der Uni Ulm zu Kurs 14/15-007-sg im Studium generale. Zu ermäßigten Preisen. Leider habe ich den Kurs vom WS 14/15 verpasst – aber Unkraut vergeht ja nicht, und Unfug kommt immer wieder.

Den Wunschkurs „Wunschtraum Partnerschaft – Illusion oder Möglichkeit?“ hält Herr Jean-Marie Bottequin von einer Akademie für Persönlichkeitsbildung, München Samstag und Sonntag von 10-18 Uhr in N 25 / Hörsaal 8, Universität, Oberer Eselsberg. Außerhalb der Arbeitszeit. Komischer Termin, wenn es um Uni-Industrie-Partnerschaften gehen sollte.

„Ist Partnerschaft heute, durch die veränderten Lebensumstände, wie Druck und Zeit, ein Konfliktherd oder noch ein Lebenstraum? Was brauche ich für eine stabile Beziehung? Was kann ich bieten, geben und nehmen? Wer passt zu mir? Wie finde ich eine(n) Partner/ Partnerin? Ist es der/die Richtige? Und warum treffe ich immer den / die falsche(n)?“

Editorial

Unsere Traum-Hoffnung trügt doch nicht: Damit sind offensichtlich nicht die Uni-Wirtschaft-Geld-Partnerschaften gemeint, sondern das wirkliche Leben. Ein Elite-Partnersuchportal? Der Konfliktherd daheim? Auch da verstehe ich nicht alles: Wieso sind Druck und Zeit eigentlich veränderte Lebensumstände? Aber nicht so voreilig kritisch, schauen wir erstmal weiter in die Information der Uni zu diesem Partnerschaftskurs. Wunschtraum oder Alptraum? Wohl eher schwäbischer Albtraum – oder Abraum? Lesen wir weiter:

„Ziel: In großen Städten leben wir inzwischen mit Millionen von Singles. Nicht nur für eine Städteplanung und die Infrastruktur ergibt dieser ungesunde Zustand immer gravierende Probleme, auch viele Menschen leiden in ihre Einsamkeit. Die Scheidungsrate wird immer höher und die persönliche Unzufriedenheit steigt. Bei Psychotherapeuten werden die Wartelisten immer länger. Die Singles suchen einen Ausweg aus ihren Engpass.“

Wir leben in großen Städten mit Millionen von Singles zusammen? Das ist sicher nicht mal in Berlin korrekt, der einzigen deutschen Großstadt mit mehreren Millionen Einwohnern. Ein ungesunder Zustand? Was wäre denn der gesunde Zustand? Die Singles in Kleinstädte oder Dörfer umzusiedeln? Warum soll es dann weniger gravierende Probleme in der Städteplanung und Infrastruktur geben? Und viele Menschen leiden in ihre Einsamkeit? Ist das ein Schreibfehler oder eine Richtungsangabe? Wessen Scheidungsrate wird eigentlich immer höher, wenn schon so viele Singles in den großen Städten leben? Die Singles haben einen Engpass und suchen einen Ausweg – einen Ausweg aus der Stadt und aufs Land? Was hat das mit meiner Uni zu tun? Lesen wir weiter:

Nutzen: Nach zwei Seminartagen erkennen die Teilnehmer, durch eine kreative Methode, ihre eigenen persönlichen Werte. Dadurch „entdecken“ sie sich selbst und sind dadurch auch fähig ein „Gegenüber“ anders wahrzunehmen.“

Es ist wirklich sehr schön, wenn Singles endlich ihr Gegenüber anders wahrnehmen können. Toll, so eine kreative Methode. Ebenso dankbar muss ich der Universität sein, dass ich endlich meine eigenen persönlichen Werte erkennen kann – und das schon nach zwei Seminartagen. Bisher war da nichts zu sehen.

Wie es sich für das wissenschaftliche Niveau einer Universität gehört, wird diese kreative Methode ausführlich erläutert:

„Zum Erkennen der eigenen gefundenen Werte werden verschiedene bewährte Methoden angewendet: z. B. das SelfAsses (Peter Höpli, IMI Innovation Management Instruments, CH), TAE (Thinking at the Egde, von E.T. Gendlin, University of Chicago) und andere.“

Asses ist hier wohl nicht der Plural von Ass, sondern ein Schreibfehler. Auf der Suche nach Peter Höpli findet sich zwar keine Webseite zu „IMI Innovation Management Instruments, CH“, aber immerhin taucht dieser Herr auf der Webseite der Firma „MAB Management Advisory Board AG“ auf. Und dort findet sich auch der Kugelpunkt: Self-Assess. Was das sein soll, erläutert ein Kasten:

Fähigkeitenprofil

Mitarbeiter erfolgreich führen! Durch Erkenntnisse aus werteorientierten Persönlichkeits- und Fähigkeitsprofilen die Mitarbeiter- Leistungen nachhaltig steigern.

Anforderungsprofil

Integriert in das Self Assess Profil wird die Soll-/Ist-Abweichung ausgewiesen.

360° Feedback

Ergänzungsmodul zum Self Assess Profi. Standardisierte Befragung verschiedener Feedback-Gruppen.

Personal Assess

Ergänzungstool zum Self Assess Profil zur Unterstützung von Assessments und Veränderungsprozessen.

Bin ich gespannt, was meine Uni von diesen Programmpunkten für die Weiterbildung von Studenten oder Uni-Angehörigen als wichtig erachtet. Sollte mich etwa die Ausweisung der Soll-/Ist-Abweichung ebenso interessieren wie die standardisierte Befragung verschiedener Feedbackgruppen? Wird man 360° mit solchem Gesülze vollgelabert?

Diesen Herrn Höpli führt das SHAB (Schweizerisches Handelsamtsblatt) dann doch im Eintrag der IMI Innovation Management Instruments (GmbH mit 20.000 Schweizer Fränkli als Kapital) – und listet seine offensichtliche Frau Franziska Leimgruber-Höpli als Gesellschafterin und Geschäftsführerin sowie ihn selbst als unterschriftsberechtigt. Zu dieser Klitsche steht im SHAB als Zweck: „Entwicklung und Vertrieb von sowie Handel mit Instrumenten, Analysen und Methoden zur Unternehmensentwicklung sowie Erbringen von Office-Dienstleistungen; kann Zweigniederlassungen errichten, sich an anderen Unternehmen beteiligen, gleichartige oder verwandte Unternehmen erwerben oder sich mit solchen zusammenschließen sowie Grundstücke erwerben, verwalten und veräußern.

Eine Immobilienfirma? Ein Briefkasten zur Honorar- und Geldwäsche? Hört sich alles ganz schön obskur an. Vor allem stellt sich heraus, dass Firmen in Deutschland unter ähnlichen Namen alle bereits wieder aus dem Handelsregister entfernt wurden. Sehr merkwürdig.

Etwas besser schneidet E.T. Gendlin ab, der sich immerhin bei Wiki findet. Zwar ist er nicht wie angegeben der Autor des Buches „Thinking at the edge“, aber er hat immerhin das Vorwort dazu geschrieben. Darin säuselt er: „‚Thinking at the edge‘ (auf Deutsch: ‚Wo noch Worte fehlen‘) ist ein systematischer Weg, etwas in neuen Begriffen auszudrücken, das gesagt werden muss, vorerst aber nur ein undefiniertes ‚Körpergefühl‘ ist.“ Komische Übersetzung. Immerhin war ET mal an der Uni in Chicago.

Dieses „Thinking at the edge“ und Körpergefühl ufert allerdings in diversen Organisationen und Webseiten in ein ähnliches Gefühlsunwesen aus wie die letzte Geschichte mit den Quantenwesen (LJ 4/2015). Das einschlägige Skript verkauft Dozent Jean-Marie Bottequin an der Uni für 10,- € extra. Und verspricht uns folgenden Gewinn:

Durch den vertieften Blick nach Innen, erweitert sich eine positive und klarere Betrachtung zum Nächsten. Gemeinsamkeiten machen Mut, schädliche Unterschiede werden früher erkannt. Ich muss nicht immer die gleichen Fehler machen.“ Alles klar? Schön tief nach Innen gucken – das neue Endoskopiebesteck muss her. Gemeinsamkeiten machen Mut – diese primitive Einsicht teilen Bikergruppen und Kegelklubs.

Apropos vertiefter Blick – wer ist eigentlich Herr Jean-Marie Bottequin? Seine Webpage lobt wie zu erwarten: „Seine außergewöhnliche Methode [...] bereichert Jean-Marie Albert Bottequin behutsam mit praktischen und persönlichen Hinweisen, sowohl in den amüsanten Rollenspiele, als auch in Video-unterstützten Einzelberatungen. [...] Ein Mensch, der sich seinem Gegenüber mit unmissverständlichen Haltung und Gesten vermittelt, gewinnt rasch unser Verständnis und auch unsere Sympathie. [...] Gebrauchen Sie ihrer verborgene Potentiale und werden Sie damit erfolgreich! Jeder Mensch ist ein Schatz an Edelsteine. Die Kunst besteht darin, diesen Schatz sichtbar zu machen, zu nutzen und zu pflegen.

Jean-Marie ist offensichtlich kein Muttersprachler, aber wohl ein Schatz an Edelsteinen. In diesem Stil vermarktet er sich ausführlich auf mehreren Webseiten. Auf psychotherapie.bottequin stellt er sich etwa vor als: Berater in der „Positiven transkulturellen Familienpsychotherapie“. Zu seinem aggressiven Marketing gehört auch, dass er sich nicht scheut, sich als Gastprofessor der Universitäten Wien und Ulm anzubiedern und damit zu protzen: „Er ist tätig als Gastprofessor an den Universitäten in Wien und Ulm zum Thema „Nonverbale Kommunikation im multikulturellen Bereich“. Gastprofessor? Ich schäme mich meiner Uni. Multikulturell heißt wahrscheinlich, dass er Seminare zu verschiedenen Themen abhält, zum Beispiel auch den genialen Kurs „Ohne Ziel kein Treffer“ unter der laufenden Nummer 14/15-006- sg des Studium generale an meiner Uni.

Zum guten Schluss noch die Info zu diesem obskuren Picknick:

Nach zwei Seminartagen erkennen die Teilnehmer ihr USP und ESP (Unic Selling Point und Emotional Selling Point), sowie ihren „Ist-und Sollzustand“. Durch die neuartige und in Deutschland noch ziemlich unbekannte TAE-Methode lernen sie, ihre Zukunftsvision in deutlicher Sprache auf den Punkt zu bringen und zu formulieren. Ausgangspunkt ist das eigene, noch schwer in Worte fassbare Gefühl, die Intuition oder fachliche Ahnung, die Menschen haben, wenn sie sich mit einem Thema beschäftigen.

TAE ist hier kein Puffersystem, sondern heißt – Sie wissen es schon – „Thinking at the edge“. Denken Sie auch mal hinter der Kante. Aber fallen Sie nicht darüber.