Gut verquast ist halb verwaltet

Axel Brennicke


Editorial

(04.09.2015) Und wieder liegt eine neue Perle des Univerwaltungs-Kauderwelschs auf dem Tisch...

Haben Sie schon gefrühstückt? Das sollten Sie jetzt tun, denn auf leeren Magen schlägt Ihnen das neue Uni-Rundschreiben womöglich auf den selbigen. Das ist die erste, aber auch schon die letzte Warnung: Nichts steht jetzt mehr zwischen uns und einer unbegrenzten Reihung von Substantiven mit minimalster Verwendung von Verben. Da bleibt natürlich die ein oder andere grammatische Verirrung nicht aus, in der formulativen Qualitätsbewirtschaftung des Textes droht diese jedoch leider versteckt unterzugehen. Daher können wir solche Irrungen den Dichtern nicht einmal vorhalten, zuerst müssen wir sie finden und uns anschauen.

„Richtlinie der Universität Ulm zur Annahme von drittfinanzierten Dienstreisen/ Veranstaltungen

1. Vom einwerbenden Beschäftigten ist das Angebot des Zuwendungsgebers zur Finanzierung von Dienstreisen/Veranstaltungen dem Dezernat iii, Personal [ohne zweites Komma?] als beauftragte Stelle [Das müsste Dativ sein, ist es aber nicht] anzuzeigen und [Wo ist das Verb, das zum Plural der Substantive passt?] die zur Entscheidung notwendigen Angaben und Unterlagen vollständig vorzulegen. Dies sind:

Editorial

a. das konkrete Angebot/Einladungsschreiben des Zuwendungsgebers zur Übernahme von Reise- und/oder Fortbildungskosten unter Angabe aller beabsichtigter Unterstützungsleistungen, [Hier muss ich ausdrücklich loben: der Genitiv hat gut geklappt! Dieser Punkt a versammelt acht Substantive mit nur zwei Adjektiven und ganz ohne jedes Verb – genial, das können wir nur als unblumig auf höchstem Niveau anerkennend bewundern!]

b. der vom Vorgesetzten genehmigte Dienstreiseantrag (ohne Kostenerstattung); der Vorgesetzte hat vor Genehmigung die erforderlichkeit der Dienstreise für Aufgaben in Forschung und/oder Lehre zu prüfen; Hochschullehrer haben den Grund der Dienstreise und den Zusammenhang zu ihren Aufgaben in Forschung und Lehre darzulegen, [Glauben die in der Verwaltung tatsächlich, dass sie die Zusammenhänge zwischen Reise und Forschung verstehen? Einbildung ist es nicht, es ist die schonungslose Wahrheit: Das Herauskehren der faktisch absoluten Macht der Verwaltungen, die sich durch ihr invasives Misstrauen in produktiv arbeitende Menschen legitimiert.]

c. das ausgefüllte und unterzeichnete Formular (siehe Anlage), aus dem folgende Angaben hervorgehen:

- Name und Anschrift des Zuwendungsgebers

- Höhe der Finanzierung

- Rechts- und Geschäftsbeziehungen zum Zuwendungsgeber

- Erklärung zu Beschaffungsvorgängen, Zweck der Reise etc. […]

[Wieder mal der typische Schwachsinn der Verwaltungen: Das Aufgelistete steht ebenso in dem Formular der Anlage (zu der kommen wir gleich) und muss hier nicht dupliziert werden. Warum doch? Die Verwaltung unterstellt in ihrem Misstrauen bei jedem Verwalteten stets einen niedrigeren IQ. Egal ob der angesprochene Bürger, Straßenfeger, Richter oder Doktor heißt, er wird immer als Untertan gesehen und so behandelt. So lange, bis jeder Widerspruch erstickt ist.

Aber auch der Inhalt wird wie für Idioten immer wieder widergekäut:

Name und Anschrift des Sponsors sind längst unter Punkt a abgehakt – die stehen möglicherweise sogar in seinem Angebot.

Die ‚Höhe der Finanzierung‘ ist ebenso schon von Punkt a. abgedeckelt – ‚Angabe aller […] Unterstützungsleistungen‘ ist das Gleiche.

‚Zweck der Reise‘ ist unter b. schon als ‚Grund und Zusammenhang zu Forschung und Lehre‘ erschöpfend erschlagen. Unklar bleibt, was unklar ist: Was sind dabei Beschaffungsvorgänge? Die Beschaffung von Fahrkarten oder Unterwäsche für die Reise? Nun, egal, Hauptsache eine Erklärung dieser und/oder anderer Vorgänge wird vorgelegt.]

3. Die Annahme ist insbesondere dann nicht zu genehmigen, wenn [Herrliche Negativität – nur damit immer wieder klar wird, wer hier der Herr im Haus ist, ist die Nicht-Genehmigung der Normalzustand. Die immanente Drohung zeigt den Professoren, die das Geld mühsam einwerben, was sie damit machen können. Freundlichkeit geht gar nicht, Dank ist unpassend, Eigenverantwortung verbietet das Misstrauen.]

a. ...die zugewendeten Reisemittel nicht angemessen sind. Kriterien zur Angemessenheit sind:

# Angemessene Hin- und Rückreisekosten zum und vom Veranstaltungsort; als Orientierungsmaßstab gilt [Verb im Singular, dazu passen nicht die drei folgenden Subjekte] die Reise mit der Bahn 1. Klasse sowie PKW-Fahrtkosten in Höhe des steuerlich zugelassenen pauschalen Kilometersatzes, die ers tattung der Kosten öffentlicher Verkehrsmittel und t axikosten. Bei Flugreisen sind innereuropäisch die Kosten der econom y-Class sowie der Business-Class für interkontinentale Flüge angemessen. Die Erstattung von First-class-Flügen [‚Class’ klein o der groß – was nun?] ist hingegen unangemessen.

[Wussten Sie, dass an Universitäten mit der Bahn die 1. Klasse angemessen ist? Meine Uni dagegen verbietet mir die Nutzung der 1. Klasse und lässt mich von meinen Mitteln maximal 2. Klasse buchen. Reicht Laborjournal 9/2015 Serie 33 ja auch. Im Flugzeug könnte ich die Bussiness-Klasse niemals vor dem Steuerzahler rechtfertigen – meine Uni auch nicht. Deshalb erstattet sie maximal die Holzklasse – natürlich auch von den von mir eingeworbenen Drittmitteln. Was soll also diese Lügerei? Wenn dies als Ausnahme für Mediziner gelten soll, sollte das dabei stehen – kann aber kaum sein, da die in ihrem Hauptberuf in der Uniklinik organisiert sind und dort so viel Kohle über eigene Firmen und Abrechnungen hin- und herund anschaffen, dass ihr Prof-Gehalt kaum die Steuern abdeckt. Warum eigentlich der Unterschied zwischen innereuropäischen und interkontinentalen Verschiebungen?

Wofür sollen diese Fahrzeuge als ‚Orientierungsmaßstab‘ gelten? Für die Kosten, die ein interkontinentaler Fußgänger absetzen kann? Für die innereuropäischen Fahrtkosten nach England auf der Queen Mary II? Für die innerdeutsche Fahrt von Berlin nach Köln mit dem Heißluftballon? Vielleicht hat sich die Univerwaltung mit dem Finanzamt nicht richtig abgesprochen: der pauschale Kilometersatz ist nicht steuerlich zugelassen, sondern vorgeschrieben – das lässt sich nicht schönreden.]

# Notwendige Übernachtungskosten: Hier gilt, dass das Hotel im Hinblick auf seine Infrastruktur, T echnik und Räumlichkeiten den Kriterien eines Business-Konferenzhotels entsprechen muss, keine außergewöhnliche [Das soll Akkusativ sein?] Wellness-Bereiche und -angebote aufweist und keinen erhöhten Erlebnis- und Erholungscharakter hat.

# Erstattung von Teilnahmegebühren

# Kosten für Bewirtung, soweit sie einen angemessenen Rahmen nicht überschreiten, von untergeordneter Bedeutung bleiben und im Zusammenhang mit der Gemeinschaftsveranstaltung entstehen.“

Nun? Sind sie noch da? Und wenn Sie schon gefrühstückt hatten – wissen Sie noch, worum es geht und was Sie zu tun oder zu lassen haben? Nur für den Fall, dass es ihnen auf halbem Weg in der Kehle stecken geblieben ist, möchte ich Ihnen diesen Befehl kurz mit meinen Worten zusammenfassen: Nur wenn die Kosten für Ihr Frühstück sich in einem angemessenen Rahmen bewegen, müssen sie von untergeordneter Bedeutung bleiben. Übersteigen Ihre Frühstückskosten den angemessenen Rahmen und sind sie dann von übergeordneter Bedeutung, so ist das egal. Oder gibt es noch einen anderen verwaltungstechnischen Knackpunkt, der den Unterschied zwischen einem angemessenen Rahmen und einer untergeordneten Bedeutung ausmacht? Ist schon richtig, dass die Verwaltung immer mit Idioten wie mir rechnen muss. Die Annahme der Einladung durch den Sponsor ist für so niedrige IQ-Halter nicht angemessen und nicht zu genehmigen.

Logisch konsequent ist unsere Verwaltung, keine Sorge. Wo sie a. sagt, sagt sie auch b. und c. und so weiter. Ganz wichtig in dieser Richtlinie ist noch Punkt...

„...c. [Wenn] Ein dienstliches Interesse an der Veranstaltung aufgrund der konkreten Tätigkeit des Beschäftigten in Forschung und Lehre nicht vorliegt.“

Dann führt das zur sofortigen Ablehnung der Dienstreise. Muss ich nicht kommentieren, oder?

Kurz noch zum Titel dieser Dienstanweisung zu „drittfinanzierten Reisen“ – damit sind wohl viertfinanzierte Fahrten gemeint. Zu Ihrer und meiner Weiterbildung erläutert nämlich die „Zeitschrift für Erwachsenenbildung“:

„So wird im Forschungsbereich unter Erstmittel das zugewiesene Budget, die institutionelle Sockelfinanzierung des Staates (Land oder Bund) verstanden. Dabei handelt es sich um die Grundausstattung mit Personal, Infrastruktur (Bauten, E inrichtungen etc.) und Sachmittel, mit der eine regelhafte Aufgabenbearbeitung möglich ist.

Mit Zweitmittel sind die finanziellen Mittel gemeint, die eine Universität oder Forschungseinrichtung aus Zuwendungen (Beihilfen) von staatlichen Mittlerorganisationen wie z. B. der DFG erhält. Diese für eine ausgewiesene Forschungstätigkeit notwendigen Mittel werden auf Antrag der Universität oder des Instituts in der Regel in kompetitiven Verfahren für ergänzende Arbeiten in der Forschung bereitgestellt.

Eine umfassende Definition des Begriffs Drittmittel liefert die Universität Zürich in ihren Richtlinien: »Drittmittel sind Einnahmen aus Verträgen, durch die sich die Universität [...] Dritten gegenüber verpflichtet, Forschungs-, Lehr oder universitäre Dienstleistungen zu erbringen«.“

Von Reisesponsoring ist bei Erst-, Zweit- und Drittkohle nicht die Rede. Also Viertmittel!

Als letztes Wort zum Abschluss des Frühstücks hätte ich noch einen positiven Vorschlag. Eine nette Verwaltung könnte ja auch sagen:

„Wir freuen uns, dass Sie für unsere Universität Gelder eingeworben haben. Wir bitten Sie, diese in Eigenverantwortung einzusetzen. Über eine kurze Mitteilung zur Verwendung der Sponsorengelder für unsere Akten wären wir Ihnen sehr dankbar. Gute Reise!“