Wiedergeburt von Amts wegen

Axel Brennicke


Editorial

(13.10.2015) Verlieren die Ämter ständig ihre Unterlagen? Oder warum fragen sie immer das Gleiche?

Die armen Verwaltungen von Universitäten, Schulen und sonstigen Dienstleistern, die Beamte des Landes Baden-Württemberg in ihrem Personal dulden müssen! Diesmal geht eine denkwürdige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nicht von der Univerwaltung aus, sondern von deren vorgeschalteter Verwaltung – dem Landesamt für Besoldung und Versorgung (LBV). Dieses katalogisiert, verwaltet und versorgt die Beamten des Landes, wie die LBVs in den jeweiligen anderen Ländern unserer Republik auch.

In unserem baden-württembergischen Versorgungsamt müssen sich Bücherwürmer oder datenfressende Viren rasant vermehrt haben – jedenfalls scheinen sämtliche Unterlagen von allen Beamten verschwunden zu sein! Anscheinend herrscht dort ein exzellentes Klima und bietet den Würmern die Daten auf dem Präsentiertrog. Und nicht etwa nur zum Anschauen oder Kopieren, davon wird keiner satt. Die Daten sind offensichtlich weggefressen und nicht mehr da.

Nur so kann ich mir jedenfalls erklären, dass meine Uni-Verwaltung als ausführende Hand mich auffordert, selbst als ausführende Hand tätig zu werden und das Formular LBV 2201 nach den Vorschriften in Formular LBV 2201a „Erklärung über Ausbildungs- und Beschäftigungszeiten“ auszufüllen. Im Rahmen meiner „Mitwirkungspflicht“ ist dieses ausgefüllt und „einschließlich sämtlicher erforderlicher Nachweise der Abteilung Personalservice zur Prüfung und weiteren Veranlassung beim Landesamt für Besoldung und Versorgung vorzulegen.“

Editorial

Dieses Formular hat aber jeder Beamte gleich bei der Bestallung ausgefüllt. Und alle Nachweise beigelegt. Danach wurden Dienstalter für die Bezahlung und zusätzlich das überflüssige Jubiläumsdienstalter ausgerechnet. Liegt also alles schon im LBV – beziehungsweise lag. Jetzt ist alles weg. Wohin bleibt offen, das LBV gibt keine Entschuldigung, keinen Grund und keine noch so dumme Ausrede an seine Beamten. Hat eine Bürokratie wohl nicht nötig. Nur einen undurchsichtigen Vorwand.

Dieser schien bisher nicht so richtig dringend, wird jetzt aber aktuell: „Zur Erhebung der dafür erforderlichen Daten wurde Ihnen bereits Ende 2012 das entsprechende Formular des Landesamts für Besoldung und Versorgung übermittelt…“ Ich muss zugeben, das hatte ich wohl erfolgreich verdrängt – ich kann mich an nichts erinnern und auch nichts finden. Ein Aprilscherz – das hatte ich zuerst gehofft – war es offensichtlich nicht. Vielmehr ist anscheinend jemandem im LBV aufgefallen, dass ein denkwürdiger Termin ansteht: „… ab dem 1. Januar 2016 erhalten Beamtinnen und Beamte auf Lebenszeit gem. § 77 Landesbeamtenversorgungsgesetz Baden-Württemberg (LBeamtVGBW) in regelmäßigem Abstand von fünf Jahren eine Auskunft über die Höhe ihrer Versorgungsbezüge.“ Warum die Abkürzung wichtig ist, bleibt unklar. Versorgung bezieht der Beamte nach der Pensionierung, vorher steht er im Sold.

Bisher konnte der Beamte ab fünf Jahre vor der Pensionierung eine solche Auskunft einholen. Das hatte gereicht, und würde weiterhin völlig reichen. Falls jemand es wirklich schon zwanzig Jahre vorher wissen will, kann er selber nachrechnen. Und weiß dabei, dass nicht wahr werden wird, was er da ausrechnet, weil sich bis dahin alles ändern wird – und ganz sicher nicht zum Besseren.

Analog ist die regelmäßige, gleichwohl sinnlose Renteninformation der Rentenkasse überflüssige Geldausgabe. Diese ist zwar für Normalsterbliche nicht nachzuvollziehen, aber immerhin klar und deutlich; in meiner eigenen vom 9.4.2015 steht etwa gleich auf der ersten von immerhin nur zwei Seiten deutlich umrahmt „338,17 € pro Monat“. Dann kommen die Einschränkungen, die klarmachen, wie absurd das ist und wie sinnlos solche teuer erstellten und verschickten Informationen für alle Beteiligten sind. „Allerdings können auch wir die Entwicklung nicht voraussehen.“

Entsprechend wird das auch nicht stimmen, wenn es denn so weit ist mit dem Rentenalter. Nur 16 Monate zuvor kamen neun Seiten „Rentenauskunft – kein Rentenbescheid“. Da war in Fett von der Regelaltersrente die Rede – mit 332,62 Euro. Auf den anderen Seiten ging es um große und kleine Witwenrenten, Rentenartfaktor und solche Dinge. Auch gut zu wissen: „Die Wartezeit für die Renten wegen Todes […] ist erfüllt.“ Kann ja nichts mehr passieren.

Was nützt uns solche Information, wenn jeder weiß, dass sich alle Jahre wieder Regeln und Prozente verändern? Und die Gehälter sowieso. Und dass damit auch die 338,17 Euro falsch sein werden. Wer dennoch eine solche Schätzung als Idee für seine Rentenweltutopie haben will, kann sich auch dies selbst ausrechnen oder bei der Rentnerbehörde nachfragen – das reicht allemal. Und würde viel Geld und Hirn sparen. Mit Ersterem könnte man dann beispielsweise die Rente für alle erhöhen.

Übrigens, Rente und Pension: Wussten Sie schon, dass es sich nicht lohnt, vor der Verbeamtung zu arbeiten? Noch schlimmer: Es schafft Ihnen und den Verwaltungen nur zusätzliche Arbeit. Die 338 Euro Rente sind bei der Pensionierung futsch. In unbürokratischem Deutsch geht das so: Das LBV (also das Land) schreibt vor, dass der Beamte erst einmal Rente beantragen muss. Bekommt er von dort Bescheid über tatsächlich 338 Euro Rente pro Monat, kann er seine Pension beantragen. Von dieser werden ihm dann die 338 Euro Rente abgezogen. Der Pensionär bekommt also immer das gleiche Geld als Versorgung, egal ob er vor der Beamtenbesoldung gearbeitet hat oder nicht. War er so dumm und hat vor der Beamtung gearbeitet, hat er später nur die Mehrarbeit, die Rente beantragen und alle Jahre wieder die Rentenänderungen an das LBV durchgeben zu müssen.

Ach ja, das LBV: Dort findet man das Formular 2201 gar nicht in der ausfahrbaren Liste. Man muss schon die Nummer eingeben, um es ausdrucken zu können. In weiser Voraussicht hat die Univerwaltung die Nummern angegeben und mit dem ganzen Papier allen Beamten noch das ausgedruckte Raster 2201 und die Erklärung 2201a dazu gelegt. Da muss man dann seine „Angaben zum Werdegang in zeitlicher Reihenfolge lückenlos“ eintragen. Als „Arbeitnehmer (im öffentlichen Dienst mit Eingruppierung)“.

Übrigens gut, dass Sie irgendwo aufgeschrieben haben, unter welchem Label Sie vor 10, 20, 30 Jahren als HiWi ein Praktikum gebremst haben. Das wird nämlich jetzt wieder Thema, wenn es weiter unten heißt: „Im Arbeitnehmerverhältnis im öffentlichen Dienst zurückgelegte Beschäftigungszeiten – Arbeitsverträge, Zeugnisse über Art, Dauer und Umfang der Beschäftigung“. Und, wie sieht es jetzt bei Ihnen aus? Haben Sie noch die Zeugnisse aus Ihren HiWi-Tagen? Sollten Sie aber, Sie brauchen es hier. Sonst? Jaha – sonst kommen Sie Ihrer „Mitwirkungspflicht“ nicht nach. Und das kann üble Konsequenzen haben, denn ein Beamter verhält sich nicht so nachlässig, sondern liefert der Obrigkeit, was diese anfordert und befiehlt. Kadavergehorsam fragt nicht, sondern ist gefragt.

Was ist aber nun mit den verschwundenen Unterlagen im LBV? Von der Rente ist man das ja gewohnt, dass die plötzlich alle Unterlagen verloren haben und alles neu brauchen. Als das Rentenamt vor zehn Jahren den Namen von BfA zu Deutsche Rentenversicherung Bund änderte, gingen alle Unterlagen verloren. Wie ein paar Jahre davor auch schon, als die Zentrale aus Berlin nach Stralsund zog. Da belastet man sich nicht mit Papier oder Dateien.

Zumindest meine Daten bleiben trotz meiner geflissentlichen Wiedereinsendung einer Evolution durch zufällige Mutation unterworfen. So steht plötzlich in dem Schreiben „Rentenauskunft“ von 2013: „Bis zum 31.12.2011 sind folgende Zeiten ungeklärt: 01.01.2011 bis 31.12.2011“. Da war ich aber schon so zwanzig Jahre Beamter und habe nicht mehr gearbeitet. Selbstverständlich bin ich nur ein Sonderfall, das wird bei Ihnen niemals vorkommen.

Seien wir doch froh, dass wir Arbeit haben: Das Arbeitsamt verliert im Schnitt alle zwölf Monate sämtliche Unterlagen. Auch von Langzeitarbeitslosen. Oder gerade von denen. Irgendwie muss man die Leute wohl beschäftigen, wenn sie schon keine Arbeit haben. Offen bleibt, ob die Verwaltungen der Landesämter nicht genug zu tun haben. Oder ob dort ein solches Chaos herrscht, dass es weniger Arbeit ist, alle Beamten anzuschreiben und deren Geburtsdaten neu zu fixieren, als selbst die alten Unterlagen zu sortieren und anzuschauen. Oder braucht dort etwa jemand viele neue Untergebene für die viele zusätzliche Arbeit, um die Leiter eine Gehaltsstufe hinaufzufallen?

Ob es wohl auffällt, wenn ich mein Geburtsdatum ändere? Das wäre mal ein schöner Test – aber ich bin zu feige, glaube ich. Wer weiß, was passiert, wenn das auffällt. Vielleicht wird dann eine neue Schatten-Datei von mir angelegt?

Die armen Verwaltungen an allen Unis und sonstigen Behörden mit Beamten. Was glauben Sie, wie gelassen und freundlich all diese Beamten ihre Unterlagen mal wieder kopieren und den Verwaltungen für das LBV neu einreichen? Da lädt niemand sein Unverständnis an der falschen Person ab, der freundlichen und kompetenten Sachbearbeiterin „Beamtetes Personal“. Alle faulen Mauler richten sich vielmehr direkt an das LBV und fragen dort nach, wo denn die Unterlagen seien. Und mancher fragt weiter, wie man denn bisher sein Gehalt berechnet habe und ob er auch nicht zu viel bekommen habe, weil er doch seit einigen Jahren früher geboren sei als bisher. Und somit rückwirkend drei Jahre länger für den Staat in der Republik malocht habe.

Ach ja, an alle Jüngeren: Nicht vor der Verbeamtung arbeiten! Wenn es zu spät ist und Sie schon von diversen Zeitverträgen in die Rentnerkasse eingezahlt haben, bleibt Ihnen nur, sich nach der Verbeamtung alle Rentenansprüche gleich Cash auszahlen lassen. Schließlich wird man nur in Ausnahmefällen entbeamtet…

Und ganz wichtig: Immer alles kopieren und aufheben, was Sie jemals an irgendein Amt schicken!